Zweimal dreifaltig

Zum 20-jährigen Jubiläum ihres Albums "The Trinity Session" kehrten die Cowboy Junkies an den Ort des Geschehens zurück

Regelmäßig stolpert Sarah Boyles in ihrer „Church of the Holy Trinity“ über Menschen, die ehrfürchtig die 160 Jahre alte Kirche bestaunen. Daran, dass das nicht immer etwas mit Religiosität zu tun hat, hat sich die Pfarrerin inzwischen gewöhnt. Oft wird sie ungläubig gefragt, ob das wirklich die Kirche sei, in der die Cowboy Junkies „The Trinity Session“ aufgenommen haben. Einige Besucher bringen gar CD-Player mit, um andächtig vor Ort den Aufnahmen zu lauschen, die dort am 27. November 1987 entstanden sind. „Ich habe seither nie das Bedürfnis verspürt, da reinzugehen“, gibt dagegen Michael Timmins von den Cowboys Junkies zu. Der Innenraum der Kirche, die sich von Wolkenkratzern umringt an den Trinity Square in Toronto quetscht, wirkt verglichen mit den Sakralbauten, die man aus Deutschland gewohnt ist, nüchtern, fast karg. Doch die Akustik, da ist sich Michael sicher, ist einmalig: „Irgendwie lässt diese Kirche unsere Musik genau so klingen, wie sie klingen soll. Der Hall, den die Architektur erzeugt, passt zu unserer Art, leise und langsam zu spielen.“ Darum ist er schließlich doch wieder mit seiner Band in die Church of the Holy Trinity zurückgekehrt – nicht um neues Material aufzunehmen, sondern um für „Trinity Revisited“ noch einmal die gleichen Songs wie vor 20 Jahren zu spielen.

Damals hatten die Cowboy Junkies „The Trinity Session“ an einem Tag mit einem Mikrofon eingespielt. Es war ein Experiment, in das man laut Produzent Peter Moore 100 Dollar für die Kirchenmiete, 22 Dollar für Pizza und fünf Dollar für den Hausmeister investierte. Es entstand ein atmosphärisches Album voller düster-sehnsüchtig entschleunigter Musik zwischen Country, Blues und Rock. Neben eigenen Songs wie „Misguided Angel“ oder „To Love Is To Bury“ hatte die Band um die Timmins-Geschwister Michael (Gitarre), Margo (Gesang) und Peter (Schlagzeug) unter anderem auch Hank Williams‚ „I’m So Lonely I Could Cry“ oder „Sweet Jane“ von Velvet Underground im Programm.

Wie im November 1987 luden die Cowboy Junkies nun zum 20. Jubiläum des Albums befreundete Musiker ein. Diesmal neben dem Multiinstrumentalisten Jeff Bird, der damals schon dabei war, Natalie Merchant, Ryan Adams und Vic Chesnutt. Während sich die Wege der Cowboy Junkies schon hin und wieder mit denen Natalie Merchants gekreuzt und sie einige Male mit Vic Chesnutt getourt hatten, waren sie Ryan Adams noch nie begegnet. Doch wie die anderen beiden Gäste sagte auch er sofort zu. An einem Donnerstag Ende letzten Jahres wurde in der Kirche aufgebaut, am Freitag sechs Stunden lang geprobt, am Samstag aufgenommen, und am Sonntag gehörte die Kirche wieder Sarah Boyles und ihren Gläubigen. „Als wir jetzt die Songs von damals spielten, wirkte der Zauber sofort“, schwärmt Michael, „das Gefühl, das wir beim ersten Mal hatten, hat sich sofort wieder eingestellt.“ So etwa bei „To Love Is To Bury“, das nun von Natalie Merchant interpretiert wird. „Mit dem Song haben wir eigentlich immer Probleme gehabt, wir waren nie zufrieden mit ihm, weil die Version auf ‚The Trinity Session‘ mit dem Akkordeon, der Pedal Steel und der Fiddle so schön war“, erzählt Michael, „immer wenn wir den Song später live gespielt haben, klang der irgendwie nicht richtig.“ Natalie Merchant schlug jedoch vor, das Stück als ganz reduzierte Klavierballade zu interpretieren. „Und ihr ist es tatsächlich gelungen, dem Song neues Leben einzuhauchen“, sagt Michael, „jetzt ist er wieder ein regelmäßiger Bestandteil in unserem Repertoire.“

Dass die Musiker wieder unter enormen Zeitdruck standen (diesmal gab es weit mehr als ein Mikrofon und außerdem ein Filmteam, das die Session dokumentierte), ist den Songs auf „Trinity Revisited“ keine Sekunde anzumerken. Erneut widersetzt sich jede Note allem Hektischen, Nervösen, Atemlosen. „Das ist das Tolle an der Kirche. Sie hat eine beruhigende Wirkung“, sagt Michael, „als wir anfingen zu spielen, war auf einmal der ganze Druck weg, und wir wussten: Das kriegen wir hin.“

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