Festivalbericht

So war der ROLLING STONE Park 2019: Melancholie und Abenteuer

Zweite Ausgabe des ROLLING STONE Park im Europa-Park in Rust. Hier können Sie lesen, was auf unserem Hausfestival im Süden der Republik passiert ist. Ein Liveblog von Birgit Fuß und Marc Vetter.

ROLLING STONE Park: So war der Freitag (Liveblog)

Wie ein tosender Orkan

Was The Specials da eigentlich so genau machen auf der Bühne, darüber haben sich schon viele den Mund fusselig geredet. Klar, das ist politisch expliziter Ska, Reggae mit Eiern und Verve. Kurz: 2-Tone. Aber diese Musik kracht wie ein tosender Orkan über das Publikum hinweg. Man ergibt sich diesem Naturspektakel gerne. Gleich zu Beginn ein Klassiker nach dem nächsten: „Man at C&A“, „Rat Race“. Atomic sounds to blow your mind.

The Specials
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„Vote For Me“ gibt dann die neue Richtung vor. Nur ein Partikel der strahlenden neuen Platte „Encore“, mit dem die Band sich an die Ströme unserer Zeit anschließt. „10 Commandments“ ist vielleicht das Meisterwerk dieser neuen Songsammlung. Die Specials sorgen für dringliche Kakophonie, eine Wall Of Sound der unangenehmen Sorte, und die feministischen Statements von Saffiyah Khan ergießen sich in den Saal. Jene junge Frau, die einen Hassprediger ins Gesicht zu lächeln vermag.

Die zahlreichen Plakate, welche die Briten hinter sich auf der Bühne vereinen, machen natürlich klar, worum es hier geht: Das ist eine Demonstration für mehr (politische) Courage. Auch für mehr Zivilcourage, gerichtet immer noch gegen den blutschweren Rassismus, der England, aber eben auch viele andere Länder in Europa, wie die Pest verfolgt.

Weil es Liebe ist

Blumfeld machen noch Soundcheck, wenn andere schon längst loslegen und auch die Zuhörer schon murren („Jochen, jetzt leg endlich los“). Blumfeld arbeiten eisern am Klang der Snare-Drum, weil es eben nötig ist. Blumfeld spielen ihr großen Songs, wie „2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß“, „Viel zu früh und immer wieder Liebeslieder“ oder eben „Weil es Liebe ist“ (das den satten Schlagzeugsound ersehnte), immer noch so, als gäbe es keine Erwartungen an sie, diesen Schatz der neueren deutschen Musikgeschichtsschreibung zu hegen und zu pflegen, der so oft von der Liebe – aber auch vom Hass handelt.

Blumfeld

Stattdessen zupfen und zerren Blumfeld ihre Instrumente, bis sie zurecht gestimmt sind. Das bedeutet dann aber auch, dass nicht alle geplanten Stücke bis zum Schluss gespielt werden können. „Wir haben uns treiben lassen“, gesteht Jochen Distelmeyer, der ansonsten alles „nice“ und „geil“ findet (und vielleicht doch keine Witze von Fips Asmussen vertreiben sollte). Keine deutsche Band in diesem Land hat derart das Recht dazu, sich treiben zu lassen, wie Blumfeld.

Verstärker

Ihr Gehör wird es Ihnen danken.

Tom Liwas Welt

Manchmal prallen bei den RS-Weekendern auch Welten aufeinander – und es gibt zum Glück keine Roland-Emmerich-artige Katastrophe, sondern reine Freude: Mitten im Freizeitparktrubel gab es einen Blick in Tom Liwas Welt, die selbst für Leute, die Flowerpornoes-Experten sind, überraschend gewesen sein dürfte. Zwei Saxofonisten und ein Kontrabassist (aber eigentlich Multiinstrumentalisten) untermalten ganz wunderbar viele neue Songs und einige poetische Momente, die auch der Krach von Maximo Park nebenan nicht zerstören konnte. In dem weiten Universum zwischen diesem Planeten und den Sternen trafen wir auf Tante Kastanie und Napoleon, begegneten Äffchen und weißen Kaninchen, bei „Ich kann lieben“ raunzte ein Zuschauer schon fast verzweifelt: „Das kenne ich auch nicht! Auf welchem Album is’n das?“ (noch auf keinem, aber zu seinem Trost gab es dann auch noch ein bisschen Bekanntes), und als am Ende alle „Alle stehen unter Hypnose/ Hip, Hip, Hypnose“ mitsangen, war der Traumpalast ein ziemliches Stück abgerückt von allem anderen. Wie heißt es in „Väinämöinen“? „Ich sing den Zauber hinein in dein Leben.“ So was gelingt Maximo Park bei allem Spaß nicht.

