Unsterbliche Lieder: fünf bewegende Alben über den Tod

Wenn Musiker sich intensiv mit der Vergänglichkeit auseinandersetzten entstanden oft unsterbliche Alben - mal verzweifelt wie bei The Antlers oder Sufjan Stevens, mal kathartisch wie bei Arcade Fire oder Lou Reed.

Eels – „Electro Shock Blues“ (1998)

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Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen. Im Alter von 19 Jahren entdeckt Mark Oliver Everett seinen Vater, den berühmten, aber zurückgezogen lebenden Physiker Hugh Everett, tot im Bett. „Es war seltsam, ihn zu berühren. Es war der erste körperliche Kontakt mit ihm an den ich mich erinnern kann“, schrieb Everett alias „E“ später in seiner Autobiographie. Auf diese erste Berührung mit dem Tod sollten noch viele folgen.

Zusammenbruch auf dem Badezimmerfußboden

1996 begeht seine Schwester, die viele Jahre an Schizophrenie litt, Selbstmord. Einen ihrer vielen Zusammenbrüche beschreibt Everett im herzzerreißenden Opener von „Electro Shock Blues“: „Laying on the bathroom floor/ Kitty licks my cheek once more/ And i could try/ But waking up is harder when you wanna die/ My Name is Elizabeth/ My Life is shit and piss“.

Doch es ist ist nicht nur ihr Tod, den Everett auf dem verstörend persönlichen Album verarbeitet. Nicht lange vor dem Erscheinungstag stirbt auch noch seine Mutter an Lungenkrebs. In „Going To Your Funeral Part I“, dem zweiten Stück des Albums, steht er vor ihrem Grab und kann nicht fassen, dass der Sand in der kleinen Schachtel seine Mutter gewesen sein soll.

Besuch aus dem Totenreich

Selbst hinter den beschwingten Songs des Albums stecken todtraurige Geschichten. In „Last Stop: This Town“, der ersten Singleauskopplung, begleiten wir den Geist eines Verstorbenen dabei, wie er zum letzten Mal durch die alte Nachbarschaft streift. Angeblich hatten auch Everetts Nachbarn seine Mutter noch wohlauf in sein Haus spazieren sehen. Dabei war sie da bereits tot.Bildschirmfoto 2015-06-03 um 15.31.05

Am Ende des Albums fragt man sich zwangsläufug, wie ein Mensch das alles durchstehen kann und wie man nach so einer Serie von Tragödien überhaupt noch weiterleben soll. In „PS You Rock My World“, dem letzten Song des Albums, werden wir Zeuge, wie sich dem schwer gebeutelten Musiker ein schüchterner Hoffnungsschimmer ins Bewußtsein kämpft.

Zeit zu leben

Der Erzähler des Songs lässt sich nach einer Beerdigung ziellos durch die Straßen treiben. Im Supermarkt betrügt man ihn um sein Wechselgeld, an einer Tankstelle wird er mit dem Tankwart verwechselt. Zuhause legt er sich erschöpft ins Bett und grübelt über die Tatsache nach, dass alle einmal sterben müssen: „I don’t know where we’re going/ I don’t know what we’ll do…“

Draußen heulen Sirenen, Hunde bellen, vereinzelt dringen Schüsse an sein Ohr. Eine fast erlösende Erkenntnis reift in ihm heran: „I was thinking about how a careful man tries to dodge the bullets/ while a happy man takes a walk singt Everett, und dann: „Maybe it’s time to live“.

Das nächste Album „Daisies Of The Galaxy“, das zwei Jahre später erschien, klang im Gegensatz zu „Electro Shock Blues“ wie der Frühling höchstpersönlich.

https://www.youtube.com/watch?v=kcMjOMfnnlE

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