10 Folk-Alben aus den Siebzigern, die ROLLING STONE liebte – Sie aber nie gehört haben

Zehn fast vergessene Folk-Alben der 70er, einst von ROLLING STONE gefeiert – jetzt neu entdecken und hören

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Die Folk-Szene der Sechziger entwickelte sich in die Singer-Songwriter-Bewegung der Siebziger, verschwand aber nie. Zwischen 1970 und 1979 rezensierte ROLLING STONE zahlreiche Folk-Alben: Musik, verwurzelt in alten, akustischen Traditionen, vielfach von Künstlern aus Greenwich Village mit persönlichen Verbindungen zu Bob Dylan, aber auch aus lokalen Szenen von Kentucky bis Maine. Diese zehn Alben liefen damals rauf und runter auf unseren Plattenspielern – auch wenn sie heute weitgehend vergessen sind. [Diese Liste erschien ursprünglich im Juli 2015].

Judee Sill – Heart Food

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Diese mystische christliche Folk-Sängerin und Pianistin war die erste Künstlerin, die David Geffen für sein Asylum-Label unter Vertrag nahm. Sie schrieb von Bach beeinflusste Songs über den Kampf um spirituelle Erleuchtung. Mit Piano und mehrspurigen Vocals klingt es entrückt und überirdisch – als würde man mystische Transzendenz erleben oder Brian Wilson beim Beten zuhören. Nach diesem zweiten Album warf Geffen sie raus. Sill geriet in eine Abwärtsspirale und starb 1979 an einer Überdosis (möglicherweise absichtlich).

Damals sagten wir: „Das Ziel von Sills spiritueller Suche ist die absolute Einheit mit Gott, eine Verschmelzung, die sowohl als psychedelischer Pantheismus wie auch in primitiven, judäo-christlichen Begriffen gedacht ist. Die Sprache, die Sill gewählt hat, um ihre Vision auszudrücken, ist ungewöhnlich und kraftvoll. Ihre Diktion ist gehoben, teils fast biblisch, teils idiomatisch… Judee Sill ist eine höchst begabte Künstlerin, die weiterhin fast mehr verspricht, als ich zu hoffen wage.“ — Stephen Holden, RS 135 (24. Mai 1973)

Karen Dalton – In My Own Time

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Folk-Legende Karen Dalton war die Muse der MacDougal Street, Inspiration für „Katie’s Been Gone“ (auf Dylans und The Bands „Basement Tapes“). Sie sang mit näselnder Melancholie weit über ihre Jahre hinaus, wie eine folkige Billie Holiday. Dieses in „Woodstock“ (eigentlich Bearsville, New York) mit Harvey Brooks (spielte u. a. mit Dylan und Miles Davis) aufgenommene Album war ihr zweites und letztes. Dalton starb 1993; 2004 schrieb Dylan in seinen Memoiren Chronicles, sie sei seine „Lieblingssängerin“ gewesen.

Damals sagten wir: „Die Quelle von Karens Legende ist ihre Stimme. Wie Rita Coolidge, der sie ein wenig ähnelt, ist sie keine Songwriterin, aber sie singt mit so viel Subtilität und Geschmack, dass ihre Interpretationen eigene Schöpfungen sind… In ihren besten Momenten ist ihr Klang von geisterhafter Schönheit, süchtig machend… Da sie so selten auftritt, ist es wahrlich eine Freude, dass ihre Brillanz nun allen zugänglich ist. Auf dieser Platte liegt Magie, die es wert ist, entdeckt zu werden.“ — Danny Goldberg, RS 87 (22. Juli 1971)

Jean Ritchie – None But One

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Die in Kentucky geborene Ritchie hatte bereits Dutzende Alben veröffentlicht, als sie dieses einspielte; wir nannten sie „wohl unsere beste traditionelle Folk-Sängerin/Songwriterin“. A cappella oder begleitet auf der Mountain Dulcimer sang sie Lieder ihrer Kindheit aus den Cumberland Mountains und zog damit einen goldenen Faden durch Generationen anglo-amerikanischen Lebens.

