„OK Computer“ von Radiohead wird 20: Dieses Album macht noch immer glücklich

Zum 20. Jubiläum von „OK Computer“, dem Epochenwerk von Radiohead: Arne Willander rezensierte damals das Album für den ROLLING STONE – ein Wiederhören

Wir hätten es verhauen können. In der spektakulärsten Besprechung der frühen Ausgaben des deutschen ROLLING STONE hatte ein Rezensent, der AC/DC liebte, 1994 über „The Bends“ geurteilt: Die Platte sei scheiße. Eineinhalb Sterne. Das Verdikt war nicht im Einklang mit der öffentlichen und sonst auch keiner Meinung. Aber es war passiert.

Knapp drei Jahre später eilte „OK Computer“ der Ruf voraus, dieses Album sei das Größte seit geschnitten Brot, seit „The Dark Side Of The Moon“, mindestens seit „Animals“. Die Pressemappe von EMI sah aus, wie auch 1997 keine Pressemappe aussah: Es war schon die Beilage zu einer Klassiker-Edition. „OK Computer“ war ein Klassiker in dem Moment, als es erschien.

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„Exit Music (For A Film)“, und der Film war das heute vergessene „Romeo & Julia“ von Baz Luhrman, hatte auf die schiere Majestät, das Traumartige und Glühende, das Schwelende und Schwelgende vorbereitet. „Creep“ war Punkrock im Vergleich mit diesem Mantra. Das dritte Album von Radiohead – ihnen gelang, was Mansun, Cast, Shed 17, Rialto, The Divine Comedy, Supergrass, Marion und Gene und eigentlich auch Oasis nicht gelungen war: die eine Platte, die für immer bleibt.

Man dachte: Wie haben sie das gemacht? Wie ist „Subterranean Homesick Alien“, wie ist „Paranoid Android“ überhaupt MÖGLICH? Die einzige vergleichbare Platte jener Jahre ist das Debüt von Portishead – auch bei ihr kann einem ein Studiofex wahrscheinlich ungefähr erklären, wie sie gemacht wurde. Mit der verspielten Hybris von Progrock-Angebern exekutierten Radiohead diese Stücke: Das können wir. Aber wir erzählen keine Märchen, keine Dystopien, keinen Science-Fiction-Schwurbel. Alles ist Transzendenz. „Fitter, Happier“ sagt: Hier ist Schluss. Ich bin keine Versuchsratte im Käfig.

Monument des Quietismus

Es ist nicht die Überwältigung mit Unbegreiflichem, mit dem Virtuosen der Sound-Architektur und des Spiels, die ans Herz greift – es sind die einfachsten Stücke: „No Surprises“. „Karma Police“. „Lucky“. Sie schwingen sich auf. Sie lassen Raum. Weltraum. Weihnachtsgefühle. „OK Computer“ erzählt von der Entfremdung und dem Moment, in dem alles zusammenbricht und sich ein weißes Rauschen des Friedens auftut, in dem all das Rennen und Bangen und Retten und Flüchten und Ängstigen vorbei ist: „No alarm and no surprises.“ Das Album ist ein Monument des Quietismus, des Tao, des ewigen Moments der Entscheidung. „I feel my luck has changed.“

Bei einem Konzert im Herbst 1997 – wahrscheinlich bei allen Konzerten im Herbst des Jahres 1997 – breitete Thom Yorke die Arme aus, als er „Lucky“ sang. Er konnte fliegen. Wir alle konnten fliegen. Wir alle waren OK. Wir waren eins mit der Zeit, in der wir lebten. Und dieses Gefühl trug 20 Jahre in die Zukunft.

„Creep“ stimmt aber trotzdem.

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