„One Battle After Another“: Paul Thomas Andersons eiskaltes Meisterwerk
Paul Thomas Andersons „One Battle After Another“ ist ein wütender Thriller über Revolution, Familie und Hoffnung in dunklen Zeiten.
Dies sind neugierige und gefährliche Zeiten, in denen wir leben – Zeiten, die Mut und Ausdauer auf allen Ebenen erfordern. Es kann ermüdend sein, selbst wenn man nicht versucht, das Establishment zu stürzen oder den gerechten Kampf längst aufgegeben hat. Paul Thomas Andersons „One Battle After Another“ ist vieles. Ein Gleichnis über Väter und Töchter, ein Verschwörungsthriller für das ICE-Zeitalter, eine Ensemblekomödie, die All-Stars dazu animiert, ihre exzentrische Seite zu zeigen, der vielleicht größte Film von 2025, und weniger eine VistaVision-Adaption von Thomas Pynchons 1990er Roman „Vineland“ als vielmehr eine Verneigung auf dem Weg zu eigenen tiefen Einsichten.
Widerstand als Haltung
Vor allem ist er ein Akt des Widerstands – sowohl im kleinen als auch im großen „R“ – und deutet an, dass er eine Antwort darauf haben könnte, wie wir durch diesen Ansturm gegen unsere besseren Engel hindurchkämpfen. Aber zunächst muss einiges in die Luft fliegen.
Zum Glück hat dieses taumelnde, verschlungene Epos eine Handvoll Leute an Bord, die genau dazu bereit sind. Sie nennen sich „French 75“, eine lose organisierte Truppe selbst ernannter Freiheitskämpfer, angeführt – mehr oder weniger – von Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor). Ihr Ziel: ein Abschiebezentrum in San Diego, das den Auftakt einer Revolution markieren soll. Dafür brauchen sie ein „Statement“. An dieser Stelle kommt „the Rocketman“ ins Spiel: Pat alias „Ghetto Pat“ (Leonardo DiCaprio), Spezialist für Waffen, Sprengsätze und großes Tamtam. Unter dem Schutz der Nacht schleicht sich die Gruppe in das Lager. Pat sorgt für das Feuerwerk, eine Inszenierung, die Perfidias Mantra unterstützt: „Free borders, free bodies, free choices and free from fuckin’ fear!“ Der Satz gilt auch für die Szene selbst, die Anderson wie ein Miniatur-Spektakel choreografiert. Nach zehn Minuten ist der Film schon im vollen Galopp.
Ein Gegenspieler betritt die Bühne
Währenddessen muss Perfidia den Verantwortlichen ausschalten: Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn). Ein knallharter Machtfanatiker – nicht nur im übertragenen Sinn, Lockjaw ist in erigiertem Zustand, als wir ihn kennenlernen – der es persönlich nimmt, in seinem eigenen Gefängnis eingesperrt zu werden. Der Mann mit dem schlechten Alt-Right-Haarschnitt ist ein Neo-Nazi, erkennt in Perfidia aber eine ebenbürtige Kämpferin. Zwischen Hass und Begierde entsteht ein giftiger Sog. Lockjaw schwört auf Wiedersehen – und hält Wort. Er bildet später ein Dreieck mit Perfidia und Pat, das in einem Baby, einem missglückten Banküberfall und Perfidias Aufenthalt im Zeugenschutz endet, bevor sie spurlos verschwindet.
Dies ist lediglich das Vorspiel, ein Appetizer, um Bühne und Einsätze zu definieren. 16 Jahre später – die Stimme aus dem Off sagt, „die Welt hat sich kaum verändert“ – ist Perfidia noch immer untergetaucht. Pat lebt nun als „Bob“ im fiktiven nordkalifornischen Städtchen Baktan Cross, hat sich ins Underground zurückgezogen und seine Tochter großgezogen. Das Baby ist inzwischen die Teenagerin Willa (Chase Infiniti), die im Dojo Kampftechniken trainiert, während im Hintergrund Steely Dans „Dirty Work“ läuft.