Damals sagten wir: „Wie eine sanftere, weibliche Version der Basement Tapes verzichtet None But One auf Wucht und Pose – und findet dennoch Größe, mehr durch innewohnende Kraft als durch Ehrgeiz. Wir hören hier nicht das Suchen nach, sondern das Erkennen und Feiern einer Identität – und diese Identität ist so zeitlos und universell wie schön.“ — Paul Nelson, RS 247 (8. September 1977)

Mimi Fariña und Tom Jans – Take Heart

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Mimi Fariña war eine Folk-Ikone, Schwester von Joan Baez und Ehefrau sowie Musikpartnerin des farbenfrohen Richard Fariña, mit dem sie zwei einflussreiche Alben aufnahm. Doch 1966, an ihrem 21. Geburtstag, starb Richard bei einem Motorradunfall. Nach einem Abstecher ins satirische Theater kehrte sie mit Singer-Songwriter Tom Jans zur Musik zurück. Das Ergebnis: dieses bezaubernde Album mit ihrem berühmtesten Lied „In the Quiet Morning“. Nach Take Heart widmete Fariña ihr Leben vor allem der Wohltätigkeitsorganisation Bread and Roses, bis zu ihrem Tod 2001.

Damals sagten wir: „Mimi Fariña und Tom Jans machen wirklich schöne Musik, und dies ist ein liebliches Album. Es ist auch ein geisterhaftes; an Dick Fariñas Abwesenheit erinnert zu werden, unterstreicht nur seine Bedeutung. Ich wünsche ihnen viel Erfolg mit diesem Album. Take heart.“ — George Kimball, RS 92 (30. September 1971)

Ian Matthews – Valley Hi

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Der Veteran der legendären britischen Folkgruppe Fairport Convention arbeitete hier mit Produzent Michael Nesmith von den Monkees zusammen. Das Ergebnis verlieh Matthews’ Folk-Repertoire einen hochglänzenden Sound, blieb jedoch – wie vieles von ihm – ein kommerzieller Flop. Matthews machte weiter Musik und arbeitete später auch im A&R-Bereich für Windham Hill. Die Version von „Seven Bridges Road“ auf dieser Platte inspirierte die Eagles, die den Song als Konzert-Opener und Hit-Single übernahmen.

Damals sagten wir: „Was den Hörgenuss betrifft, ist Valley Hi ein sinnliches Vergnügen. Der gedämpfte Hollywood-Glamour von Nesmiths Produktion findet in Matthews’ eigener zurückhaltender Eleganz eine sympathische Ergänzung. Klangschönheit ist ihr gemeinsames Ideal, konsequent erreicht, da das umgebaute Schiff, auf dem Matthews segelt, mit Auge fürs Detail wie fürs Design gebaut ist.“ — Stephen Holden, RS 145 (11. Oktober 1973)

Rosalie Sorrels – Travelin’ Lady

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Die Folksängerin aus Idaho tourte mit fünf Kindern durchs Land, um in Bars und auf Festivals auftreten zu können. Sie lebte so wild, dass Hunter S. Thompson die Liner Notes für dieses Album schrieb. Ihre Musik trug Züge von Country & Western, gewachsen aus unzähligen Meilen auf der Straße. Wenn sie Gitarre spielte, schien ein Fenster geöffnet, durch das man eine ältere, andere Welt riechen konnte.

Damals sagten wir: „Ihre Texte sind die besten diesseits von Joni Mitchell (‘There’s no more rooms to retire to / I’ve got to move, there’s no place to stay / And I’ve nothing that’s mine but my shadow / If you need one, I’ll give that away’), während Rosalies Stimme irgendwo zwischen der Lyrik einer Joan Baez und der Rauheit einer Bonnie Raitt liegt… die Richtung ist stets eine melodische Innenschau, getragen von Miss Sorrels’ flüssiger, prismatisch schimmernder Stimme.“ — Gary von Tersch, RS 99 (6. Januar 1972)

Happy und Artie Traum – Double-Back

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Die Brüder aus der Bronx wurden Teil der Greenwich-Village-Szene der Sechziger. Happy Traum gehörte später zu Dylans Umfeld: Er spielte in einer Gruppe, die die erste offizielle Version von „Blowin’ in the Wind“ veröffentlichte, und begleitete Dylan auch auf „Greatest Hits Vol. II“. Zusammen verbanden die Brüder ihre Stimmen und Instrumente wie nur Familie es kann. Double-Back war das zweite von vier gemeinsamen Alben. Sie arbeiteten bis zu Arties Tod 2008 immer wieder zusammen.