Face your fear

Curtis Harding lügt natürlich, als er sagt, dass seine hervorragend eingespielte Band hier alles ohne Probe perfekt auf die elegante Berlin-Saal-Bühne bringt. Und dieser einfach gut gekleidete Mann rät: Face your fear.

„You can scream if you want to baby but no one can hear
You can fight through the night but by day light you’ll disappear
If there’s a way to be ok I’m sorry it’s just not clear
While you lay let me say that you’re the only one here
By the way
Maybe
Don’t worry
It’s ok
Just face your fear
Just face your fear“

My name is Amy Montgomery

Es macht Freude, Bands zu sehen, die wirklich (also wirklich wirklich) Spaß haben an dem, was sie tun. Die Musiker um die nordirische Newcomerin Amy Montgomery haben ihn. Sie aalen sich in ihren satten Bluesbrechern („Tree Song“), lachen, schütteln die Mähne mit dem Teufelstakt und reiben sich völlig auf. Nach einer erschöpfenden Stunde Spielzeit wiederholt die mit Kriegsbemalung und ohne Hemd angetretene Sängerin bereits das zehnte Mal ihren Namen, dass man sich ihn merke. Muss man. Dieses Energiebündel, das manchmal den Anschein erweckt, als wäre Janis Joplin von den Toten auferstanden, hat eine raue Stimme und einen rotzig-infantilen Antritt, den man nicht so schnell vergisst.

They sell hope

…aber so bestimmt keine Shirts oder Hoodies. Die Specials sind am späten Abend das große Show-Highlight des ersten Park-Tags. Aber ihr Merch ist so ganz und gar nicht special.

Junge, Junge, Junge

Gleich ein Highlight des Festivals: der blutjunge Malik Harris im Traumpalast. Einer, der mit Soul, Rap und Pop-Versatzstücken spielen kann (manchmal auch alles in einem Song und dann wieder zurück), ohne dass es aufgesetzt oder gewollt kunstvoll klingt. Natürlich sind die Vergleiche mit Ed Sheeran albern. Der würde nämlich nie ein Cover von „Baby One More Time“ spielen. Harris schon!

Malik Harris

Nur wenige Meter weiter spielen die Charlatans. Warum haben die „Madchester“-Veteranen Kollegen wie Happy Mondays oder die Stone Roses überlebt? Weil die North-Country-Boys Berufsjugendliche sind, sich von ihren eigenen Rhythmen noch treiben lassen. Sänger Tim Burgess, Jahrgang 1968, sieht aus, als wäre er ewig Teen-Querulant geblieben. Zeitlos.

The Charlatans

Lieblingsmotive (1)

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Euromaus

Auf den Hotelzimmerbetten grüßt nicht nur die kleinen Gäste die Euromaus, das Maskottchen des Europaparks. Ein chronisch gut gelauntes Nagetier. Verständlich: You can’t be sad in a Freizeitpark.

„Babylon Berlin“-Feeling

Einheizer spielt das Moka Efti Orchestra. Eigentlich „nur“ gegründet, um den abseitigen, allerdings aus nachvollziehbaren Gründen anachronistisch aufgeplusterten 20er-Soundtrack zu liefern, hat die Big Band ein Eigenleben nach der Serie (die bald fortgesetzt wird) entwickelt. Die Musiker wissen, was das Publikum hören will, natürlich das geisterhafte „Zu Asche, zu Staub“ (mit famosem Schlagzeugsolo), aber auch exaltierten Gipsy-Jazz und Balkan-Ausflüge.

Moka Efti Orchestra

Manchmal etwas prätentiös, aber genau richtig, um hier in Stimmung zu kommen. Das Orchester schwebt vor allem über dem Boden mit drolligen Spielereien wie dem „Hollaender Mashup“. Eine eigenwillige Verneigung vor dem Filmkomponisten Friedrich Hollaender.


Startschuss für die zweite Nummer unseres Hausfestivals im Europa-Park Rust. Am Freitag sorgen The Specials und Maximo Park mächtig für Dampf. Blumfeld erinnern an ihre großen Songs der Vergangenheit. Keiner wird mehr Soul haben als Curtis Harding. Und sowieso sollte jeder, der hier ist (und sich nicht vom garstigen Wetter nerven lässt) den ewig wunderbaren Tom Liwa hören.

Frank Embacher
Frank Embacher
Frank Embacher
Frank Embacher
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