REPLAYS2 :: von bernd Matheja

Wer wollte schon 1979/80 etwas Neues von den SEARCHERS hören? Eine Handvoll Williger war schwer angetan und tschüs: „Searchers“ und „Love’s Melodies“ (UK-Titel: „Play For Today“), zwei wirkliche Spitzen-LPs, soffen ab. Erst die Aussies mußten kommen, um fast 20 Jahre später die in den Rockfield-Studios (Qualitätsgarantie!) eingespielten Scheiben auf CD zu reanimieren: „The Sire Sessions“ (Raven RVCD 64/Direktimport) gehen an die 80-Minuten-Grenze, versammeln 24 von damals 27 aufgenommenen Tracks – mehr paßte einfach nicht drauf. Das SBM-Verfahren hat die schon auf LP klanglich starken Titel noch transparenter gemacht. Der Teller ist ein einziger Knaller, Ohrwurm-Potential pfeift aus allen Ecken – wofür nicht zuletzt Pop-Edelfedern wie Will Birch (Kursaal Flyers), Mickey Jupp, Bob Dylan, John Fogerty, Tom Petty, John Hiatt und Alex Chilton sorgten. Das Ganze rundet sich zu einem Feuerwerk in Power-Pop, die Zwölfsaitigen in bester Byrds-Manier ergießen sich in fast alle Songs. Gesanglich waren die Herren Pender, McNally und Allen genauso makellos wie schon anno 1965. Mit 5,0 ein mehr als lauwarmer Kandidat für den „Reissue des Jahres“.

Zum 100. Geburtstag läßt die EMI Dutzende meritenbehangene (oder auch verklärte) Uralt-Scheiben als limitierte Digipack-CDs vom StapeL Ansprechend aus dem ersten Hieb: „The Five Faces Of…“ von MANFRED MANN (EMI 8 56634/Stereo!) und „Stay With…“ (8 56564/Mono und Stereo, 28 Titel) von den HOLLIES. Englischer Rhythm & Blues, der bei Mann deutlich authentischer klingt (3,0) als bei den leicht angerumpelten Hollies (2,0 ), für die diese Art Musik nur eine Station auf dem Weg zum Schönkehlen-Pop bedeutete. Warum man von den SHADOWS „The Sound Of…“ (& 56566/Stereo) für diese klanglich prima gesäuberten Neuauflagen auswählte, ist nur sehr schwer nachvollziehbar; mehrere Versuche „in Südamerikanisch“ verwässern das Können der Band, die hier streckenweise so klingt wie auf der Halbjahresgala der ostwestfäischen Pharmavertreter. 2,0

Legende ist der Soundtrack „Ferry Cross The Mersey“ (8 56567, 24 Titel), allerdings ein partiell erheblich angestaubter. Gerry & The Pacemakers, The Fourmost, Cilla Black und das George Martin Orchestra waren stets Schwimmer im Beatles-Fahrwasser – und werden es auch für immer bleiben. 2,0 für den Charme der frühen Beat-Jahre. Inzwischen sind aus der Reihe auch Scheiben der Swinging Blue Jeans („Blue Jeans A-Swinging), The Four-most („First And Fourmost“), von Paul Jones („My Way“; alle 3,0 ) sowie von Shirley Bassey und Adam Faith erschienen.

Zu den Top-Geschädigten der unseligen mittsiebziger UK-Jahre gehören mit Sicherheit DECAMERON aus Gloucester. Ihre Original-LPs „Third Light“ und

„Tomorrow’s Pantomime“ (minus drei Tracks, auf Einzel-CD) verklickern uns noch heute eine Spielart des Folkrock, die auf einem Nebengleis lag. Mit verzahntem Satzgesang, attraktiven Gitarrenarrangements und vor allem den überdurchschnittlichen Kom-positionen von Johnny Coppin und Dave Bell murkelten die Briten in einer etwas entlegeneren Ecke vor sich hin als der gemeine Rest der Branche. Grundsolide, mit ein paar echten Song-Perlen. Castle ESM CD 568 ist mit 3,0 zu benoten.

Neben Geno Washington waren JIMMY JAMES & THE VAGABONDS die Abräumer der englischen Soul-Szene in den späteren 60er Jahren – zumindest auf dem live circuit. Chartmäßig wurden der gebürtige Jamaikaner und seine Schwitzkapellen einfach nicht ernst genommen. Wer den Sanges-Bär öfter vor Ort auf der Bühne erlebte, konnte mit den Platten nicht zufrieden sein. James Metier waren nun mal die Planken, die 28-TiteI-Compilation des PYE- und Piccadilly-Materials (“ The Sixties Sides“, Sequel NEMCD 942) bleibt gut gemeint, aber mit zwangsläufig gebremstem Funkenflug (2,0).

Folge 1 („Das war ein harter Tag“, 1996, BCD 15915) gilt bereits als Kult-Kollektion deutschgesungener Beatles-Lieder. „Sie liebt dich“(Beat Family BCD 16173) steht dem Vorgänger um nichts nach: 25 neue Belege dafür, daß vor rund 30 Jahren auch ohne Toyota nichts unmöglich war. Karel Gott, Thomas Fritsch, Mary Roos, Daliah Lavi, dazu illustre Vertreter aus der ehemaligen Zone, die Kopf, Kragen und Arbeitsetiaubnis riskierten, wenn sie etwas von John, Paul, George und Ringo Richtung Weltniveau zu bugsieren versuchten; 3,0 für einen Kessel Wundes aus dem musikalischen Zwischenreich.

Wer Ohren zum Hören hat, der weiß: Eines der besten, komplexesten und stilistisch abenteuerlichsten Werke von JIMI HENDRIX ist „Burning Of The Midnight Lamp“. Wer Augen (und Unterlagen) zum Lesen hat, weiß: Eben jener Song wurde vom Maestro selbst (!) im Booklet der letzten „Best Of“ (Polydor) als eines seiner besten überhaupt bezeichnet – er sollte es gewußt haben. Und dann bekommst du „Experience Hendrix (The Best Of Jimi Hendrix)“ (Universal MCD

11671) auf den Tisch. Bei opulenten 20 Tracks haben die offenbar desinformierten US-Compiler es geschafft, diesen Hammer wegzulassen, wofür einem schlicht die Worte und bei einem solchen Klops – auch die Bewertungssterne fehlen. Machen wir dann bei der nächsten Auflage, wenn dieser eher oberamateurhafte Lapsus im Track-Listing hoffentlich korrigiert wurde.

England-Pop in Reinkultur bietet die Doppel-CD „Flight Recorder“ (Sequel NEDCD 290) von Pinkerton’s Assorted Colours/Flying Machine. 41 Tracks der Zwei-Hits-Kapelle aus den mittleren 60er Jahren. Aufgepustete Balladen mit erhöhtem Schmachtanteil zumeist, erdacht von so Kompositions-Profis wie Macaulay & Madeod, Greenaway & Cook, Mike Leander und anderen Fließband-Schreibern. Die Welt hat das nicht bewegt – fürs Lauschen im Vorübergehen: 3,0

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