Musik als Waffe
Ein kurzer Exkurs zur Musik: Johnny Greenwoods Score ist perfekt abgestimmt auf Andersons Vision eines zerrissenen Amerikas und den unablässigen Rhythmus der Erzählung – mal als orchestraler Streicherschwall, mal als einsam hämmernder Pianoton, der maximale Spannung erzeugt. Anderson und Greenwood haben eine kreative Partnerschaft wie Spielberg/Williams oder Hitchcock/Herrmann. Und dann gibt es da noch die Needle-Drops: Die Szene zu Steely Dan erinnert daran, dass dieser Regisseur schon „He Needs Me“ in „Punch Drunk Love“ meisterhaft platzierte und in „Boogie Nights“ eine ganze K-Tel-Compilation an Hits ausspielte. Niemand versteht den Einsatz von Popmusik im Film besser.
Lockjaw hingegen versucht, über den „Christmas Adventurers’ Club“ in die Kreise der elitären Strippenzieher aufzusteigen, die sich eine Welt „rassischer Reinheit“ wünschen. Doch zuerst muss er Bob und Willa finden. Mit Soldaten und schwerem Gerät im Rücken – teils von Milizen, teils womöglich vom US-Militär – zieht er in den Kampf. Penn spielt Lockjaw wie eine menschgewordene Faust, steif und voller Abscheu. Es ist eine Darstellung zwischen Karikatur und schmerzhaft realistischer Offenlegung. Ein spätes Meisterstück und Beweis, dass Penn noch immer zu den Größten gehört.
Familienbande und Staatsgewalt
Damit ist die Oberfläche des Stoffes kaum angekratzt: Väterfiguren und Despoten, geheime Netzwerke und Staatsgewalt, Fluchtrouten und Kriegsspiele. „One Battle After Another“ verbindet DiCaprios fiebrige Darstellung eines paranoiden Vaters mit stillen Nebenrollen von Regina Hall und Benicio Del Toro. Und immer wieder blitzt Thomas Pynchons Vorlage auf, etwa im bizarr-komischen Nonnenkloster „Sisters of the Brave Beaver“. Anderson zeigt seine Virtuosität besonders in den Parallelmontagen rivalisierender Lager vor einem Überfall oder in atemlosen Autoverfolgungen. Doch nie geht es um Effekte – immer um die Geschichte.
In dieser Mischung aus Familiengeschichte und Gesellschaftskritik steckt auch eine Absage an die Idee, Kino sei ein Relikt. Anderson versucht, maximal intim und gleichzeitig episch zu erzählen. „One Battle After Another“ ist das Gegenteil eines sanften Fade-outs – es ist ein Aufschrei, dass Filme lebendig und notwendig sind.
Zeitlos und doch im Jetzt
Anderson hat Pynchon schon in „Inherent Vice“ adaptiert und dessen absurden Humor eingefangen. Hier benutzt er die Vorlage als Sprungbrett, um eigene Obsessionen zu bearbeiten: Empathie und Wut. Während Vineland in den 1980ern spielt, hebt „One Battle After Another“ die Handlung aus der Zeit. Das Resultat ist ein „perpetual present“ – eine ewige Gegenwart, die schmerzhaft nah an Amerika heute liegt. Deshalb wirkt die erste Hälfte wie ein Aufruf zum Aufstand, während die zweite die Erschöpfung des endlosen Kampfes spürbar macht.
Und doch bleibt Hoffnung. In den Hügeln Nordkaliforniens, zwischen Gemeinschaft und Fürsorge, deutet der Film auf die Antwort: Man kämpft mit Liebe. Das ist Andersons Endgame. So bewahrt man Würde und Verstand, so schützt man die Zukunft und verändert sie. So lebt man, um eine weitere Schlacht zu schlagen.