Birgit Fuß fragt sich durch: Sollten wir träumen wie Passenger?

Passenger sang davon, mit dem Träumen aufzuhören. Seine Karriere legt das Gegenteil nahe.

Kennen Sie das auch: diese Songs, die einem nie einfallen, wenn es um Lieblingslieder geht, aber über die man sich immer sehr freut, wenn die Random-Playlist sie ausspuckt? Bei mir war das in den letzten zwanzig Jahren recht häufig so bei einem Stück von Passenger – und der hat gerade (ein bisschen zu spät) sein erfolgreichstes Album mit einer Jubiläums-Edition gefeiert, also gratuliere ich mit dem Geständnis: Ich mag Passenger.

„Das ist ja schlimmer als Ed Sheeran“, höre ich manche sagen, „dieses quäkende Monchhichi!“ Aber der Wuschel weiß, wie wichtig Träume sind! Und zufälligerweise sind wir uns da einig – auch mit Bono übrigens. Im jüngsten U2-Song, „Atomic City“, kommt die schöne (von Ellen Johnson Sirleaf geborgte) Zeile „If your dreams don’t scare you, they are not big enough!“ vor.

Große Träume sind nicht abhängig von der Wirklichkeit. Die sah 2012 gar nicht so rosig aus für Passenger. „All The Little Lights“ war schon die vierte LP des britischen Songwriters, der eigentlich Mike Rosenberg heißt, damals 28 war und in Australien wohnte. Far off. Eine Weltkarriere war wahrscheinlich nichts, was ihm realistisch schien. Er hatte tolle Melodien, aber sein Sound war so zurückhaltend, ja unscheinbar wie er selbst. Straßenmusik. Wer würde merken, wie viel Herz sie hat, und das kaufen?

Passenger singt von Liebe und Abenteuern

„Let Her Go“ war dann Nummer eins in fast zwanzig Ländern, auf Spotify wurde die Ballade mehr als eine Milliarde Mal gestreamt. Passengers Themen sind sofort nachvollziehbar, es geht meistens um Liebe und Abenteuer – ob bei „The Wrong Direction“ oder „Life’s For The Living“, bei dem nun Foy Vance mitsingt. Alle Stücke gibt es zum Jubiläum auch in akustischen Versionen – so klingen sie immer noch am besten, sie brauchen gar keine Streicher und kein Trara. Dass bei „Let Her Go“ jetzt Ed Sheeran dabei ist, passt fast zu gut – die beiden haben die unwahrscheinlichsten Karrieren der letzten zwanzig Jahre hingelegt.

Der eine Passenger-Song, der mich jedes Mal kriegt, ist allerdings „Things That Stop You Dreaming“. Wie er da bescheiden und doch bestimmt singt: „Not a lot to show but this book full of sonnets/ And my liver may be fucked, but my heart is honest.“ Was tun damit, wohin mit all den Gefühlen? Wenn wir nicht kriegen können, was wir lieben, lernen wir eben die Dinge zu lieben, die wir haben, reimt er sich zusammen. Und wenn wir nicht kriegen können, was wir brauchen, dann lernen wir, die Dinge zu brauchen, die uns vom Träumen abhalten … Aber genau das hat dieser Mann dann ja gar nicht getan. Er hat weiter geträumt, groß geträumt.

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Zwei Jahre später bilanzierte Rosenberg sein Leben in „27“ vorläufig so: 600 Songs geschrieben, nur
12 davon werden gehört, 87.000 Zigarren geraucht und jede bereut, acht Jahre geschlafen und immer
noch müde, „a whole year of eating and I still lost weight, fuck!“, fünf Freundinnen und fünf Trennungen … und so weiter. „Thirty thousand quid just so I could have a few beers/ Ever-dying old hopes, evergrowing new fears …/ I don’t know where I’m running, but I know how to run/ ’Cause running’s the thing I’ve always done.“


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Und darum geht es doch: nicht stehen bleiben, sondern den Träumen entgegenrennen. Oder zumindest -schleichen. Passenger ist jetzt 39. Er wird immer sieben Jahre älter sein als Ed Sheeran und wohl nie so erfolgreich. Aber er hat sein Herz.

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