Ist „War of the Worlds“ der meistunterschätzte Film von Steven Spielberg?

Im Mittelpunkt der „War of the Worlds“-Kritiken: intellektuell befriedigend, aber ohne den für Actionfilme nötigen Punch.

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Auf keinen Fall, sagte Steven Spielberg, wolle er in diesem „Krieg der Welten“ Angriffe á la Roland Emmerich zeigen. Riesige UFOs auf der ganzen Welt. Präsidenten, die mit ihren Generälen in den War Rooms Modell-Brigaden von A nach B verschieben. Möglicherweise hat der Regisseur sich bei seinem Fokus auf die Kleinfamilie – das Geschehen wird nur aus der Sicht von einem Vater (Tom Cruise) und zwei Kindern gezeigt – ein wenig bei M. Night Shyamalans „Signs“ (2002) bedient. Auch dort wurde das globale Ausmaß des Alien-Überfalls nicht ersichtlich. Dafür stellen die Kinder die Kompetenz ihres Anführers, dem Vater, ständig in Frage.

Nine-Eleven als Allegorie für „Krieg der Welten“

Aber „Krieg der Welten“, der sein 20. Jubiläum feiert und als „Limited Collector’s Edition“ neu aufgelegt wird, funktioniert noch besser als Panorama der Ängste nach 9/11. „Waren das Terroristen?“, fragt die Tochter, als die ganze Stadt pulverisiert wird. Spielberg zeigt brennende Züge. Attacken auf Fähren. Kein Transportmittel in Amerika mehr ist sicher. Nur den Absturz des Passagier-Flugzeugs präsentiert Spielberg – dieser Verweis wäre ihm zu offenkundig gewesen – gnädigerweise nicht (der Rumpf der Maschine wird in den Universal Studios ausgestellt).

Die Außerirdischen erscheinen in den USA, und das bringt die Furcht vor Terroristen am deutlichsten zum Ausdruck, als Schläfer. Ihre Tripods lagern seit Ewigkeiten tief in der Erde. Ihre Piloten warteten auf den richtigen Moment. Die kleinen grauen Männchen greifen nicht aus dem All aus an – sondern buddeln sich aus dem amerikanischen Boden hoch.

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Die Alien-Details sind pointiert. Wir erfahren nicht viel über sie. Ein befremdlicher Schriftzug hier. Und ein ganz klarer Zivilisationsnachteil dort: Als einer der Außerirdischen verdutzt vor einem Fahrrad steht und es dann schließlich dreht, türmt er entsetzt.

Ist „War of the Worlds“ Spielbergs unterschätzter Film?

Ist „War of the Worlds“ Steven Spielbergs meistunterschätzer Film? Sicher, aber diesen Platz teilt er sich wohl mit „A.I. – Artificial Intelligence“ „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ und vor allem „Munich“, der auch im glücklosen Jahr 2005 erschien. Im Mittelpunkt der „War of the Worlds“-Kritiken steht das Ende des Films: intellektuell vielleicht befriedigend, Naturgesetzen folgend, aber ohne den für Actionfilme nötigen Punch.

„War of the Worlds“ zeigt zwei Superstars zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Karriere. Steven Spielberg benötigte im Jahr 2005 dringend einen Box-Office-Erfolg. „A.I.“ aus dem Jahr 2001 war kein Hit, die erste Tom-Cruise-Kooperation „Minority Report“ – in retrospektiven Besprechungen oft als Spielbergs bester Film der Nullerjahre gewürdigt – war 2002 ein mittelgroßer Hit, „The Terminal“ von 2004 ein selbstmitleidiger Film und zum Glück auch kein Hit. Spielberg war der Mann, der in den drei voran gegangenen Jahrzehnten den jeweils erfolgreichsten Film des Jahrzehnts gedreht hatte: „Jaws“ 1975 (zwei Jahre später von „Star Wars“ überrundet), „E.T.“ 1982 und „Jurassic Park“ 1993 (vier Jahre danach kam James Cameron mit „Titanic“). Es wurde wieder Zeit für das ehemalige Wunderkind, etwas zu zaubern.

„War of the Worlds“ spielte rund 600 Millionen Dollar ein, Platz vier der erfolgreichsten Filme des Jahres 2005. Das war nicht mehr als lediglich: okay. Spielberg hatte gehofft, es würde mehr Leute interessieren, wie ausgerechnet er, der Freund der lieben Außerirdischen („E.T.“, „Close Encounters of the Third Kind“) nun mörderische Aliens in Szene setzt. Wenngleich bei „E.T.“ ausgerechnet das liebe Alien zeigt, was dem Menschenkind in seiner Familie fehlt, während es die extraterrestrischen Invasoren in „War of the Worlds“ unfreiwillig schaffen, dass die Cruise-Familie am Ende enger zusammenrückt.

Danach: Cruises Wandel

Im Gegensatz zu Spielberg befand Tom Cruise sich vor 20 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Macht – und nutzte sie aus. Er bereitete sich gemeinsam mit seiner Co-Produzentin Paula Wagner auf die Übernahme von United Artists vor, finalisiert im November 2006. Und er stellte bei den Dreharbeiten von „War of the Worlds“ seine berüchtigten Zelte auf. Bei Premieren und Promo-Events in den USA und Europa wurden Zelte und Info-Stände von Scientology in der Nähe aufgebaut, teilweise direkt im Umfeld der Veranstaltungen. Spielberg soll wütend geworden sein.

Danach geschah etwas sehr Bemerkenswertes. Tom Cruise würde nie wieder mit Regisseuren zusammenarbeiten, die mindestens so einflussreich sind, wie er. Und sich fast nur noch in Spektakelfilmen statt Dramen verausgaben. In Star-Vehikeln, die er überwiegend selbst (co-)produziert, deren Regisseure man kaum noch benennen kann, ja, die fast nur zu existieren scheinen, damit sie seine Stunts abfilmen können. Wer hat „Oblivion“ gedreht, wer „Edge of Tomorrow“, „The Mummy“, „American Made“ und wer „Top Gun: Maverick“? Leute wie Doug Liman und Alex Kurtzman. Statt wie einst Martin Scorsese, Stanley Kubrick, Barry Levinson, Oliver Stone, Ridley Scott – oder Steven Spielberg.

Es hat immer mehr den Anschein, er hangelt sich von IP zu IP: „Mission Impossible“, „Top Gun“. Nur bei den Oscar-Verleihungen ist Tom Cruise nicht mehr zu sehen. Warum auch? Es gibt keine Filme mehr, für die er nominiert werden könnte.

„War of the Worlds“, limitierte 4K UHD Collector’s Edition mit Extras, jetzt im Handel.