5 Thesen zu einer Wahl, die schon fast gelaufen scheint: 2. Armin Laschet versteht mehr vom Wahlgewinnen, als man denkt

Die Merkel-Ära geht nach 16 Jahren zu Ende, doch die Zeichen stehen eher auf Weiter-so als auf Neubeginn. Hauptsache, der Sprit wird nicht teurer

An einem verregneten Sommertag sitzt Armin Laschet in einem Kino am Berliner Ku’damm und stellt sich den Fragen zweier Redakteurinnen von „Brigitte“. Von links- liberalen Twitterern wird der Kanzlerkandidat der Union wahlweise als Oberdepp oder Oberbösewicht dargestellt.

Oder beides. Aber jetzt erscheint auf der Kinoleinwand hinter Laschet ein Cover der Frauenzeitschrift mit der Schlagzeile „Einfach clever“. Und die Frage ist selbstverständlich, ob ihn der Slogan in seiner Doppeldeutigkeit womöglich viel besser beschreibt. Welche Schlagzeile würde denn er, der frühere Chefredakteur einer Aachener Kirchenzeitung, über ein Porträt von sich setzen, fragen die Journalistinnen den Kandidaten. „‚Der Richtige‘“, antwortet Laschet, und man könnte annehmen, dass er danach ein bisschen in sich hineingegrinst hat. Politisch Andersdenkende, die ihn kennen, sagen, er sei „privat durchaus sympathisch“.

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Luisa Neubauer ist nicht nur Mitinitiatorin der Klimapolitikbewegung Fridays for Future, sondern inzwischen so was wie die Stimme der Zivilgesellschaft. Sie ist in Deutschland sprachmächtiger als der Papst.

Womöglich. Neubauer, 25, hält das Wahlprogramm der CDU/CSU und ihres Kanzlerkandidaten Laschet für „zynisch“. Warum? „Dieses Wahlprogramm impliziert, dass wir in keiner Krise sind. Und die Menschen, die Armin ansprechen möchte, sind die, die die Krise am meisten trifft.“ Die CDU argumentiere immer, dass man Klimaschutz nur so weit machen könne, wie die Leute das mitmachen. Da sie ihnen aber gleichzeitig erzähle, dass es völlig ausreiche, was man mache oder machen wolle, „verarscht man sie also doppelt“.

Armin Laschet,

Neubauer hat ein neues Buch herausgebracht, mit dem sie Einfluss auf den Wahlkampf zu nehmen versucht. „Noch haben wir die Wahl“, heißt es und ist ein Generationengespräch mit dem „Zeit“-Vize-Chefredakteur Bernd Ulrich, in dem die beiden versuchen, Jung vs. Alt, Wirtschaft, Journalismus und eben auch Politik in der Realität der Klimakrise neu zu denken. „In dem Augenblick, in dem Parteien so tun, als würden sie Klimaschutz wichtig nehmen, und gleichzeitig ihre fossile Programmatik vorantreiben, sind sie noch gefährlicher, als wenn sie offen sagen, was sie tun“, sagt Neubauer. „Sie wiegen die Leute in falscher Sicherheit.“

Das Klimagesetz der EU und das unlängst getroffene Urteil des Bundesverfassungsgerichts verpflichten die nächste Bundesregierung, ernsthafte Klimapolitik zu machen, die den 1,5‐Grad-Pfad zumindest offen halten kann. Es ist also nicht „radikal“, wie im alten Denken, sondern verbindlich vorgeschrieben – und damit „Maß und Mitte“, um mit der CDU zu sprechen –, Klimapolitik zu machen, die Wohlstand und Freiheit schützt.

Nun muss man aber auch sagen, dass Leute Parteien aus unterschiedlichen Motivationen wählen. Einige wählen die Linkspartei, damit sie sicher sein können, dass der Laden nicht läuft, aber sie nichts damit zu tun haben. Leute wählen zunehmend die Grünen, weil sie das Gefühl haben, dass es so nicht mehr weitergeht. Aber die meisten wählen die CDU/ CSU, weil sie sicher sein können, dass die ihnen sagt, dass der Laden läuft, keine Sorge. Ohne dass der Sprit teurer wird. Obwohl die Union selbst beschlossen hat, dass er teurer wird. Aber das ist keine Lüge – sondern bei den Grünen würde er noch teurer!

Das will Armin Laschet verkaufen, und das verkauft er auch an dem Abend im Berliner Kino: dass er der Mann von „Maß und Mitte“ sei, der das Weiter-so hinkriegen wird, ohne dass irgendein Bürger irgendetwas dafür tun oder gar zahlen muss.

Das ist überhaupt die Idee: dafür gewählt zu werden, dass man nichts sagt

Klimakrise und Pandemie werden natürlich auch bearbeitet, das versteht sich. Aber diese CO2-Emissionen sollte man jetzt auch nicht überbewerten. Neue Politik nach den Pandemie-Erfahrungen? Wirtschaft ankurbeln durch Entlastung des Mittelstands, und weiter geht’s. Deshalb braucht Laschet für seine Zukunftspolitik weder Steuererhöhungen noch Tempolimits oder was der Mitbewerber da so plant.

„Wird man die CDU wegen Armin Laschet wählen?“, fragt eine der „Brigitte“-Redakteurinnen.

Laschet fasst sich der Dramaturgie wegen kurz an die Brille. Dann blickt er sehr ernst und sagt: „Ja.“ Sonst nichts. Das ist überhaupt die Idee: dafür gewählt zu werden, dass man nichts sagt.

Der nächste Kanzler, das ist die Botschaft, hat vielleicht keinen Kompass, aber dafür lässt er sich nicht kirre machen. Schon gar nicht von der Realität.

Genau das lieben seine Wähler. Denkt er. Wir werden sehen, ob er recht behält.

Sean Gallup Getty Images
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