Halbjahresreport 2016: Digital könnte bald physische Tonträger überholen

Kassensturz bei der deutschen Musikindustrie: Die ersten sechs Monate 2016 benennen zwei Shootings-Stars. Verband drängt auf Klärung der Rahmenbedingungen.

Die Musikwelt in Deutschland wird digital. Rund 16 Jahre nach dem ersten Napster-Schock durch böse, illegale Downloads mag das keine sonderlich spannende Aussage sein. Und doch weisen die soeben veröffentlichten Zahlen des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) genau in diese Richtung. Im Gegensatz etwa zu Skandinavien wurden hierzulande über eineinhalb Jahrzehnte rund 70 Prozent der Einnahmen über physische Tonträger erzielt. Dieser Trend scheint gebrochen, liegt doch der aktuelle Anteil 2016 nunmehr noch bei 60,4 Prozent an physischen und 39,6 Prozent an digitalen Verkäufen. Tendenz für Digi & Co: Steigend!

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In toto ist der Umsatz aus den Verkäufen von CDs, Schallplatten, Downloads und der Streaming-Nutzung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um insgesamt 3,6 Prozent gewachsen. Ein weiterer Lichtblick nach der Trandwende im Gesamtjahr 2015.

Stream-Anbieter wie Spotify, Apple Music oder Deezer konnten um satte 88 Prozent zulegen und übertreffen mit einem Anteil von 24,4 Prozent nunmehr deutlich das Download-Geschäft. Bezahlte Downloads steuern von Januar bis Ende Juni 2016 rund 14 Prozent zum Gesamtgeschäft bei.

Wachstum wird zum schmalen Rinnsal

Der zweite (Nischen-)Gewinner ist das Old-School-Segment Vinyl, das heuer „sensationelle“, so der BVMI, 46,2 Prozent zulegen konnte. Das sind 4,3 Prozent vom Gesamtumsatz. Damit scheint sich die Musikwelt in eine Vielzahl der „Nebenbei-Konsumenten“ (die irgendeinen Streaming-Kanal dudeln lassen) und der verschworenen Nische der „Intensiv-Hörer“ (die weiterhin das Werk ihrer Lieblinge in Händen halten wollen) aufzuspalten.

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Der BVMI-Vorstandsboss Dieter Gorny konstatiert dazu: „Mit den aktuellen Zahlen deutet sich an, dass wir sogar noch schneller auf eine verstärkte Digitalisierung zusteuern als bisher angenommen. Gerade weil sich Musik immer mehr in den digitalen Raum verlagert, ist es wichtiger denn je, die Rahmenbedingungen für die Kreativen und ihre Partner schnellstmöglich zu klären und der Realität anzupassen.“

Sein Geschäftsführer Florian Drücke assistiert: „Möglicherweise verursacht das Tempo, mit dem die Digitalisierung einhergeht, dem einen oder anderen Unbehagen. Dennoch sind aus unserer Sicht die Zahlen in doppelter Hinsicht erfreulich. (…) Dieser Transformationsprozess kann allerdings nur erfolgreich weitergeführt werden, wenn nicht nur sichergestellt ist, dass unsere Inhalte auch im Netz vor Urheberrechtsverletzungen möglichst geschützt sind, sondern auch alle Beteiligten fair an den Erlösen partizipieren können. Es geht hier längst nicht mehr um die Zukunft, sondern um die digitale Gegenwart.“

Gerade bei Indie-Bands, Solokünstlern und unabhängigen Labels kommt diese – durchaus erfreuliche – Wachstum der Musikindustrie nur in schmalen Rinnsalen an.

Merke: Was der Industrie nutzt, hilft längst nicht allen Fischen im Teich.

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