The Weather Station
„How Is It That I Should Look At The Stars“
Fat Possum (VÖ: 4.3.)
Tamara Lindemans introspektive Versenkung
Im vermaledeiten (Musik-)Jahr 2021, das kaum meisterliche Platten hervorgebracht hat, war „Ignorance“ das mit Abstand erhebendste, dessen einziger Makel darin bestand, die zerklüftete Seelenlandschaft seiner Schöpferin mit einem makellosen Folk-Pop-Jazz-Sound zu überziehen. Mit „How Is It That I Should Look At The Stars“ liefern die kanadische Songschreiberin Tamara Lindeman und ihr Bandprojekt The Weather Station nun das balladesk-schwerblütige Gegenstück.
Eine Weisheit, die moralische Trends links und rechts liegen lässt.
Lindeman hielt die im selben Zeitraum wie „Ignorance“ entstandenen Stücke zunächst für zu intim, um sie zu veröffentlichen. Aber sie hielt sie auch für die besten, die sie bis dato geschrieben hatte. Die kunstvollen Rhythmusgeflechte, die das Vorgängeralbum in die Nähe einiger Avantgarde-Pop-Großmeister rückten, sind einem selbstreflexiven Vorwärtstasten gewichen. Lindeman berührt mit unermesslicher Zärtlichkeit, untermalt von Klavier, Kontrabass, Orgel, homöopathischer Gitarrenbegleitung und Holzbläsern, die ewigen Themen – Liebe und wie sie zerbricht – und verwebt sie mit einem nur scheinbar naiven Naturverständnis.
In „Ignorance“, das in schöner Gesamtwerk-Tradition dem letzten Album seinen Titel gab, aber erst hier zu hören ist, beobachtet Lindeman eine Elster und sinniert, welcher (weiße) Mann die Vogelart einst auf den verunglimpfenden englischen Namen „magpie“ taufte. „Song“ und „Sway“ führen die introspektive Versenkung an den Rand des Stillstands.
Man könnte all das als Idiosynkrasien mit feministischem Anstrich abtun. Doch den parabelhaften Liedern von „How Is It That I Should Look At The Stars“ wohnt eine Weisheit inne, die moralische Trends links und rechts liegen lässt. Schließlich staunt hier noch jemand über die kleinen Grausamkeiten, die Menschen sich und ihrer Umwelt antun – und die zum Fundament eines sehr realen, sehr globalen Horrors anwachsen. In „Stars“, diesem untröstlichen Blick zu den Sternen, liegt etwas Tröstliches, weil er nicht von Zynismus getrübt ist.