Rush :: Clockwork Angels

Der Weg ist das Ziel: perfekter Prog-Rock im Wunderland

Rush sind die Jane Austens der Jungs. Während Mädchen sich fragen, wie man sich das nur antun kann, geraten die Jungs ins Schwärmen. Vor allem, wenn sie über 40 sind, wie Jason Siegel aussehen und ihrem Jugendtraum hinterher trauern, als Gitarrist, Basser oder Schlagzeuger Karriere zu machen.

Den Soundtrack dafür liefern wieder einmal Rush: „In a world I feel so small/ I can’t stop thinking big“, singt Geddy Lee, wenn mit „Caravan“ der Reisebericht beginnt. „Clockwork Angels“ ist ein Konzeptalbum – eine Steampunkfantasie, die von den Abenteuern eines Mannes erzählt, der in einem Wunderland, durch das Dampfschiffe fliegen, nach dem Sinn des Lebens sucht. Texter und Drummer Neil Peart arbeitet mit Science-Fiction-Autor Kevin J. Anderson schon an einer Romanfassung.

Ob die von Mark Twain und Jack London beseelte Story, die zudem David Foster Wallace und Voltaire verarbeitet und sich auch mal in Nihilismus („BU2B“), mal in Weltschmerz („The Garden“) flüchtet, dann auch ohne die komplexe musikalische Inszenierung funktioniert, bleibt abzuwarten. Das Trio liefert jedenfalls wieder die Sorte hochenergetischen Prog-Rock ab, die es seit 1974 im Programm hat. Auch wenn Überraschungen fehlen, haut Alex Lifeson in „Caravan“ oder „Carnies“ herrliche Gitarrenriffs raus, während Lee ganz hohe Stimmlagen inzwischen lieber vermeidet, sich aber als Bassist in „Seven Cities Of Gold“ oder „The Anarchist“ mehr in den Vordergrund spielt. Und wie gewohnt sind Rocksuiten wie „Clockwork Angels“ voller ungerader Taktungen und Rhythmuswechsel, die die Band mit einer Präzision umsetzt, die dem Uhrmacher-Diktator ihrer Fantasiewelt garantiert gefallen würde.

Und ab und zu blicken Rush sogar über den Rand ihrer Jungsfantasie hinaus: Wenn durch „BU2B“ die Wirtschaftskrise schimmert, wenn es in der Powerballade „Halo Effect“ um enttäuschte Liebe geht, wenn sich Byrds-Gitarren in „Wish Them Well“ verirren oder „The Wreckers“ mit dem Pop flirten. Aber keine Sorge, Jungs, Mädchenmusik machen Rush deshalb noch lange nicht. (Roadrunner/Warner) Gunther Reinhardt

Beste Songs: „Clockwork Angels“, „Wish Them Well“

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