Holy Diver mit der großen Stimme: Leben und Tod von Ronnie James Dio

2009 verlor der Heavy Metal eine seiner größten Stimmen. Wir erinnern uns an Ronnie James Dio.

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Ronnie James Dio war eine der großen Stimmen der Heavy-Metal-Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Körperlich kleingewachsen, war er als Vokalist ein Gigant: drei Oktaven soll seine Stimme umspannt haben, manche sprechen gar von vier. Von seiner Zeit bei Rainbow und Black Sabbath bis zu seiner erfolgreichen Solokarriere: Dio prägte Generationen von Musikern. Eine Erinnerung an einen Großen des Heavy Metal.

Ronnie James Dio: Die Anfänge

Ronald James Padavona wurde am 10. Juli 1942 in Portsmouth, New Hampshire, geboren. Als Sohn einer italoamerikanischen Arbeiterfamilie wuchs er in Cortland, New York, auf. Schon früh zeigte sich sein musikalisches Talent – zunächst an der Trompete. „Ehrlich gesagt, mochte ich es nicht besonders“, erzählte Dio später in einem Interview. „Ich war eines dieser Kinder, die zum Üben gezwungen werden mussten“.

Dio weiter: „Ich wollte einfach nur Baseball oder Football spielen oder mit dem Fahrrad fahren. Wenn man fünf ist, will man Dinge tun, die Fünfjährige tun. Aber es hat mich schneller erwachsen werden lassen. Ich musste etwas durchziehen, das ich eigentlich nicht wollte. Meine Eltern fanden es wichtig – und sie waren größer als ich, also hatte ich zu tun, was sie sagten. Es war ein großartiges Training für mich als Sänger, vor allem. Auch als Musiker. Ich habe gelernt zu lesen, zu schreiben, und ich kam mit klassischer Musik in Berührung – etwas, das ich sehr liebe.“

In den 50er Jahren spielte Dio in Rock’n’Roll- und Doo-Wop-Gruppen: The Vegas Kings, Ronnie and the Red Caps, The Prophets. Die 60er brachten den Umbruch: Padavona wurde zu Dio, die Musik härter. Mit der Band Elf widmete er sich dem Hard Rock. Die Band wurde von Deep Purple gefördert, was zu einem entscheidenden Kontakt führte: Ritchie Blackmore. Blackmore holte Dio 1975 für sein neues Projekt Rainbow. Die Alben „Rising“ und „Long Live Rock ’n’ Roll“ prägten den Sound des klassischen Hard Rocks. „Wir hatten merkwürdige Erlebnisse im Studio. Da war ein Geist, der sich Baal nannte, und er hat meine Frau die Treppe runtergestoßen.“ Die Devil-Horns-Geste, die Dio bekannt machte, stammte von seiner italienischen Oma. „Das ist das Malocchio-Zeichen. Schutz gegen das Böse“, erzählte er.

Dio bei Black Sabbath: Neue Höhen

Nach Ozzy Osbournes Rauswurf 1979 übernahm Dio den Gesang bei Black Sabbath. „Wie ich schon gesagt habe: Es ist nicht besonders schwierig, in die Schuhe eines Mannes zu steigen, der sein Leben lang barfuß gelaufen ist. Das war also wirklich kein großes Problem für mich. Ich meine, wie könnte man Ozzy Osbourne mit Ronnie Dio vergleichen – vor allem als Sänger? Ozzy ist eine Figur, das ist es, was er ist. Er singt nicht, er macht etwas anderes. Er bekommt Herzanfälle auf der Bühne, er verletzt Tiere – und ich schätze, das ist eben Ozzy. Ich habe nichts gegen Ozzy; Ozzy ist ein Freund von mir. Aber ich sage das immer, wenn es um dieses ‚in jemandes Fußstapfen treten‘ geht.“

„Heaven and Hell“ wurde ein Klassiker. Es folgten die Alben „Mob Rules“ (1981) und das Livealbum „Live Evil“ (1982), bevor Dio die Band 1982 verließ. 1992 kam es zu einer ersten Reunion für das Album „Dehumanizer“. In den 2000er-Jahren formierten sich Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice erneut – diesmal unter dem Namen Heaven and Hell, um Verwechslungen mit dem klassischen Black-Sabbath-Line-up zu vermeiden.

