Nennt „Oppenheimer“ bloß nicht Biopic, das gefällt Nolan gar nicht

Der Regisseur hat ausführlich erklärt, warum sein neuster Streich viel zu oft als Biopic über den Vater der Atombombe missverstanden wird.

Hollywood macht sich große Hoffnungen, dass der Sommer 2023 in der Geschichte des Kinos als eine Art Umschwungpunkt gelten kann. Nach Jahren des Umsatzrückgangs brachten „Barbie“ und „Oppenheimer“ richtig Geld in die Kasse. Das ist umso bemerkenswerter, als dass in der letzten Zeit vor allem Franchises den Rubel rollen ließen.

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Nun also ein Film über eine weltbekannte Spielzeugfigur und ein Biopic. Nein, halt, laut Christopher Nolan liegt da mit Blick auf seinen Film über die Entwicklung der ersten Atombombe ein krasses Fehlverständnis vor. Denn „Oppenheimer“ sei gar kein Biopic, wie der Regisseur laut „Variety“ bei einer Veranstaltung an der City University of New York darlegte.

Nolan ging dabei vor allem auf die verkürzte psychologische Sichtweise ein, die eine einzelne Figur über ihre Beziehung zur eigenen Familie erklären will.

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Der biographische Blick ist nichts fürs Kino

„In Biografien der Post-Freud-Ära gibt es eine Tendenz, die Eigenschaften der Person, die man beschreiben will, auf das Sosein ihrer Eltern zurückzuführen“, sagte der Regisseur, der vor allem für seine komplexen Erzählhaltungen im Film bekannt ist. „Das ist eine sehr reduzierte Sichtweise auf einen Menschen. Wenn man ein Buch schreibt, das 500 oder 1000 Seiten lang ist, kann man das mit der Individualität und den Erfahrungen der Person in Einklang bringen. Wenn man es komprimiert und auf die notwendige Einfachheit eines Drehbuchs reduziert, ist es aber unglaublich reduzierend.“

Mit anderen Worten: Nur weil eine Person im Mittelpunkt eines Films steht, ist es noch lange kein Biopic. Und das, was der Film mit dem Zuschauer macht (ihn also zum Nachdenken anzuregen über das, was im und um das Leben dieser Figur passiert), passiert nur über die psychologische Ebene, aber nicht ausschließlich durch sie.

Deshalb sei das Biopic für das Kino laut Nolan überhaupt kein „nützliches Genre“. „In diesem Film ist es anders mit den Genres“, so der 53-Jährige. „Hier ist es einerseits der Heist-Film, der sich auf das Manhattan-Projekt bezieht, und das Gerichtsdrama, das bei den Sicherheitsanhörungen ausgerollt wird. Es ist sehr nützlich, sich die Konventionen dieser Genres anzuschauen und zu sehen, wie sie das Publikum anziehen können und wie sie mir die Kommunikation mit den Zuschauern ermöglichen können.“

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Kein nützliches Genre

Um seine These zu verdeutlichen, erklärte Nolan, dass aus diesem Grund auch „Citizen Kane“ und „Lawrence von Arabien“ eben keine Biopics seien. Das eine sei ein Film über das Leben von jemanden, das andere ein Abenteuerfilm. Das Biopic sei deshalb kein „nützliches Genre, genauso wenig wie das Drama ein nützliches Genre ist. Es gibt einem nichts, woran man sich festhalten kann.“

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„Oppenheimer“ – den man natürlich unbedingt im Kino sehen sollte – gibt es für alle, die diesen Sommer anderes zu tun hatten, ab 21. November auch im Stream, als Download oder auf DVD/Blu-ray zu sehen.

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