Birgit Fuß fragt sich durch: Warum macht Talent nicht glücklich?

Er wollte doch nur spielen! Heute wäre Eddie Van Halen 69 Jahre alt geworden.

Wer möchte nicht etwas Besonderes sein, ein außerordentliches Talent haben? Um andere zu beeindrucken, aber vor allem um sich selbst das Gefühl zu geben, nicht unnötig auf die Welt geworfen zu sein.

Eddie Van Halen gehörte zu den Privilegierten, deren Virtuosität so eindeutig war, dass sich kaum Worte finden lassen dafür. „Ausnahmegitarrist“, ja, aber das gilt auch für einige andere, und neben (oder knapp über) Van Halen spielt eigentlich nur Jimi Hendrix.

Edward Lodewijk Van Halen starb am 6. Oktober 2020, am 26. Januar wäre er 69 Jahre alt geworden. Zeit, ihn noch einmal zu feiern. Bei den „größten Gitarristen aller Zeiten“ wurde Eddie vom US-ROLLING-STONE 2011 nur auf Platz 8 gewählt, 2023 immerhin auf Platz 4 – hinter Jimmy Page, Chuck Berry und eben Hendrix. Wäre für ihn sicher okay gewesen (Eric Clapton, Keith Richards, Jeff Beck und B. B. King hat er jetzt hinter sich gelassen), aber möglicherweise liegt der Wahl ein Missverständnis zugrunde – don’t confuse the musician with the song.

Über Hardrock wird ja immer noch gern die Nase gerümpft. Es war gleich das zweite Stück auf dem Debüt „Van Halen“ (1978), das Eddie Van Halen unsterblich machte: „Eruption“. 1:42 Minuten, und selbst wer keine Ahnung hat, was Tapping ist, wird es hören: So hatte bisher niemand gespielt.

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Vielleicht wäre es für Eddie anders gelaufen, hätte er nicht 1974 den Showman David Lee Roth engagiert. Eine Rockband braucht einen, der sich nach vorne stellt, und Eddie war das nicht. Er wollte einfach nur spielen: „Ich bin nicht wegen des Ruhms dabei, ich bin kein Rockstar – oder jedenfalls nur, weil die Situation eben so ist. Es geht mir allein um die Musik, niemals um etwas anderes.“

Niemand säuft, weil er zufrieden ist

Viele Jahre kämpfte er mit Alkoholismus und anderen Gesundheitsproblemen, während er sehr fleißig war: Er spielte das Solo auf Michael Jacksons „Beat It“ (1982), arbeitete mit allen möglichen Kollegen von Roger Waters bis Frank Sinatra zusammen, baute sich seine Gitarren selbst und inspirierte Tausende von Gitarrist:innen.


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Okay, manchmal frustrierte er sie auch, denn natürlich war er unerreichbar. Aber warum war für ihn anscheinend das Glück unerreichbar? Niemand säuft ja jahrzehntelang, weil er so zufrieden ist. „I found the simple life ain’t so simple/ When I jumped out on that road“, heißt es in „Runnin’ With The Devil“, dem ersten Lied auf dem Debüt.

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Schon die Titel deuten an, dass hier mitreißende Melodien, aber keine philosophischen Meisterleistungen zu erwarten sind: „Ain’t Talkin’ ’Bout Love“, „Atomic Punk“, später „Hot For Teacher“ und „Jump“ (auf „1984“). Mit Sammy Hagar („Why Can’t This Be Love“) und Gary Cherone wurde es nicht viel anders – das Beste an Van Halen war trotz aller Hits immer Eddie. Der bald ein Dauergrinsen aufsetzte, um seine Schüchternheit zu verbergen. Er wollte der Welt seine Musik geben, aber nicht mehr. Das Rampenlicht war ihm oft zu hell. Und dann macht Talent doch nicht per se glücklich, sondern kann auch anstrengend sein. Sich immer beweisen müssen, nie nachlassen dürfen. Und was, wenn die Finger mal nicht mehr wollen?

1995 habe ich Eddie Van Halen einmal interviewt. Als ich ihn danach bat, etwas für meinen besten Freund zu signieren, fragte er, ob der auch Gitarre spiele. Ja, warum? „Tell him to practice. And practice. And practice. That’s all.“

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