The Dark Knight Rises – Schocktherapie

Zum Kinostart von "The Dark Knight Rises", dem letzten Teil von Christopher Nolans düsterer Batman-Trilogie, zeichnet der Psychiater Prof. Dr. Ulrich Sachsse ein Psychogramm des Superhelden

In den Batman-Filmen von Christopher Nolan werden wir Zeuge, wie ein Junge aufgrund eines nicht verarbeiteten Traumas trotz zahlreicher Versuchungen zum Helden wird. In „Batman Begins“ von 2005 begegnen wir dem jungen Bruce Wayne. Er ist der Sohn eines reichen Unternehmers aus Gotham City. Als Kind bricht er beim Spielen in einen tiefen Brunnen ein. Seine Hilfeschreie schrecken Tausende von Fledermäusen auf, die ihn in Panik versetzen. Er verfällt in eine Schockstarre und wird von seinem Vater gerettet. Die Folge dieses Unglücks: eine akute posttraumatische Belastungsstörung mit Flashbacks, Vermeidungsverhalten, Albträumen, emotionalem Erstarren und vegetativer Übererregbarkeit.

Um ein solches Trauma zu überwinden, muss es integriert werden. Ein Trauma gilt als integriert, wenn daraus eine Erinnerung geworden ist und keine Flashbacks mehr „getriggert“ werden, die Angstzustände auslösen und zu Suchtdruck oder Suizidalität führen können. Bruces Vater geht da zunächst den richtigen Weg: Er sitzt am Bett seines verängstigten Sohnes und spricht ihm Mut zu. In 85 Prozent der Fälle gelingt durch solche Maßnahmen die Integration des Einzeltraumas durch das soziale System Familie.

Doch in diesem Fall kommt es anders: Bei einem Besuch von Arrigo Boitos Oper „Mefistofele“ bekommt Bruce im Angesicht der dort auftretenden Fledermausmenschen heftige Flashbacks und verlässt daraufhin mit seinen Eltern das Opernhaus. Auf der Straße werden die beiden von einem Raubmörder niedergeschossen. Durch seine „Mitschuld“ an ihrem Tod kann Bruce sein Trauma nicht weiter verarbeiten. Er wird ein harter, verschlossener junger Mann. Als der Mörder seiner Eltern schließlich aus der Haft entlassen werden soll, will er – inzwischen ein junger Mann – Selbstjustiz üben, doch jemand kommt ihm zuvor.

Bruce stürzt ab. Wie Buddha verlässt er Reichtum und Ansehen, wird zum Schläger, Dieb und Betrüger. In einem Himalaya-Kloster wird er von seinem Lehrer Ducard in asiatischer Kampfkunst trainiert. Ducard ist zum Rächer geworden, weil ihm seine Frau genommen wurde: „Ich kenne den Hass, der Dich antreibt“, sagt er und spiegelt so seinen Schüler. „Den unglaublichen Zorn, der Deine Trauer erstickt, bis die Erinnerung an Deine Familie nur noch Gift in Deinen Adern ist.“

Die Verwandlung von Ohnmacht, Verzweiflung und Depression in Wut und Zorn ist eine Wurzel der Rache. Um vom Opfer zum Rächer zu werden, muss der Held alle Fähigkeiten des Bösen erwerben, ihm ebenbürtig sein. Ducard: „Um die Angst zu überwinden, muss Du selbst zur Angst werden. Werde eins mit der Finsternis.“

Bruce seilt sich ab in die Grotte der Fledermäuse und stellt sich seiner Angst. Er besteht die „In-vivo-Konfrontation“, das „Flooding“, die Überflutung mit Panik. Man nennt diese gelernte Verhaltensänderung „Habituation“. Bruce verschmilzt mit den Fledermäusen und wird zum Batman.

Ducard ist Anführer der „Gesellschaft der Schatten“, die verrottete Gesellschaften dem Untergang zuführt. Alles vermeintlich Minderwertige soll ausgerottet werden, dann bleibt, so die Logik, das Ideale übrig. Dieser faschistische Idealismus ist die nächste Versuchung für den jungen Mann. Batman kann seinen Lehrer jedoch im Kampf überwinden und sich abgrenzen. Alles geht seinen Weg zum klassischen Hollywood-Happy-End. Bruce ist vom traumatisierten Jungen zum jugendlichen Helden aufgestiegen.

In „The Dark Knight“, dem zweiten Teil von Nolans Batman-Trilogie von 2008, wird der jugendliche Held erwachsen, er sehnt sich nach Recht, Ordnung und Aufgehobensein. Die Guten von Gotham sind Staatsanwältin Rachel Dawes, der redliche Polizist Jim Gordon und der Leitende Staatsanwalt Harvey Dent, der sich zum White Knight, zum Weißen Ritter des Rechts entwickelt. Verbündet mit dem Guten: natürlich der Dark Knight, der dunkle Ritter Batman, der nachts die Bösen zusammenschlägt, aber niemals tötet, und tagsüber den gelangweilten Großunternehmer Bruce Wayne spielt. Doch er möchte sein Schattendasein als Dunkler Ritter beenden und Rachel für sich gewinnen. Ein in jeder Hinsicht unmögliches Unterfangen. „Man stirbt als Held oder man lebt so lange, bis man selbst der Böse wird“, sagt er an einer Stelle prophetisch.

Genau dazu will der Joker, eine der wohl perfidesten Psychopathen der Filmgeschichte, ihn nämlich zwingen. Er ist ebenfalls traumatisiert, aber er verhöhnt seine Trauma-Geschichte: In drei verschiedenen Situationen erzählt er zu den Narben, die sein Gesicht entstellt haben, drei verschiedene Stories. Er ist ein Stress-Junky. Das ist auch eine Form der Trauma-Bewältigung: Sensation-Seeking. „Ich bin das Chaos“, sagt er an einer Stelle. „Und weißt Du, was Chaos eigentlich ist? Es ist fair.“

Diese Philosophie, dass Zufall, Chaos und Willkür das eigentlich göttliche Prinzip der Welt sind, lebt der Joker. Er zerstört Bruce Waynes Hoffnung auf ein geordnetes Leben, sorgt für Rachels Tod und zieht Staatsanwalt Dent auf seine Seite. Der tötet in seiner bösen Inkarnation als Two-Face fünf Menschen. Doch Batman nimmt die Schuld auf sich, damit Harvey Dent der Weiße Ritter bleibt und die Menschen weiter an das Gute glauben und darauf vertrauen, dass Recht und Ordnung stärker sind als Chaos und Verbrechen. Das schlichte Volk braucht die Notlüge, es braucht Helden. Vom Helden zum Heiligen: Sankt Batman?

Wie wird es diesem Heiligen im dritten Film ergehen? In „The Dark Knight Rises“ begegnet er der reinen Destruktivität eines Traumatisierten mit chronischem Schmerz-Syndrom in Gestalt des südamerikanischen Abenteurers und Terroristen Bane und dem ewig Weiblichen, das uns hinanzieht – „Catwoman“. Schaun wir mal!

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