Der Mann, der Slayer den Punk gab: Leben und Tod von Jeff Hanneman
Wir erinnern an Jeff Hanneman, einen der wichtigsten Metal-Gitarristen aller Zeiten.
Dissonant, chromatisch, heavy und mit jeder Menge Downpicking-Durchhaltevermögen: Als Gitarrenduo mit seinem Slayer-Kollegen Kerry King prägte Jeff Hanneman die Metal-Gitarre wie nur wenige andere. Hanneman gab Slayer einen wichtigen Teil ihrer Identität: Er brachte die Liebe zum Punk ins Spiel. Er war maßgeblich für einige der wichtigsten Slayer-Songs verantwortlich und trug entscheidend zum Songwriting von Klassikern wie „Raining Blood“ oder „Angel of Death“ bei. Hanneman prägte Slayer nicht nur musikalisch, sondern auch textlich. Er schrieb über Massenmörder, grausame Verbrechen und menschliche Abgründe.
Jeff Hanneman: Kindheit und erste musikalische Einflüsse
Jeff Hanneman wurde am 31. Januar 1964 in Oakland, Kalifornien, geboren und wuchs in Long Beach auf. Dass er sich später bei Slayer oft Kriegs- und Militärthemen sowie Ästhetik bediente, hat einen familiären Hintergrund: Sein Vater hatte im Zweiten Weltkrieg in der Normandie gekämpft, seine beiden Brüder dienten im Vietnamkrieg.
Hanneman wurde vom Punk und frühem Metal sozialisiert. Seine frühen Einflüsse waren Black Sabbath, Iron Maiden, aber auch Dead Kennedys und Minor Threat. Hanneman liebte das Rohe, Kompromisslose, Schnörkellose am Punk – die Aggression sowieso. Im Alter von etwa 17 Jahren begann er, selbst Gitarre zu spielen. Er brachte sich Songs von Judas Priest und Venom bei und entwickelte bald seinen eigenen Stil: schnell, dissonant, aggressiv.
Treffen mit Kerry King
Das Schicksal wollte es, dass Hanneman mit 18 Jahren auf Kerry King traf. Er selbst erinnerte sich gegenüber „Knac.com“: „Kerry und ich haben uns kennengelernt – ich hing gerade mit ein paar Freunden rum, die … keine Ahnung, was für Musik das eigentlich war … eher so Robin Trower-mäßig? Bluesige Musik halt. Und aus irgendeinem Grund hat Kerry bei dieser Band vorgesprochen. Kerry und ich kamen ins Gespräch, haben beide zur Gitarre gegriffen und nach der Audition mit einem Drummer angefangen zu spielen. Wir haben Songs von Priest und Maiden gespielt, und dann meinten wir so zueinander: ‚Warum gründen wir nicht einfach unsere EIGENE Band?‘ [lacht] Und ich so: ‚… Fuck yeah!‘ [lacht]“

Hanneman weiter: „Irgendwann – Dave [Lombardo] wohnte die Straße runter von Kerry – sprach Dave ihn an, weil er gehört hatte, dass Kerry Gitarren hatte, und zack, war Dave in der Band. Dann erzählte Kerry, dass er mal in einer anderen Band mit einem Sänger namens Tom [Araya] gespielt hatte – und bald war auch der dabei. Der Rest ist Geschichte.“
Jeff Hanneman: Gründung von Slayer
Das war also die Geburtsstunde von Slayer. Offiziell wurde die Band 1981 ins Leben gerufen. Zunächst war man eine reine Coverband, schon bald schrieb die Gruppe eigenes Material. 1983 spielte die Band als Vorgruppe von Bitch im „Woodstock Club“ im kalifornischen Anaheim. Neben einigen Coverversionen boten Araya, King, Hanneman und Lombardo auch eigenes Material dar. Der Gründer des damals noch frischen Labels Metal Blade Records, Brian Slagel, war im Publikum und so begeistert, dass er die Band bat, einen Song für seine Compilation Metal Massacre III beizusteuern. Genau das taten Hanneman & Co – mit dem Stück „Aggressive Perfector“.

Vom Debütalbum zu Metal-Geschichte
Im selben Jahr ging die Band ins Studio, um ihr Debütalbum „Show No Mercy“ aufzunehmen. Das Geld mussten sie selbst beschaffen – Tom Araya steuerte sein Erspartes bei, Kerry Kings Vater lieh der Gruppe zusätzlich Geld. Slayer sorgten mit „Show No Mercy“ für jede Menge Aufmerksamkeit in der Metalszene und verkauften in den USA 20.000 Exemplare. Die Band tourte, wurde immer größer.
Es folgten die düstere, härtere EP „Haunting The Chapel“ (1984) und „Hell Awaits“ (1985). Die größten Erfolge feierten Slayer mit ihren Alben „Reign in Blood“ (1986) und „South of Heaven“ (1988), die als zwei der wichtigsten Metal-Alben aller Zeiten gelten. Auch „Seasons in the Abyss“ war wegweisend. Slayers Werdegang sei hiermit etwas abgekürzt, nur so viel: Die Band veröffentlichte insgesamt 12 Studioalben – auf dem letzten, Repentless (2015), war Jeff Hanneman nicht mehr zu hören, obwohl er Songwriting-Credits für einen Song bekam).
