Neil Young & The Chrome Hearts in Berlin: Bringt uns Amerika zurück!
Mit seiner neuen Band The Chrome Hearts spielte Neil Young in der Berliner Waldbühne ein friedensbewegtes Klassiker-Set.

Wenn Neil Young vom Frieden spricht, dann meint er damit nicht nur, dass keine Bomben fallen. Es ist eine Einstellung zum Leben, zur Natur, zur Rücksicht auf andere, zur grundsätzlichen Offenheit.
Bei seiner Rückkehr in die Waldbühne in Berlin (zuletzt spielte Young hier exakt am selben Tag vor sechs Jahren) lobt er den „schönen Ort“ – das Singen im Schatten von Bäumen. In einer Welt ohne Klimawandel würde man sie wohl sonnenverwöhnt nennen, aber in der Region hat es seit Monaten kaum geregnet.
Um es vorwegzunehmen: Viel gesprochen hat Neil Young nicht, etwa über das desaströse Amerika unter Trump. Das überlässt er lieber Kollegen wie Bruce Springsteen, der vor wenigen Tagen in der Hauptstadt auftrat. Der Sänger lässt lieber seine Songs wirken. Selbst das Vorstellen seiner Band platziert er später fast wie nebenher noch während des lang anhaltenden Applauses für „Old Man“.
Neil Young und die Chrome Hearts lassen die Gitarren sprechen
Mit dem „Ambulance Blues“ wird es zu Beginn erst einmal andächtig. Wer hätte als Einstieg einen Song aus einem von Youngs düstersten Alben erwartet? Ein Glück für Berlin: So oft gab es das in dieser Fassung nicht zu hören. Ein halbes Jahrhundert lang spielte es der Musiker eigentlich immer ohne Band.
Schade aber: Gleich zum Prolog streikt die Tontechnik. Von so etwas lässt sich der bald 80-Jährige aber längst nicht mehr aus der Ruhe bringen.
Das folgende „Hey Hey, My My (Into the Black)“ gibt dann den Ton vor für ein Set mit vielen Klassikern und nur wenigen Überraschungen. Einer davon ist der rumpelnde „Ragged Glory“-Track „Love To Burn“. Kurioserweise spielt Young mit seinen Chrome Hearts keinen einzigen Song aus dem gemeinsamen Album „Talkin‘ To The Trees“. Sie hätten neben „Cinnamon Girl“ und „Needle And The Damage Done“ vielleicht auch nicht so gut reingepasst.
Dafür bekommt „Be The Rain“ von „Greendale“ eine Chance. Ehrgeizig, aber unelegant nannte ROLLING STONE das Album damals. Das passt auch zum Vortrag des Stücks an diesem Abend. Bei „Southern Man“ stimmt dann jeder Hieb. Wie sich die Chrome Hearts überhaupt auf ein sehr nüchternes Gitarrengrollen verständigt haben, das keinen Crazy-Horse-Schlamm kennt – souverän angeführt von Micah Nelson.
Die Musiker scharen sich auf der großen Bühne nah um ihren Sänger, als spielten sie in einem Club. Nur der große Spooner Oldham sitzt ein wenig entfernt von seinen Kollegen an seinem Tastengerät, manchmal fast regungslos wie eine Statue. Sein großer Auftritt kommt aber bei „Like A Hurricane“.
Noch immer eine fauchende Bestie, schafft es der ungestümste (toxischste?) aller Love Songs wohl selbst noch die Menschen wie einen Blitz zu erfassen, die gerade auf dem Weg sind, sich ein Bier zu holen. Während der Großteil des Sets aus blitzblanken Gitarrenwänden besteht, wird zum Ablöschen immerhin „Harvest Moon“ und die CSNY-Zärtlichkeit „Name Of Love“ gereicht.
Der Abschluss gehört dann selbstverständlich „Rockin‘ In The Free World“, das hier in der Waldbühne in der Vergangenheit, zuletzt auch von Pearl Jam, etwas gewaltiger und ausgewalzter daherkam. Es ist auch eines dieser Lieder, die keinen Grundkurs in Weltpolitik voraussetzen, aber bei dem sich Young mit der kleinen Zeilenänderung „Bring America Back“ dann doch subtil einmischt.
Amerika, so sagt er es mit wenigen Worten deutlich, wurde von Donald Trump und seinen Schergen gestohlen. Nun ist es Zeit, es zurückzuerobern. Wie? Dazu muss man nur ein paar mehr Songs von Neil Young hören – sie gleichen einer Anleitung zurück ans Licht.