Der Lieblingsgitarrist aller Gitarristen: Leben und Tod von Jeff Beck

Von den Yardbirds bis zu Beck's Bolero: Ein Block auf Leben und Tod von Jeff Beck.

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"Jeff Beck war ohne Zweifel der „Guitarist’s Guitarist“. Der, zu dem alle aufschauten. Die größten Gitarrenlegenden unserer Zeit beriefen sich stets auf ihn, wenn es darum ging, den besten Gitarristen der Welt zu benennen. Sein Spiel war virtuos, gleichzeitig unglaublich eingängig und voller Überraschungen. Er prägte den Rock ’n’ Roll wie nur wenige andere – von den Anfängen mit den Yardbirds bis zu seinen Soloalben, auf denen er Genres wie Rock, Fusion, Jazz und Electronica miteinander verband. Sein Spiel war virtuos. Sein Umgang mit dem Tremolo, wie er die Tonregler der Gitarre ins ein Spiel einband, seine Harmonics, seine spezielle Art des Fingerpickings, alles an Becks Spiel war einzigartig und wegweisend.

Was Jeff Becks Karriere außerdem so besonders machte: Er blieb bis zuletzt ein unermüdlicher Klangforscher. Einer, der nie stehen blieb, sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhte. Stattdessen war er bis zu seinem viel zu frühen Tod kreativ auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Wir werfen einen Blick auf Leben und Tod von Jeff Beck.

Jeff Becks Leben: Kindheit

Jeffrey Arnold Beck wurde am 24. Juni 1944 im südenglischen Wallington geboren. Seine Eltern, Arnold Beck, ein Buchhalter, und Ethel Beck, die in einer Schokoladenfabrik arbeitete, stammten aus der britischen Mittelschicht. Jeff wuchs gemeinsam mit seiner älteren Schwester Annetta auf. Die Familie lebte in einem einfachen Haus in der Demesne Road – ein Ort, der Beck später als „unspektakulär, aber voller Möglichkeiten“ erschien. Schon früh interessierte sich Beck für Technik und Musik. Er bastelte an Radios, versuchte sich an selbstgebauten Instrumenten und imitierte Klänge, die er im Radio gehört hatte. Ein prägendes Erlebnis war für ihn laut eigenen Angaben der Moment, als er als Sechsjähriger Les Pauls „How High the Moon“ hörte – und damit endgültig der elektrischen Gitarre verfiel. Bereits mit zehn Jahren sang er im Kirchenchor, mit elf spielte er auf selbstgebauten Gitarren. Seine erste richtige E-Gitarre kaufte er sich als Teenager – eine Telecaster-Kopie, mit der er unermüdlich übte und seinen Stil entwickelte.

Frühe musikalische Projekte

In den frühen 1960er Jahren trat Beck zunächst in kleineren Formationen auf. Eine der ersten war die Band The Nightshift, mit der er 1963 im Londoner 100 Club spielte. Es folgten kurze Engagements bei den Rumbles aus Croydon und bei der skurrilen Showband Screaming Lord Sutch and the Savages, mit der er unter anderem die Single „Dracula’s Daughter“ aufnahm. Parallel dazu arbeitete Beck als Studiogitarrist und spielte etwa 1964 auf der Parlophone-Single „I’m Not Running Away“ der Band Fitz and Startz. Ein entscheidender Schritt war sein Einstieg bei The Tridents – einer Londoner Rhythm-and-Blues-Band, bei der auch die Brüder John und Paul Lucas sowie Schlagzeuger Ray Cook spielten. Beck erarbeitete sich hier schnell einen Ruf als Ausnahmegitarrist – auch wenn die Band selbst nie kommerziell durchbrach. Doch sie brachte Beck in den Fokus der Szene – und bereitete den Weg für seine erste große Station.

Die Yardbirds: Becks Durchbruch

Denkt man an Jeff Beck, denkt man unweigerlich auch an die Yardbirds – eine der stilbildenden Rockbands der 1960er-Jahre. Ursprünglich 1963 gegründet von Keith Relf, Chris Dreja, Paul Samwell-Smith, Jim McCarty und Anthony „Top“ Topham, wurden die Yardbirds zum Sprungbrett gleich dreier Gitarrenlegenden: Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page.

Clapton verließ die Band 1965 aus Unzufriedenheit mit der zunehmenden Kommerzialisierung. Auf seine Empfehlung hin – vermittelt von Jimmy Page – stieg Jeff Beck als neuer Leadgitarrist ein. Mit ihm entwickelten die Yardbirds ihren Sound radikal weiter: Psychedelische Elemente, Feedback, Fuzz und andere Gitarreneffekte fanden Einzug. Hits wie „Heart Full of Soul“, „Shapes of Things“ und „Over Under Sideways Down“ trugen Becks Handschrift – technisch brillant, unberechenbar und originell.

