Seek and destroy: Metallica powern beim kleinsten Konzert seit Ewigkeiten

Metallica verwüsten die Hamptons beim kleinsten Konzert seit einem Jahrzehnt. Greatest Hits für 500 Leute plus Promis.

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Schauen Sie: Metallica im Jahr des Herrn 2025 haben mit den liebenswerten 20-jährigen Halunken, die einst die Bay Area und die Welt terrorisierten, nichts mehr gemein. Heute sind sie in den Sechzigern. Sanfter, gelassener und vermutlich unfassbar reiche Rockgötter – die man sich leicht als exzentrische Nachbarn in einer grotesk wohlhabenden Enklave wie den Hamptons vorstellen kann.

SiriusXM-Channel und surrealer Promi-Mix

Wikipedia beschreibt das über 80 Kilometer lange Gebiet als „beliebten Badeort und eine der historischen Sommerkolonien des Nordostens der USA“. Formal stimmt das – so wie es korrekt ist, LeBron James als „beliebten Basketballspieler, der Punkte macht“ zu bezeichnen. Aber die protzigen Reichtumsmarkierungen hier – von 100-Dollar-Hummer-Salat bis hin zu Melonen für 400 Dollar – haben sich ins Absurde gesteigert, jenseits dessen, was sich selbst ein Christopher Guest hätte ausmalen können.

Als die Band also Donnerstagabend im Zelt hinter dem Stephen Talkhouse in Amagansett die Bühne betritt, drängt sich der Gedanke an ein Paralleluniversum auf, in dem die einstigen Thrash-Pioniere, die Hotelwände zertrümmerten, nun Seite an Seite mit Billy Joel, Jay-Z und Paul McCartney (heute am Bühnenrand am Abfeiern) hier die Sommer verbringen. In diesem Szenario nippt Lars am Chardonnay vom Wolffer Estate auf der Hampton Classic Horse Show. Robert trinkt um die Ecke im Bio-Lokal einen „Heavy Metal Detox Smoothie“ (mit Gerstengrassaft, Bio-Dulse-Alge und Spirulina-Pulver – angeblich die Energiequelle von Exodus und Venom).

Kirk blättert in Modern Luxury Hamptons, bevor er bei den Olsen-Twins shoppen geht. Und James kauft in Amagansett Square für 19,95 Dollar Ziegenbutter-Ghee, für 18,95 Dollar weißen Trüffel-Akazienhonig und für 34,95 Dollar ein Tütchen Mushroom-Mocha-Milk. Das 500-Personen-Zelt – die kleinste Show seit fast zehn Jahren – liegt praktisch vor ihrer Haustür.

Rückkehr zum Club-Feeling

Einen so kleinen Rahmen gab es zuletzt 2016 oder in der Antarktis. Anlass war die Premiere von „Maximum Metallica“, dem neuen 24-Stunden-Bandkanal auf SiriusXM. (Zuvor traten hier u. a. Coldplay, Dave Matthews, Ed Sheeran und Mumford & Sons auf – allesamt ebenfalls eher Detox-Smoothie-Energie.) „Der Ort dieses Konzerts ist nicht das typische Metallica-Umfeld“, stellte die Band-Website trocken fest.

Das stimmt. Vorne am Geländer campieren Hardcore-Fans, die der Band um die Welt folgen. Links begrüßen Howard und Beth Ostrosky Stern Michael J. Fox, während Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) und Wrestler Chris Jericho danebenstehen. Colin Jost, Sylvester Stallone und Andy Cohen schweben separat durchs Zelt, doch man möchte sie sich als Fangruppe vorstellen. Rechts lauscht Ex-SNL-Star Heidi Gardner, hinter mir drei Damen im Cocktail-Outfit – ob Society oder „Real Housewives“-Cosplay, sei dahingestellt. Sogar Topper Mortimer, Ex-Mann einer echten Housewife, ist da.Über 95 Minuten kontert die Band das surreale Umfeld mit Klassikern – neun der 13 Songs sind Dauerbrenner, einzig „Whiskey in the Jar“ ist ein halber Ausreißer. „Das erinnert uns an die Clubtage“, ruft James Hetfield und startet mit „Fuel“. „Heiß, schwitzig, hautnah.“

Superfan Austin Manning erklärt: „Wir haben die Clubshows nie erlebt. Für uns gab es nur Festivals, Arenen und Stadien. Das hier ist am nächsten dran.“ Er traf Hetfield am Abend zuvor zufällig im Restaurant, der Sänger meinte nur: „Schön, ein vertrautes Gesicht hier zu sehen.“

Superfans aus aller Welt

Hetfield selbst redet kaum – außer einem charmanten „Wir werden laut heute, die Nachbarn sollen’s hören“ vor „For Whom the Bell Tolls“ und einem ironischen „Ihr mögt den nächsten Song wahrscheinlich nicht, aber er ist ganz gut. Ziemlich heavy allerdings“ vor „Sad But True“.

Kirk Hammett und Robert Trujillo bauen ihr „Doodle“ des Abends zu Ozzy Osbournes „Crazy Train“ aus, was für Jubel sorgt. Die letzten vier Nummern – „Seek and Destroy“, „One“, „Master of Puppets“ und „Enter Sandman“ – knallen so wie vor Jahrzehnten. Ein Teenager neben mir ruft seine Mutter an, damit sie „Enter Sandman“ live mithört.

Auch die Hardcore-Gemeinde ging zufrieden nach Hause. Camila Guerrero Diaz, bekannt für 180 besuchte Metallica-Shows und mehrere Band-Tattoos, reiste aus einem australischen Bergbau-Camp an, flog Adelaide–Auckland–Houston–New York, nur um hier dabei zu sein. „Die letzten 24 Stunden war ich nur in der Luft“, sagt sie lachend. Am Freitag geht’s zurück – drei Flüge. Ihr längster Trip? 63 Stunden auf einem Boot 2013 zur Antarktis-Show: „Alle haben sich übergeben, aber es war es wert.“

Und was nun? Gerüchte über eine Residency im Las Vegas Sphere machen die Runde – Fakt oder Fantasie ist unklar. Doch an diesem Abend verbanden sich Thrash-Pioniere und High-Society prächtig. Vielleicht schleicht morgen ein grummeliger Rocker mit Hufeisenbart leise aus dem Bioladen, die Tüte Mushroom-Mocha-Milk unterm Arm.

Setlist – Metallica, Stephen Talkhouse, Amagansett

  • Creeping Death
  • For Whom the Bell Tolls
  • Wherever I May Roam
  • Kirk & Rob Doodle (Ozzy Osbourne: „Crazy Train“)
  • Fuel
  • Fade to Black
  • Sad but True
  • The Unforgiven
  • Whiskey in the Jar
  • Nothing Else Matters
  • Seek & Destroy
  • One
  • Master of Puppets
  • Enter Sandman

Andy Greene schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil