George Michael: „Listen Without Prejudice Vol. I“ – Track By Track Review

Ein weiterer Künstler, der vor dem Erfolg flüchten wollte: „Faith“ machte George Michael zum Superstar. Mit dem Nachfolger tat er sich schwer – „Listen Without Prejudice Vol. I“ aber wurde sein bestes Album.

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George Michael: „Listen Without Prejudice Vol. I“ – Track By Track Review

Mit „Faith“ veröffentlichte George Michael die meistverkaufte Platte des Jahres 1987, bis heute setzte er davon schätzungsweise 30 Millionen Einheiten ab. Eine ziemliche Leistung, erschienen in jenem Jahr doch einige andere Megaseller der Dekade. Es gab die soliden Veteranen, Michael Jackson mit „Bad“, Springsteen und sein „Tunnel Of Love“, Prince mit „Sign „O“ The Times“.

Dazu die etablierten Musiker, die mit unerwartet experimentellen Werken neues Revier absteckten. U2 mit „The Joshua Tree“ und Stings „… Nothing Like The Sun“. Natürlich auch die von-Null-auf-Hundert-Newcomer Guns N’ Roses („Appetite for Destruction“) und Terence Trent D’Arby („Introducing The Hardline According To …“). Es war ein dicht gedrängtes 1987.

George Michael, 23, einst pausbackiger Songwriter bei Wham!, übertrumpfte sie alle, wenn auch nicht mit der besten Musik. „Faith“ bot Plastic Soul, erhielt später dennoch den Grammy für das „Album Of The Year“. Der Mann mit der Nietenlederjacke, Aviator-Sonnenbrille und dem akkurat geschnittenen Siebentage-Bart blickte von jeder Plakatwand herab.

Jacke in Flammen

Drei Jahre später, im Video zu seinem neuen Song „Freedom „’90“, lässt George Michael dieselbe Jacke in Flammen aufgehen. Mit dem Nachfolge-Album „Listen Without Prejudice Vol. I“ bestimmte er seinen Abgang von der Bildfläche. Schon das Wimmelbild auf dem Plattencover, Weegees Foto „Crowd At Coney Island“, war ein Ausdruck des Abtauchens.  In Videos wollte George Michael schon gar nicht mehr mitspielen, präsentierte überwiegend Balladen, setzte sich alleine ans Klavier und wagte sich an Indiepop („Something To Save“) und Jazz („Cowboys and Angels“) heran.

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Entstanden ist seine bis heute vielschichtigste Platte. Allerdings eine, mit der der Sänger, wie er später zu Protokoll geben sollte, unzufrieden war. Warum, das weiß nur er. Das angekündigte „Vol. II“ jedenfalls ist nie erschienen. Und „Listen Without Prejudice Vol 1“ verkaufte sich acht Millionen mal – keine Schande.

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Listen Without Prejudice Vol. I: Review Track By Track

1. Praying For Time

George Michaels letzte Nummer-Eins-Single in den amerikanischen Billboard-Charts bewies unfreiwillig passendes Timing. „Praying For Time erschien elf Tage nach Ausbruch des Zweiten Golfkriegs, am 2. August 1990. Für den Song über verfeindete Völker schrieb er einen bis heute berührenden Text. „God’s stopped keeping score /I guess somewhere along the way /He must have let us all out to play  /Turned his back and all god’s children /Crept out the back door“. Keine Wut, eher Entsetzen darüber, dass Gott seinen Glauben an die Menschen verliert. Das offizielle Video (oben) ist quasi eine Art Vorläufer des heutigen schlichten Lyric-Videos, das wie eine Promo zum eigentlichen Clip funktioniert, der noch gedreht werden muss. Aber George Michael trat gar nicht mehr auf.  „Praying For Time“ ist das selten gewordene Beispiel für ein Protestlied, das auch dann glaubhaft ist, wenn ein Star es schreibt.

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2. Freedom! `90

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Zweite Single-Auskopplung und bis heute eines seiner populärsten Lieder, auch wenn „Freedom! ’90“ es nur mit Mühe in die US-Top-Ten schaffte (Platz acht). Der Song hatte viel Inhalt einzufangen, George Michael fährt nach der Bridge gleich zwei verschiedene Refrains hintereinander auf. Auf jeden Fall ist das Stück eine zynische Fortsetzung des Wham-Hits „Freedom!“ von 1985, als der damals 22-Jährige noch mit offenen Augen durch die Welt ging. Hier betrachtet Michael das Showgeschäft als Fressen-oder-gefressen-werden-Milieu, in dem eben Selbstbedienung der einzige Weg des Überlebens ist. Der nicht minder berühmte Clip zeigt seine ikonische „Faith“-Jacke, und wie sie in Flammen aufgeht. Dazu die Supermodel-Starriege der Neunziger um Cindy Crawford, Linda Evangelista und Naomi Campbell. Ein Film also mit stark antiquarischen Wert.

3. They Won’t Go When I Go

Albumtrack drei nimmt das Tempo radikal raus. Im Booklet die Betonung, dass diese Ballade live von George Michael am Klavier eingespielt wurde. Das Original von Stevie Wonder setzte mit seiner Begräbnisstimmung bereits Akzente, Michael arbeitet etwas stärker mit Hall und Echo sowie seiner eigenen, geisterhaften Chor-Stimme, klingt dadurch aber nur noch einsamer – ein meisterhafter Effekt.

Das große Idol Wonder würde Michael im Laufe der Jahre noch öfter beschäftigen; mit Mary J. Blige veröffentlichte er später eine Coverversion von „As“, die es an Intensität mit dem Original aufnehmen konnte. Und so wie jeder große Songwriter hat auch George Michael erkannt, dass es kein Zeichen mangelnder eigener Ideen ist, wenn man mehr und mehr die Lieder der anderen spielt, sondern eine Herausforderung für ihn als Interpreten – der hofft, dass die eigenen Stücke mit den Vorbildern gleichziehen. Auf seiner letzten Tournee 2012 bestand ein Viertel der Setlist bereits aus Covern.

4. Something To Save

Die reduzierte Performance geht weiter, hier stehen die Akustikgitarre, sanft begleitet von Streichern, im Vordergrund. Dazu eines der Hauptthemen des Albums: Zufrieden sein mit dem, was einem im Moment das Schönste ist. Dieser wahrscheinlich unauffälligste Song des Albums streift auch das Thema Selbstmord.

5. Cowboys and Angels

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Nach „Praying For Time“ der zweitgrößte, zweitopulenteste und zweitbeste Song der Platte. Dieser siebenminütige Jazz-Walzer dreht sich um die Irritation, komplett einem Menschen ausgeliefert zu sein, der die eigenen Gefühle nicht erwidert. Im Grunde nimmt „Cowboys and Angels“ auch die Konzerthaus-Atmosphäre der Coverplatte „Songs From The Last Century“ (1999) vorweg. Das Stück sollte sich im Laufe der Jahre zu einem der Favoriten des Sängers entwickeln, es wurde zuletzt auch auf seiner „Symphonica“-Tournee gespielt.