1966, nach dem Ausstieg von Samwell-Smith, kam Jimmy Page hinzu, zunächst am Bass, später als Co-Leadgitarrist – für kurze Zeit spielte das Duo Beck/Page gemeinsam. Doch Spannungen eskalierten, Beck verließ die Band im November 1966 während einer US-Tournee. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen, inoffiziell auch wegen Differenzen innerhalb der Band.

Die Jeff Beck Group: Aufstieg einer Gitarrenlegende

1967, nur ein Jahr nach seinem Ausstieg bei den Yardbirds, gründete Jeff Beck seine eigene Band – die Jeff Beck Group. Zu diesem Zeitpunkt galt er bereits als einer der aufregendsten Gitarristen der Welt. Die erste Besetzung bestand aus Beck an der Gitarre, dem jungen Rod Stewart als Sänger, Ronnie Wood zunächst an der Rhythmusgitarre (später Bass) und Micky Waller am Schlagzeug. Kurz darauf stieß Nicky Hopkins als Pianist dazu. Ihr Debütalbum „Truth“ erschien im August 1968 – ein bluesgetränktes Werk, das nicht nur kommerziell erfolgreich war (Platz 15 in den US-Billboard-Charts), sondern auch stilistisch als Vorläufer des Hardrock gilt. Das zweite Album „Beck-Ola“ folgte 1969 – härter, roher, kompromissloser und heute längst ein Klassiker.

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Doch hinter den Kulissen ging es alles andere als harmonisch zu. Persönliche Spannungen, unterschiedliche Vorstellungen und Becks berüchtigter Perfektionismus führten zum Bruch der Originalbesetzung. Stewart und Wood wechselten zu den Faces. Beck formierte die Band neu – nun mit Bobby Tench am Gesang, Max Middleton am Keyboard, Clive Chaman am Bass und Cozy Powell am Schlagzeug. 1971 erschien „Rough and Ready“, im Folgejahr ein weiteres, schlicht „Jeff Beck Group“ betiteltes Album, das wegen seines Covers als „Orange Album“ bekannt wurde. Der Stil änderte sich, Beck wandte sich dem Fusion zu. Die Jeff Beck Group existierte in wechselnder Besetzung bis 1972.

Im selben Jahr gründete Jeff Beck gemeinsam mit Tim Bogert (Bass) und Carmine Appice (Schlagzeug) das Powertrio Beck, Bogert & Appice – ein kurzweiliger, aber auch kurzlebgier Mix aus Bluesrock und Hard Rock. Nach nur einem Album war bereits Schluss.,

Jeff Becks Leben: Seine wichtigsten Solowerke

Nach dem Ende von Beck, Bogert & Appice widmete Jeff Beck sich gänzlich seiner Solokarriere. Sein erstes offizielles Soloalbum, „Blow by Blow“ (1975), gilt als instrumentales Meisterwerk und verbindet Jazzrock, Funk und Fusion. Produziert wurde es von niemandem geringeren als Beatles-Legende George Martin. Für beck wurde es zu einem seiner erfolgreichsten Alben überhaupt – Platz 4 in den US-Charts, Goldstatus und bis heute ein Referenzwerk für Gitarristen.

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Mit „Wired“ (1976) begab sich Beck anschließend weiter in den experimentellen Jazzrock. 1989 erschien „Jeff Beck’s Guitar Shop“. Dabei handelt es sich um eines der wichtigsten Gitarrenalben aller Zeiten. Esbrachte Beck einen Grammy als Best Rock Instrumental Performance ein. Auch im neuen Jahrtausend suchte Beck stets nach neuen Ausdrucksformen. Mit „You Had It Coming“ (2001) und „Jeff“ (2003) verband er elektronische Klänge mit virtuosem Gitarrenspiel. Insgesamt nahm Beck 17 Studioalben auf – sein letztes reguläres Soloalbum, „Loud Hailer“, erschien 2016.

Zusammenarbeiten mit bekannten Künstlern

Jeff Beck hatte auch Zeit seines Lebens große Lust auf interessante Zusammenarbeiten. Er machte mit Jazz-Ikone Herbie Hancock gemeinsame Sache, arbeitete mit der Soulsängerin Joss Stone, Imelda May oder dem Fusion-Virtuosen Jan Hammer. Und da wäre natürlich seine Freundschaft und Zusammenarbeit mit Johnny Depp, die viele ein wenig verwunderte. Gemeinsam veröffentlichten die beiden 2022 das Album „18“, das Coversongs – etwa von The Velvet Underground oder Marvin Gaye – ebenso enthielt wie eigene Kompositionen. Depp übernahm den Gesang, Beck die musikalische Leitung. Depp steckte vielerorts dafür Kritik ein, Beck selbst war zu dem Zeitpunkt natürlich längst sakrosankt und hatte einfach sichtlich Spaß, mit seinem Kumpel Johnny Musik zu machen.