Dio: Solokarriere und „Holy Diver“

1983 erschien Ronnie James Dios erstes Soloalbum „Holy Diver“. Die Besetzung: Vivian Campbell an der Gitarre, Vinny Appice am Schlagzeug, Jimmy Bain am Bass und Claude Schnell an den Keyboards. Der Nachfolger, „The Last in Line“, erschien 1984, „Sacred Heart“ (1985), „Dream Evil“ (1987) und „Lock Up the Wolves“ (1990). Bereits das Debütalbum „Holy Diver“ wurde in den USA mit Platin ausgezeichnet, die Nachfolger erreichten jeweils hohe Chartplatzierungen in Nordamerika und Europa. Dio verband hymnische Melodien mit epischen Fantasy-Themen, ohne dabei an Härte zu verlieren.

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Hear’n Aid

Parallel schuf Dio 1985 das Charity-Projekt Hear ’n Aid, für das er die Metal-Prominenz versammelte. Das Ziel: hungerleidende Menschen in Afrika zu unterstützen – eine Reaktion auf Projekte wie Live Aid und We Are the World, aber aus der eigenen Szene heraus. Damit wollte er auch dem schlechten Ruf der Szene etwa entgegen wiren: „Wir wollten es nicht unbedingt besonderer machen, sondern einfach ein bisschen davon absetzen. Die Art von Musik, die wir spielen, und die Menschen, die daran beteiligt sind, werden ohnehin immer beschuldigt, etwas anderes – etwas Schlimmes – zu sein. Also dachten wir, wir nehmen das alles selbst in die Hand und grenzen uns bewusst von den anderen ab. Denn am Ende werden sie uns sowieso ausgrenzen“, erzählte Dio darüber. Der Song „Stars“ entstand mit Dutzenden namhafter Musiker. Auch ein Album wurde veröffentlicht – mit exklusiven Beiträgen u. a. von Judas Priest, Motörhead, Y&T und Dio selbst.

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Die Sache mit den Teufelshörnern

Auch wenn Gene Simmons später behauptete, die Devil-Horn-Geste erfunden zu haben – bekannt gemacht hat sie definitiv Ronnie James Dio. Er selbst erzählte, er habe das Zeichen von seiner italienischen Großmutter übernommen: das sogenannte Malocchio, ein abwehrendes Handzeichen gegen den „bösen Blick“. Dio machte daraus ein ikonisches Symbol des Heavy Metal – das eigentlich nichts Satanisches hatte, sondern im Gegenteil vor dem Bösen schützen sollte.

Dio: Krankheit und Tod

Im November 2009 gab Dios Ehefrau Wendy bekannt, dass Dio an Magenkrebs erkrankt war. Er unterzog sich einer intensiven Behandlung, zeigte sich zwischenzeitlich kämpferisch und trat sogar öffentlich auf, etwa bei der Verleihung der Revolver Golden Gods Awards 2010. Doch der Krebs war aggressiv. Am 16. Mai 2010 starb Ronnie James Dio im Alter von 67 Jahren in Houston, Texas. Die Metalwelt trauerte geschlossen – von Fans über Musiker bis hin zu Wegbegleitern wie Tony Iommi und Rob Halford.

Bei seiner öffentlichen Trauerfeier in Los Angeles erwiesen Tausende ihm die letzte Ehre. Seine Asche wurde auf dem Forest Lawn Memorial Park in Hollywood Hills beigesetzt, unter einem Denkmal mit der Inschrift: „The Man on the Silver Mountain“.

Die Nachricht von Ronnie James Dios Tod löste weltweit Trauer in der Rock- und Metal-Community aus. „Ronnie ist heute Morgen um 7:45 Uhr friedlich verstorben“, schrieb seine Ehefrau Wendy Dio auf seiner offiziellen Website. Musikerkollegen würdigten ihn als herausragenden Künstler und warmherzigen Menschen. „Er hatte immer ein freundliches Wort und ein Lächeln – und er liebte die Yankees“, erinnerte sich Scott Ian von Anthrax. KISS bezeichneten ihn als „wahren Gentleman“, der stets Wärme und Freundschaft ausgestrahlt habe. Motley-Crue-Bassist Nikki Sixx schrieb: „Ich erinnere mich, wie er vor 100.000 Menschen ‚Man on the Silver Mountain‘ sang – das jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.“ Auch Gitarrist Slash brachte es auf den Punkt: „Ronnie ist um 7:45 Uhr gestorben, aber seine Musik wird ewig leben.“

 

Fin Costello Redferns
Fin Costello Redferns
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Markus Brandstetter schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.