Wie rechts kann Metal sein? Eine Szene zwischen Provokation, Politik und Rebellion
Wie rechts ist Metal? Eine Szene zwischen Rebellion, Provokation und rechtsextremer Vereinnahmung.
Metal zwischen Lärm, Leder und Ideologie
Metal ist laut und oft stolz darauf, Grenzen zu überschreiten – ästhetisch, sozial, musikalisch. Doch seit Jahrzehnten taucht eine Frage immer wieder auf: Wie rechts ist Metal? Die Diskussion wird oft hitzig geführt – zwischen pauschaler Verdächtigung und vollständiger Verharmlosung.
Historische Wurzeln: Antiautoritäre Ursprünge mit dunklen Schatten
Metal entstand in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren – mit Bands wie Black Sabbath, Deep Purple und Led Zeppelin. Die Szene war ursprünglich rebellisch, antiautoritär, sogar gesellschaftskritisch, etwa durch die Beschäftigung mit Krieg, Religion oder Unterdrückung. Der klassische Metal der 1980er war dabei überwiegend unpolitisch oder libertär, aber selten explizit rechts.
Doch mit dem Aufkommen extremerer Subgenres wie Black Metal und Death Metal in den 1990er Jahren veränderte sich die Dynamik: Ideologien, Grenzüberschreitungen und Provokationen wurden zentraler – auch aus dem Bedürfnis heraus, sich radikal von der Mainstreamkultur abzusetzen.
Black Metal und Nationalismus: Der umkämpfte Extrembereich
Kaum ein Subgenre ist stärker mit dem Vorwurf der Rechtslastigkeit konfrontiert als der Black Metal. Ursprung in Norwegen, Anfang der 90er. Mit Fackeln, Corpsepaint und Kirchenbrand als Symbolik wurde eine Ästhetik der Zerstörung kultiviert – oft vermischt mit antichristlicher, heidnischer oder nationalromantischer Rhetorik.
NSBM – National Socialist Black Metal
Ein besonders problematischer Teilbereich ist der NSBM (National Socialist Black Metal). Diese Szene propagiert offen nationalsozialistische, rassistische, antisemitische und revisionistische Inhalte. Dabei wird die aggressive Ästhetik des Black Metal genutzt, um Ideologie zu transportieren – mit einschlägiger Symbolik, Texten und Tonträgergestaltung.
Beispiele bekannter NSBM-Bands:
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Absurd (Deutschland): Gründungsmitglieder wurden wegen Mordes verurteilt; Texte glorifizieren Gewalt, Nationalsozialismus und Germanentum.
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Nokturnal Mortum (Ukraine): Früher offen NSBM-nah, später leicht distanziert – musikalisch weiterhin umstritten, da Elemente und Symbolik fortbestehen.
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Temnozor (Russland): Völkisch, nationalistisch und paganistisch geprägt; häufig auf rechtsextremen Festivals präsent.
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Der Stürmer (Griechenland): Eine der extremsten Gruppen der Szene, mit eindeutig antisemitischen Botschaften.
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Graveland (Polen): Der Musiker Rob Darken propagiert ethnonationalistische und rassistische Inhalte, auch wenn die Band nicht als NSBM im engeren Sinne begonnen hat.
Diese Bands spielen selten auf großen Festivals, agieren aber über Untergrundnetzwerke, Kleinstlabels und Online-Vertrieb. Einige werden auf dem Index geführt, andere bewegen sich bewusst in der juristischen Grauzone.
Grauzonen, Provokation und Ignoranz
Nicht jeder Musiker im Metal ist rechts, aber nicht jede Provokation ist unpolitisch. Viele Bands nutzen Schock-Ästhetik oder historische Symbolik (z. B. Runen, Uniformen, martialische Sprache), ohne sich politisch zu positionieren – was oft als ignorant oder fahrlässig kritisiert wird. Ein Beispiel: Die schwedische Band Marduk steht seit Jahren unter Beobachtung wegen angeblicher Nähe zur Rechten – Beweise bleiben vage, klare Abgrenzungen sind Interpretationssache. Bei den Kollegen vom „Metal Hammer“ scheint die Band sich in Rollenprosa zu flüchten.