Damals sagten wir: „Es gibt keinen schlechten Track auf diesem Album. Es ist wirklich ein Vergnügen, sich bei Songs wie ‘Scavengers’, ‘The Ferryman’ und ‘Brother Thomas’ zurückzulehnen. Double-Back verkörpert zwar Woodstock-Musik, doch sowohl die gequälten Tonfälle der Band als auch ihr Gegenteil – zuckersüße Harmonien mit prätentiösen Texten – fehlen hier auffallend.“ — George Kimball, RS 91 (16. September 1971)

Mary McCaslin – Way Out West

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McCaslin präsentierte hausgemachte Versionen eigener Songs, alter Western-Balladen und moderner Popsongs – etwa „Pinball Wizard“ der Who auf Banjo. Dieses Album markierte ihr Debüt als Songwriterin. Wir bezeichneten es als „ein außergewöhnliches Album, das praktisch niemand hören wird“. Sie veröffentlichte auf dem Indie-Label Philo, später auch ein großartiges Album bei Capitol („Sunny California“, 1979), das nur geringfügig mehr Beachtung fand.

Damals sagten wir: „McCaslins unorthodoxe Gitarrenstimmungen erzeugen ungewöhnliche, ätherische Melodien von auffallender Schönheit. In Kombination mit ihrer klaren, fein berührenden Stimme wirkt das magisch, etwa bei den Everlys’ ‘Let It Be Me’ oder ihrem eigenen ‘Northfield’… Way Out West ist den meisten Werken seines Genres weit überlegen und die Mühe wert, es zu suchen.“ — Ken Barnes, RS 169 (12. September 1974)

Various Artists – Traveling Through the Jungle

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Folk in der Tradition von Alan Lomax: Feldaufnahmen von Menschen, die im Alltag Musik machten. Hier waren es Afroamerikaner im tiefen Süden – ein Titel, der heute unglücklich klingt, auch wenn er auf afrikanische Traditionen hinweisen sollte. Doch die Musik, mit Militärtrommeln (gekauft) und selbstgemachten Flöten, war roh und mitreißend.

Damals sagten wir: „Rhythmisch klingt es wie Proto-Rock & Roll, mit starkem Bo-Diddley-Beat und gebrüllten, bluesigen Vocals. Doch der Schlagzeugstil, mit Spuren sowohl anglo-amerikanischer Marschmusik wie westafrikanischer Polyrhythmik, klingt auch wie ein direkter Vorfahr des Jazz. Folkloristen werden wohl noch lange die Bedeutung dieser ersten Fife-and-Drum-Musik diskutieren – aber das sollte niemanden vom Genuss abhalten.“ — Robert Palmer, RS 198 (23. Oktober 1975)

Gordon Bok – Peter and the Wind

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Auch abseits von Greenwich Village blühten regionale Folk-Traditionen. Gordon Bok, tiefstimmiger Fischer aus Maine, sang vor allem über das Leben an der Küste Neuenglands. Sein drittes Album nannten wir ein raues Meisterwerk. Seitdem segelt, schnitzt und veröffentlicht Bok alle ein bis zwei Jahre ein weiteres maritim geprägtes Album.

Damals sagten wir: „Hier gibt es einige großartige neue Songs, darunter zwei brillante Instrumentals (Bok ist einer der vielseitigsten Akustikgitarristen, die man sich vorstellen kann), eines davon inspiriert vom Flug der Möwen… ‘Peter Kagan and the Wind’ ist seine eigene Adaption einer der bekannteren Mythen um Neuenglands Seevolk… In die Charts wird er es wohl nie schaffen, aber ich denke, er bleibt ohnehin lieber in Maine und kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten.“ — Janet Maslin, RS 112 (6. Juli 1972)

Gavin Edwards schreibt für den ROLLING STONE USA.