 

Jeff Becks überraschender Tod

Am 10. Januar 2023 wurde bekannt, dass Jeff Beck im Alter von 78 Jahren im Krankenhaus verstorben war – plötzlich und für viele vollkommen unerwartet. Als Todesursache wurde eine bakterielle Meningitis genannt. Noch Monate zuvor hatte Beck auf Tourneen gespielt, Interviews gegeben, das Album „18“ mit Johnny Depp veröffentlicht – und wie immer an neuen Ideen gearbeitet.

Die Nachricht löste weltweit Bestürzung aus. Musikerinnen und Musiker aus allen Ecken des Rock, Jazz und Pop äußerten ihre Trauer.

Jeff Beck

Rod Stewart, der mit Jeff Beck in der Jeff Beck Group spielte, schrieb, Beck sei „auf einem anderen Planeten“ gewesen. Er erinnerte daran, wie Beck ihn und Ronnie Wood Ende der 60er mit in die USA nahm – ein Wendepunkt in ihrer beider Karrieren. „Wir haben seither nie zurückgeblickt“, so Stewart. „Er war der Größte.“ Ronnie Wood nannte Beck schlicht „einen meiner Brüder“ und erinnerte sich an unzählige gemeinsame Momente auf und abseits der Bühne. Auch Mick Jagger äußerte sich – für ihn war Beck „ein wunderbarer Mensch und einer der größten Gitarristen der Welt“.

Die Musikwelt trauerte

Tony Iommi von Black Sabbath zeigte sich tief getroffen über den Verlust. Beck sei ein „unglaublich netter Mensch und ein ikonischer, genialer Gitarrist“ gewesen. Es werde „nie wieder einen wie ihn geben“, schrieb Iommi, und bezeichnete Becks Spielweise als „einzigartig, brillant und nicht zu kopieren“. Paul Stanley von KISS nannte Beck „einen der ganz großen Gitarrenmeister“. Seit den Yardbirds habe Beck „einen Weg geebnet, den niemand je wieder gehen konnte“. Stanley schloss mit den Worten: „Spiel weiter – jetzt und für immer.“

Auch Dave Davies von The Kinks zeigte sich erschüttert. Er sei „schockiert und verwirrt“, schrieb er. „Ich bin untröstlich. Für mich sah er noch topfit aus. Es ergibt einfach keinen Sinn. Er war ein guter Freund und ein großartiger Gitarrist.“ Jimmy Page, der mit Beck bei den Yardbirds gespielt hatte, meldete sich auf Instagram. Er schrieb: „Der sechssaitige Krieger ist nicht mehr unter uns. Jeff konnte Musik aus dem Äther channeln. Seine Technik war einzigartig, seine Vorstellungskraft grenzenlos. Jeff – ich werde dich vermissen, so wie Millionen andere.“

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Tal Wilkenfeld erinnert sich an Jeff Beck

Die Bassistin Tal Wilkenfeld, die von 2007 bis 2010 regelmäßig mit Jeff Beck auf der Bühne stand und tourte, erinnerte sich in einem emotionalen Posting an den verstorbenen Musiker. „Jeff Becks Licht und Kraft waren so stark, dass ich überzeugt war, wir würden bis zu meinem eigenen Lebensende gemeinsam herumalbern und Musik machen“, schrieb sie. „Er war ewig jugendlich, so tief von der Muse angetrieben, dass Grundbedürfnisse für ihn Nebensache waren. Ich fragte ihn: ‚Bist du hungrig, Jeff?‘ Und er antwortete: ‚Oh nein, ich hatte gestern einen riesigen Muffin.‘“

Wilkenfeld betonte nicht nur seine Musikalität, sondern auch seine Persönlichkeit. „Wir haben nicht nur unseren Lieblingsgitarristen verloren, sondern auch einen der intelligentesten, intuitivsten, witzigsten Menschen, die ich je getroffen habe.“ Besonders rührend: „Jeff, danke, dass du an mich geglaubt hast, bevor es jemand anderes tat. Du hast dich hinter mich gestellt und allen gesagt, sie sollen mich ernst nehmen. Du hast mich behandelt wie eine Tochter – so sehr, dass sogar Wikipedia das geglaubt hat. Ehrlich gesagt, ich auch.“

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Venla Shalin Redferns
jr

Markus Brandstetter schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.