Yoshika Colwell
„On The Wing“ – Feierlich
Blue Flowers/PIAS (VÖ: 25.7.)
Zwischen Laura Marling und Lucy Rose: Souveräner Songwriter-Folk.
Von dem feinen Londoner Indie-Label Blue Flowers erreicht uns das Debüt dieser Sängerin aus Kent. Yoshika Colwell besetzt mit ihren atmosphärischen Akustikgitarrenliedern einen Platz in der Nähe von Laura Marling, Lucy Rose und Billie Marten. Die Singstimme ist sanft und tiefschürfend, aber auch ernsthaft souverän wie bei Joni Mitchell. Ein Schrein seien diese Lieder, sagt die Künstlerin, in den sie legt, was sie zu der Frau gemacht hat, die sie heute ist. So deutet man das Meditative, Sakrale, Ätherische als Reise ins Innere, etwa beim schleichenden „Last Night“. Dort umspielen Harfen ein Gitarrenpicking, Colwell singt von einem Traum, in dem ihr ein (vielleicht) verstorbener Mensch begegnet. Das Lied wirkt ein bisschen wie eine Séance.
Bei „In Bloom“ packen tief gestimmte Trommeln etwas fester zu. Ein Chor addiert ein feierliches Gefühl. „I’m stuck in a perpetual nerve attack“, klagt die Protagonistin, fordert sich dann aber auf, den Moment zu genießen. Das Album thematisiert offenbar eine Dekade großer persönlicher Umwälzungen, doch diese Lieder markieren auch den Neuanfang. Beides ist in ihnen präsent: das Beladene und das Zuversichtliche, das Verletzte und das Versöhnliche.
Daran hat Produzent Oli Bayston einen erheblichen Anteil. In seinem Ostlondoner Studio Orbb arrangierte der Brite sehr geschmackvoll eine vorsichtig spielende Band samt Streichern und Holzbläsern. Schon die ersten beiden, 2024 erschienenen EPs von Colwell sind hier entstanden, genau wie Pulps aktuelles Album. Man meint den Live Room zu hören – einen weichen, offenen Klang, in dem sich diese langsam gespielte und manchmal ziemlich opulente Musik entfalten kann. Wie in dem weit hallenden, cineastischen Walzer „There’s Got To Be A Loser Babe“, bei dem man fast an Lana Del Rey denkt.
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 8/2025.