Vom großen Tom Waits lernen

Die Holländerin ANOUK ist ein Sturkopf, doch in puncto Musik ist sie nach allen Seiten offen

Ihre beiden Vorderzähne sind vergoldet, die blonden Haare stehen rattig zu Berge und ihre schweren Boots stellen jede Buffalo-Trägerin glatt ins Abseits. Anouk könnte einem Angst einjagen, wenn sie nicht so klein wäre und solch eine nette Stimme hätte – bis sie losschreit.

Als sie vor zwei Jahren darauf bestand, niemals „Nobody’s Wife“ sein zu wollen, da wurde der Song nicht nur europaweit ein Hit. Die Sängerin stellte damit auch gleich klar, dass mit ihr nicht zu scherzen sei. Nun ist ihr zweites Album „Urban Solitude“ zwar an manchen Ecken ein bisschen sanfter geraten, aber nicht etwa, weil Anouk mehr Geld kassieren will – sie hat ja schon genug. „Es ist doch so: Wenn du deine Songs selbst schreibst und produzierst, musst du nur 3000 CDs verkaufen und kannst ganz gut davon existieren, zumindest bei meinem recht bescheidenen Lebensstandard.“ Trotzdem freute sie sich, als die Plattenfirma ihr anbot, ein Haus („mit Swimmingpool!“) in Portugal zu mieten, damit sie dort in Ruhe mit ihrem Partner Bart van Veen komponieren kann.

Ohne Bart geht bei der Holländerin gar nichts mehr. „Wir sind schon ein seltsames Paar. Wenn wir uns treffen, sind wir nach drei Tagen soweit, dass wir uns umbringen könnten. Danach aber läuft alles prima.“ Zwei höchst extreme Charaktere eben: Er ein skurriler Einzelgänger, sie ein bekennender Sturkopf.

Dass die beiden überhaupt zusammenkamen, verdanken sie primär dem glücklichen Umstand, dass Den Haag recht klein ist und Talent dort „irgendwann schon irgendwem“ auffällt, so Anouk. In diesem Falle war es allerdings kein Plattenfirmen-Bediensteter, dem etwas auffiel. „Bart ist der beste Freund meines Freundes, der wiederum der Drummer in meiner Band ist. Er gab mir eines Tages ein Tape mit Songs von Bart und ich war hingerissen. Der war nämlich bis dahin Krankenpfleger – so eine Verschwendung!“ Inzwischen schreibt Bart seit ca. drei Jahren die Melodien, zu denen Anouk textet – zuerst auf holländisch, dann übersetzt sie alles ins Englische. Einer ihrer jüngsten Tracks nennt sich „Tom Waits„. Anouk gibt allerdings zu, bis vor kurzem kaum etwas von dem großen alten Mann gewusst zu haben. „Dann war ich bei einem seiner Konzerte und konnte gar nicht glauben, wie gut er Geschichten erzählen kann. Ich schaffe es auf der Bühne überhaupt nicht, mich zwischen den Liedern anständig zu artikulieren. Er ist der Meister, er führt dich regelrecht in die Tiefen seiner Songs hinein.“

Für die übrigen Stücke suchte sich Anouk anderweitig Inspiration. Ein bisschen HipHop hört sie ganz gerne, hin und wieder darf es sogar auch mal Metal sein. „Ich kaufe alles, was an interessanten neuen Sachen rauskommt, weil ich immer wissen will, wie Songs remixt, gemastert und produziert werden, damit sie modern klingen. Solche Dinge muss ich mir unbedingt aneignen. Du kannst es meinetwegen auch klauen nennen. Schreiben kann ich alleine, das ist nun wirklich kein Problem für mich.“

Und dann ist es auf einmal wieder da, dieses überzeugte, aber gar nicht arrogante Grinsen in einem entschlossenen Gesicht, das verrät, dass man es hier mit jemandem zu tun hat, der absolut keinen Widerspruch duldet. Ein talentierter und sympathischer Sturkopf halt – und auch weiterhin „Nobody’s Wife“… Birgit Fuss

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates