Queen: Darum war ihr Live-Aid-Konzert nicht wirklich spektakulär

Der Auftritt von Queen bei Live Aid 1985 widersprach vielem, was das Benefiz eigentlich groß machen sollte: Das Kurzkonzert war ein straffes Medley von Riesenhits – ohne Spontanität und Wagemut.

Das Finale von „Bohemian Rhapsody“, der 20-minütige Auftritt 1985 bei „Live Aid“, damals wie heute von den meisten als Höhepunkt des Star-gespickten Festivals gefeiert, steht für Schönheit und Macht, aber auch für den Kontrollzwang von Queen. Zunächst war es tatsächlich so, wie der Film zeigt: Die Soundwellen von Mercurys prächtiger Stimme wurden in der TV-Übertragung sichtbar, sie schwappten im Bildschirm als Lichtstreifen durch die unzähligen Publikumsreihen.

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Aber Queen demonstrierten beim Hit-Medley auch Verzweiflung. Eine mangelnde Möglichkeit Neues zu wagen, anders als etwa U2, die für ihr Set improvisierten, oder Phil Collins und Sting, die erstmals im Duett auftraten, anders auch als das gemeinsam auf der Bühne stehende, wenn auch fehlerhaft (in Philadelphia) abliefernde Gitarren-Trio Dylan, Richards und Wood. „Live Aid“ war auf spektakuläre Allstar-Inszenierungen ausgelegt – aber auch auf Neuland, technisch und erzählerisch. Es standen Begegnungen im Mittelpunkt, die sich kaum kontrollieren ließen; Bonos ausufernder Tanz mit einem Fan führte sogar dazu, dass ihnen die Zeit für ihren größten Hit fehlte, „Pride (In The Name Of Love)“, der fest eingeplant war. Aber es spielte auch keine Rolle. Denn „Live Aid“ war eben nicht dazu gedacht, sich mit möglichst vielen Klassikern in möglichst kurzer Zeit ins Rampenlicht zu schieben.

Wie ein hastiger Showcase

Queen dagegen probten hart, wollten alle Gassenhauer unterbringen und inszenierten eine nicht spontane, verkürzte Version eines ihrer jüngsten „The Works“-Tourneekonzerte. Der Auftritt wirkte wie ein kompakter, vielleicht sogar hastiger Showcase, nicht für „Live Aid“, sondern für die eigene Sache. 1985, nach Mercurys missglücktem Versuch einer Solokarriere, brauchte die Band nicht nur dringend Support von außen, sondern auch die Rückversicherung, dass ihre „Greatest Hits“ sie noch immer motivieren.

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Im „Bohemian Rhapsody“-Film:

Der Festival-Auftritt wurde als eindeutiger Karrierehöhepunkt herausgearbeitet, musste den Schlusspunkt der Erzählung im Kinofilm bilden – alles andere Essentielle musste also voran platziert werden. Was bedeutet, dass einige Datumsfehler in „Bohemian Rhapsody“ eingeflossen sind, die nicht nur Experten auffallen.

Vieles, was zum Teil erst Jahre später nach dem Festival 1985 stattfand, wird dem großen Ende vorangestellt. Zum Beispiel die HIV-Diagnose. Mercurys Gang im Krankenhaus-Flur erscheint dabei als Licht- und Schattenspiel, als Lightshow, inszeniert wie ein George-Michael-Musikvideo von Tony Scott. May und Taylor schien es auch wichtig gewesen zu sein, die Bandmitglieder noch vor „Live Aid“ von Freddies HIV-Infektion erfahren zu lassen, deren einfühlsame Reaktionen zu zeigen. In Wirklichkeit kam Aids erst rund um das letzte Album „Innuendo“ von 1991 zur Sprache.

Queen mussten sich eigentlich gar nicht aufraffen

In „Bohemian Rhapsody“ wirkt es so, als führten Freddies Solopläne 1985 zur Auflösung der Band, die erst kurz vor Live Aid im Juli wieder zusammenfand. Dabei fühlten sich nach der „The Works“-Tour alle vier ausgebrannt. Dennoch zeugt die Diskografie von Queen von kontinuierlich veröffentlichter Musik: Auf „The Works“ 1984 folgte 1986 „A Kind Of Magic“.

Live Aid ist demnach auch keine Reunion gewesen. Schon nach „The Works“ gingen Queen 1984 auf ausgedehnte Tournee, spielten neue Hits wie „I Want To Break Free“ und „Radio Ga-Ga“.

Das letzte Konzert vor Live Aid fand gerade mal acht Wochen zuvor statt. Es gab also keinen Grund, sich „wieder in Form spielen zu müssen“, die Musiker waren vor dem Charity-Event perfekt eingespielt.

Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass Queen ihr Set derart effizient abspulen konnten.

Mike Cameron Redferns

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