The Prodigy – The Flat Of The Land :: Intercord
Die Revolution wurde verschoben. Ziemlich okay ist das, was Prodigy auf ihrem neuen Album anstellen. Natürlich wird unter den massiven Bässen ihres Techno-Rock so manches Transistorradio zusammenbrechen, und sie werden oft über den Äther gehen, denn kein Sender kommt um sie herum, ganz ohne Zweifel werden sich die Engländer nämlich in den Top-Positionen der Charts plazieren. Ja, das geht los, nach vorne und ganz mächtig, wie man so sagt, aber ein Umsturz fühlt sich anders an. Ein irreversibler Ruck, der die moderne Musik in ihren Grundfesten erschüttert, stellt sich schon deshalb nicht ein, weil Prodigy mit ihrem ein bißchen zu lange hinausgezögerten dritten Album hinter den Erwartungen zurückbleiben, die sie selbst im Lauf der letzten 15 Monate mit ihren Singles geweckt haben. „Firestarter“ und „Breath“ finden sich auch auf dem Album, und sie markieren die Höhepunkte. Daran müssen sich alle anderen Tracks messen.
Aber bleiben wir sachlich: Ordentliche Momente gibt es ordentlich auf „The Fat Of The Land“. Etwa diese monströsen Bässe in „Diesel Power“, die wie ein schwerer Motor anrollen, oder die Rhythmik aus „Funky Shit“, die, um im Bild zu bleiben, rasant ratternd wie ein Rennwagen ihre Runden zieht. „Oh my god, this funky shit“, stottert dazu aufgeregt eine Stimme, und man muß ihr tatsächlich rechtgeben. Einnehmend ist auch das Eröffnungsstück: Trotz seines martialischen Titels verchränkt „Smack My Bitch Up“ kunstvoll die berstenden Beats ineinander. Darüber werden orientalische Gesänge und Sitar gelegt, was ganz hübsch klingt, aber zugleich auf die Untiefe Prodigys verweist. Die feuern nun wirklich alles ab, was zu einem guten Technorockbumms gehört Das klingt leider oft, als arbeite die Band nach einem Bausatzsystem.
Einer wie Crispian Mills, der Esoterik-Kasper von Kula Shaker, fühlt sich hier natürlich bestens aufgehoben. Für das fad in die Länge gezogene „Narayan“ darf er sein Mantra leiern. Plastik-Orientalistik ist das, die gut zu einer Musik paßt, in der Töne nur in ihrer plakativsten und plattesten Form ausgestellt werden. Das hast du schon tausendmal gehört, was bei Prodigy rammst und zischt: die Sitars und Sirenen, die Stahlgewitter und die eisernen Lungen. Das Ganze wird dann als Geräusch-Kulisse inszeniert, die die dir nach Art eines ultramodernen Hollywood-Krimis im Surround-Sound die Sinne dichtmacht.
Da paßt es ins (Klang-)Bild, daß Prodigy gerne die Psychopathen spielen. Eine Nummer heißt „Mindfields“, denn das Leben da draußen ist gefährlich wie ein Minenfeld, oha, und der Track-Titel „Serial Thrilla“ reimt sich bei den Schauerrockern auf, natürlich, „Serial Killa“. Gerade in diesem rhetorischen Gespreize verraten Prodigy ihre Unterlegenheit gegenüber den Chemical Brothers, die vor kurzem mit „Dig Your Own Hole“ das bessere Techno-Rock-Album herausgebracht haben. Bei denen ist alles abstrakt (und mit Noel Gallagher haben sie einfach den besseren Britpop-Sidekick ausgewählt). Der Beat der Chemical Brothers ist meistens so hart und präzise, daß er ohne ermüdendes Vokabelbeiwerk auskommt.
Taten braucht die Revolution, nicht Rhetorik.