Ungeniert melodisch

Als Guy Lawrence im Mai vorigen Jahres seinen 21. Geburtstag feierte, schmiss er natürlich eine Party -und hatte dafür gleich die optimale Location. Zusammen mit seinem Bruder Howard -mit dem er unter dem Namen Disclosure auftritt -thronte er hoch oben auf einer Burg in Ibiza und beschallte die 10.000 Raver unter ihm mit handverlesenen House-Grooves. „Keine Frage“, sagt der britische DJ und Produzent, „es gibt schon ein paar Annehmlichkeiten, die dieser Job mit sich bringt.“

„Settle“, das geschmeidige und ungeniert melodische Disclosure-Debüt, ist in ihrer Heimat bereits hoch in den Charts -und nach zwei viel beachteten Sets beim Coachella-Festival sollte ihnen nun sogar die Tür zum US-Markt offenstehen. „Auf dem Album“, sagt Guy, „haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, nicht die gnadenlose Attacke zu reiten. Wir wollten House mit klassischem Club-Material kombinieren und so ein größeres Publikum ansprechen.“

Wobei sie sich in puncto Massenkompatibilität durchaus Grenzen setzen -zumal sie mit kommerziell erfolgreichen Crossoveracts wie David Guetta oder Avicii nicht in einen Topf geworfen werden möchten. „Mit dieser Szene haben wir absolut nichts am Hut“, betont Guy mit Nachdruck. „Wir streben schon ein Mindestmaß an Niveau und Klasse an.“

Die musikalische Sozialisation der beiden Brüder verlief durchaus unterschiedlich. Sie wuchsen in Surrey auf, gleich vor den Toren Londons, und hatten das Glück, in einem musikvernarrten Elternhaus groß zu werden: Ihr Vater spielte in einer Rockband, die Mutter war als Sängerin auf Kreuzfahrtschiffen tätig. Doch während Guy – der sich gerne als „Großmaul“ bezeichnet -Bands wie Genesis und Rush favorisierte, zog es den 19-jährigen Howard, eigentlich eher still und introvertiert, zu klassischem Funk und Soul.

Vor rund fünf Jahren waren es dann basslastige Acts wie Burial und Floating Points, auf die sie sich erstmals einigen konnten. Guy, der sich mit gefälschtem Ausweis in die Clubs von Brighton geschmuggelt hatte, hörte sie dort zum ersten Mal und schloss sie umgehend ins Herz. Doch auch sein Bruder war begeistert. „Es war“, so Howard, „elektronische Musik, die aber gleichzeitig auch musikalisch clever und substanziell war.“ Sie fingen an, ihre eigenen Songs zu schreiben. Ihr erster Track, „Street Light Chronicle“ von 2010, wurde noch über das Soundsystem in Guys Auto abgemischt und war „einfach nur Schrott“. Doch irgendwie traf ihr Material -eine Mischung aus schwermütigem James Blake und dem federnden Funk englischer House Music -den Nerv der Zeit und fand in Dance-Music-Blogs ein begeistertes Echo. Guy gab seinen Job in einem Kleiderladen auf, und da Howard gleichzeitig von der Schule flog (er hatte zu oft geschwänzt), stürzten sie sich beide auf die Musik. Der größte Teil von „Settle“ wurde in einem Dachstudio aufgenommen, das sie sich über dem Auktionshaus ihres Vaters eingerichtet hatten. „Wir mussten zunächst einmal die Spinngewebe entfernen“, so Howard, „aber jetzt gehört’s uns.“

Obwohl sie inzwischen rund um den Globus jetten, sind sie letztlich noch immer Kinder. Wenn sie von Auftritten heimkommen, übernachtet Guy nach wie vor bei den Eltern (Howard zieht es zu seiner Freundin). Und Howard hat sich bereits daran gewöhnt, bei ihren Auftritten immer der Jüngste im Saal zu sein. „Wenn ich in die USA komme, darf ich eigentlich gar nicht in den Clubs auftreten, die ein Mindestalter von 21 Jahren vorschreiben. Es ist schon ein seltsames Gefühl.“

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