Prince

Love Symbol

„Love Symbol“ von 1992 war opulent arrangiert, stilistisch vielfältig und stellte Fragen, die man nicht immer verstand. Aber man verstand, dass Prince nach den eher direkten Soundtracks von „Batman“ und „Graffiti Bridge“ zumindest wieder an einem eigenen Konzept arbeitete.

Wie heißt das Album eigentlich: Heißt es, wie vom Label katalogisiert, wirklich „Symbol“ oder „Love Symbol“? Das Cover trug keinen Titel – es zeigte lediglich ein neuartiges Zeichen auf der Hülle, in dem sich die Gendersymbole von männlich und weiblich vereinen. Eine Platte ohne Namen also, das dürfte den Verantwortlichen von Warner Music 1992 ein wenig Angst gemacht haben. „, O(+>“ –  Würde sich so etwas denn verkaufen? Prince weigerte sich, einen Titel herauszurücken.

Und er machte sich sowieso keine Sorgen. Rund einen Monat vor Veröffentlichung seines 14. Studiowerks unterschrieb er den angeblich bis dato bestdotierten Plattenvertrag aller Zeiten. Von einer – später von verschiedenen Seiten bestrittenen – Garantiesumme von 100 Millionen Dollar für neue Alben war die Rede (ein typischer 1990er-Jahre-Megavertrag jener Sorte jedenfalls, den auch Madonna und R.E.M. unterzeichneten – und alle setzten sie dann bis Ende des Jahrzehnts immer weniger Platten ab). Außerdem gab es ein Joint Venture seines Paisley-Park-Labels mit Warner, was für den 34-Jährigen einen Aufstieg im Konzern bedeutete.

Das Cover war eine Mischung aus eben seinem Paisley Park, Metropolis, Klon-Zukunft und Lagerfeuer. 18 Tracks. 75 Minuten. Erstmals ein Reggae. Prince rappte auch wieder, baute ein „Motherfucker“, zumindest als „MF“, in einen Titel ein. Schulterzucken verursachte das konfuse Konzept um Ägyptologie, das Prince in Songs und Artwork einspannte, die Pyramiden und deren Zahlen-Mythologie. Dazu gab es die im HipHop florierenden „Segues“, gesprochene Zwischenelemente, in denen die Schauspielerin Kirstie Alley in der Rolle einer Reporterin den Musiker anpflaumt: „Why Are You So Arrogant?“. Carmen Elektra singt auf „Love Symbol“ mit, Prince’ zukünftige Ehefrau Mayte sowie die Steeles. Doch wer von ihnen war wann zu hören?

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Gegenüber dem durch Rap- und R&B-Anleihen verwandten, im Jahr zuvor veröffentlichten „Diamonds and Pearls“ wird „Love Symbol“ ungnädig beurteilt – zu Unrecht. Prince’ hieran anschließende „Symbol“-Phase, der überhastete Bruch mit Warner, der Abstieg zum TAFKAP (The Artist Formerly Known As Prince) gilt als schlechteste seiner Karriere – das schon. Aber hier war er noch Prince. Und Rap-Elemente, wie in „Sexy MF“ oder „My Name Is Prince“, baute er weit fließender in seinen Mix ein, als er es in Standalone-Nummern wie den „Diamonds and Pearls“-Tiefpunkten „Push“ oder „Jughead“ probierte.

Erstmal Prince, dann King

So wütend wie in „My Name is Prince“, einem Lied über künstlerische Selbstbestimmung, klang Prince wohl noch nie. Kollege Tony M. rief Prince‘ Rivalen Michael Jackson (der sich kurz zuvor, wegen abnehmenden Erfolgs, verzweifelt zum „King Of Pop” krönen ließ) entgegen: „You Have To Become A Prince Before You’re King Anyway”. Im dazugehörigen Video, in dem Prince eine Straßenrevolte anführt, verdeckte eine Polizeimütze, von der Kordeln herunterhingen, vollständig sein Gesicht. Sein Mikro hatte die Form einer Pistole. Ein starker Kontrast: Einerseits betonte Prince den Prince im Songtitel – aber die Identität schien nicht mehr an sein Antlitz geknüpft. Er wollte ein Star ohne Image sein, obwohl er hätte wissen müssen, dass das nicht geht. Auch das war der Bruch, der ihn zu TAFKAP werden ließ.

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Zumindest die Hälfte der Album-Songs ist gelungen: „Sweet Baby“ bietet reduzierten Pop, der auch aus Prince’ ersten beiden Alben hätte stammen können; „The Morning Papers“ war eine Ballade mit drei Metal-Soli, und die Mini-Oper „3 Chains O’ Gold“ fuhr ein möglicherweise noch beeindruckenderes Gitarrensolo-Finale als „Let’s Go Crazy“ auf. „Damn U“ hätte auch dem Neo-Soul aus „Sign O’ The Times“ gestanden. Mit dem arabesken „7“ gelang Prince sein letzter Single-Top-Ten-Hit in den amerikanischen Billboard-Charts, passenderweise stieg es bis auf Platz sieben.

Am meistunterschätzten ist vielleicht „I Wanna Melt With U“, in dem Prince zwar etwas zeitgeistig vom „Ultimate Rave“ schwadroniert, der Techno-artige Rhythmus aber tatsächlich nicht abgekupfert klingt, sondern, wie früher, nach einsamer Arbeit an der Beat-Maschine. Und das versteckte „The Max“ kramte Prince für seine „Piano“-Tour von 2016 wieder hervor. Bei seinem letzten Konzert, sieben Tage vor seinem Tod, spielte er das Lied gleich als zweites im Set.

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Aber es ist die mit „Love Symbol“ gefeierte Geschlechtsneutralität, die widersprüchlich bleibt. In Prince’ Musik gab es ab Anfang der 1990er-Jahre leider keine Genderfragen mehr aufzuwerfen, keine Geheimnisse, Versprechungen, Verlockungen, keine wunderbaren Ambivalenzen. Mit seinen Game Boyz oder Rapper Tony M. verfeinerte er eine Macho-Rap-Haltung, nach der Männer stärker sind als Frauen. „Love 2 The 9’s“, eigentlich ein schöner Song, trieb in einem Dialog das gewünschte Dominanzverhältnis auf die Spitze. Auf Wissensfragen antwortete Mayte naiv.

How many books u read? „Is Hemingway dead?“
Who’s the president now? „Does it matter… wow!“
Then how u gonna make that booty boom?
„How I’m gonna make that booty boom?“
I said how u gonna make that booty boom?

Würdiges, vorläufiges Ende als Prince

„Love Symbol“ war opulent arrangiert, stilistisch vielfältig und stellte Fragen, die man nicht immer verstand. Aber man verstand, dass Prince nach den eher direkten Soundtracks von „Batman“ (1989) und „Graffiti Bridge“ (1990) zumindest wieder an einem Konzept arbeitete. Die schwachen Verkäufe der Platte dürften es ihm ab 1993 leichter gemacht haben, sich von Warner Music abzuwenden – aber der künstlerische Wert dieses Musikers ließ sich natürlich nicht in Millionen von vertraglich zugesicherten Dollars messen.

Das tat das Label im Jahr darauf: Erstmal eine „Greatest Hits“ veröffentlichen. Beide Seiten brauchten Abstand.