Hanneman: Fasziniert vom Zweiten Weltkrieg – und Kritik daran
Hanneman sorgte mit seinem Interesse für Zweite-Weltkriegs-Themen oft für Kontroversen und Vorwürfe. So behandelt er im Song „Angel of Death“ etwa die grausamen Menschenversuche des NS-Arztes Josef Mengele in Auschwitz – relativ bildhaft und ohne moralischen Kommentar. Viele warfen SLAYER deswegen eine Verharmlosung der NS-Verbrechen vor. Hanneman wies diese Vorwürfe zurück. Es sei nie darum gegangen, etwas zu verherrlichen – vielmehr habe ihn die Abgründigkeit des Themas gereizt:
„Als ich den Song geschrieben habe, war das noch vor der Zeit mit den Tourbussen – wir sind damals einfach selbst zu den Gigs gefahren“, erinnerte er sich 25 Jahre später im Gespräch mit Total Guitar. „Im Auto gab’s nichts zu tun außer lesen, also habe ich mir ein paar Bücher über Mengele gekauft und gedacht: Das wäre ein bösartiges Thema, über das man schreiben könnte.“
Dass man Hannemans Faszination für das Thema (das hatte er mit Lemmy von Motörhead gemein) oft als Sympathie für das NS-Regime interpretierte, wunderte ihn selbst – eine Erklärung hatte er aber parat: „Ich weiß, warum die Leute das falsch interpretieren – sie reagieren einfach reflexartig darauf. Wenn sie die Texte lesen, steht da nirgendwo explizit, dass er ein schlechter Mensch war, weil ich mir dachte: Ist das nicht offensichtlich? Muss ich euch das echt noch dazuschreiben? [lacht]“
Hannemans Texte beschrieben den Horror menschlicher Abgründe – auch das Thema Massenmörder faszinierte ihn. Moralisch einorden sollten das andere, dazu waren Slayer nicht da, ebenso wenig wie Horrorfilme einen moralischen Kodex bieten.
Hanneman: Krankheit und SLAYER-Ende
2011 zog sich Hanneman durch einen Spinnenbiss eine nekrotisierende Fasziitis zu – eine Infektion, bei der sich das Gewebe unter der Haut zersetzt. Gitarrespielen auf dem physischen Niveau, das SLAYER erforderte, war nicht mehr möglich. Er zog sich aus der Band zurück, alle hofften jedoch auf eine Rückkehr. Exodus-Gitarrist Gary Holt sprang für ihn ein. Hanneman sollte nur noch einmal mit SLAYER auf der Bühne stehen: 2011 beim „Big Four“-Konzert in Kalifornien mit Metallica, Anthrax und Megadeth.
Hanneman wollte zu SLAYER zurückkehren, aber Kerry King machte ihm klar, dass er körperlich noch nicht in der Lage dazu sei: „Eines der schwierigsten Dinge, die ich je tun musste, war, Jeff zu sagen: ‚Alter, du bist noch nicht bereit, in SLAYER zu spielen.‘ Wir haben immer wieder versucht, ihn wieder in den Mix einzubauen, weil er von Anfang an dabei war und wir ihn zurückhaben wollten“, erklärte King im Interview mit „Revolver“. „Wir sagten zu Jeff: ‚Weißt du, Gary spielt deinen Gig – und Gary macht keinen Mist. Wenn du so auftrittst, wie du jetzt auftrittst … abgesehen von der Fassade, dass die Leute dich sehen und begeistert sind, dass du da bist, werden sie früher oder später hören, was du spielst – und wissen, dass es nicht so gut ist.‘ Das war eine harte Unterhaltung, ganz sicher.“
Sänger Tom Araya sagte: „Ich sah, was passierte, also wandte ich mich an Jeff und sagte: ‚Beweg einfach deinen Arsch zurück auf Tour. Wir werden alles andere regeln.‘ Aber ich glaube, da hatte er schon aufgegeben. Das muss wirklich schwer für ihn gewesen sein. Jetzt sind wir ohne ihn auf Tournee. Wir machen weiter. Wir haben ihm bewusst gemacht, dass er ein wichtiger Teil der Band war – aber er konnte nicht mehr das tun, was er liebte: vor einem Publikum stehen und auftreten.“
Jeff Hanneman: Tod
Jeff Hanneman starb am 2. Mai 2013 an alkoholbedingter Leberzirrhose. SLAYER schrieb auf Facebook: „SLAYER ist am Boden zerstört, mitteilen zu müssen, dass ihr Bandmitglied und Bruder Jeff Hanneman heute Morgen gegen 11 Uhr in der Nähe seines Wohnorts gestorben ist. Er wird schmerzlich vermisst werden.“ Die Band machte die letzten Jahre ihrer Existenz ohne Hanneman und weiterhin mit Gary Holt weiter, erinnerte bei jeder Show mit einem Banner (Hanneman – still reigning) an ihren verstorbenen Freund und Kollegen. Hanneman war seit 1989 mit seiner Frau Kathryn verheiratet, die er bei einer Show kennenlernte. Das Paar hatte keine Kinder.