Provokation ist im Metal oft ästhetisches Mittel, kein ideologisches Statement. Doch wer mit nationalsozialistischer oder rassistischer Symbolik kokettiert, trägt zur Normalisierung gefährlicher Ideologien bei – ob bewusst oder nicht.
Abgrenzung und Widerstand aus der Szene
Viele Metal-Bands, Festivals und Labels positionieren sich klar gegen Rechts. Beispiele:
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Heaven Shall Burn aus Thüringen: Antifaschistische Haltung, klare politische Texte.
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Napalm Death: Grindcore-Legenden mit deutlicher Antirassismus-Botschaft.
Auch Festivals wie das Wacken Open Air oder das Summer Breeze betonen in ihren Richtlinien, dass rechte Inhalte und Symbolik nicht geduldet werden. Initiativen wie „Laut gegen Nazis“ oder „Metal gegen Rassismus“ sind innerhalb der Szene aktiv – auch als Reaktion auf rechte Tendenzen in Teilen der Community.
Rechtsradikale Infrastruktur und Netzwerke
Es wäre jedoch naiv zu behaupten, rechte Akteure seien im Metal bedeutungslos. Gerade in ländlichen Regionen Europas existieren rechtsextreme Strukturen, die Metal gezielt für ihre Zwecke nutzen – etwa mit konspirativen Konzerten, Untergrund-Labels oder rechten Online-Plattformen, die Metal-Ästhetik mit Ideologie verknüpfen.
Rechtsextreme versuchen gezielt, über Musik in Subkulturen einzusickern – das gilt für Black Metal ebenso wie für Neofolk oder Dark Ambient. Der Übergang zwischen radikaler Ästhetik und ideologischer Vereinnahmung kann fließend sein.
Metal als Gegenkultur – nicht automatisch rechts
Metal war und ist eine Gegenkultur. Viele Fans fühlen sich missverstanden, marginalisiert oder wütend auf politische und gesellschaftliche Zustände. Diese Grundhaltung kann offen für verschiedene politische Richtungen sein – doch sie ist nicht per se rechts. Im Gegenteil: Für viele ist Metal ein Ventil gegen Autorität, Nationalismus und Ausgrenzung.
Die Szene ist zu vielfältig, um sie auf eine politische Richtung zu reduzieren. Zwischen satanischer Symbolik, Wikinger-Mythos, feministischem Doom-Metal, queeren Metal-Acts und sozialkritischem Grindcore ist alles möglich.
Rechte Tendenzen im Metal – Randphänomen mit Wirkung
Wie rechts ist Metal? Die ehrliche Antwort: Ein kleiner Teil der Szene ist offen rechtsextrem – sichtbar, laut und gefährlich. Ein größerer Teil ist gleichgültig oder provokativ, ohne klare Position. Und viele – vielleicht die Mehrheit – sind bewusst unpolitisch, kritisch oder explizit antirechts.
Metal ist kein geschlossenes Weltbild, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Konflikte – mit all ihren Brüchen, Grauzonen und Kämpfen. Wer sich in dieser Szene bewegt, sollte wissen: Ignoranz ist keine Ausrede. Positionierung ist möglich – und nötig.
Neue Sektion: Rechtsextreme Netzwerke, Labels und Plattformen
Viele rechte Metal-Bands veröffentlichen über eigene oder nahestehende Labels, z. B.:
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Werewolf Records (Finnland)
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Darker Than Black Records (Deutschland)
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Militant Zone (Ukraine)
Sie nutzen verschlüsselte Telegram-Kanäle, dezentrale Blogs oder Darknet-Shops zur Verbreitung. Konzerte finden oft halböffentlich oder geheim statt – in Scheunen, Bunkern oder abgelegenen Veranstaltungshallen, meist außerhalb städtischer Kontrolle.
Gegenbewegung in der Szene
Viele Szenegrößen distanzieren sich aktiv:
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Darkthrone: Früher mit missverständlicher Symbolik, heute klar antinational.
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Enslaved: Setzen sich für Inklusion ein.
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Gaahl (Ex-Gorgoroth): Offener Homosexueller in der Black-Metal-Szene, was als bewusster Gegenentwurf zu NSBM gilt.