Politik & Alltag

Rassismus, Sexismus, Terror, Trump: 2016, Du Scheißjahr!

Rückblick: Warum es nicht schlimm wäre, 2016 einfach zu streichen

Ob man Kindermusi­cals nun mag oder nur zähneknirschend erträgt: „Der kleine Tag“ von Wolfram Eicke ist eine irre Geschichte um einen Tag, der frustriert ist, weil an seinem Datum anscheinend nichts Relevantes auf der Erde passiert. Später bekommt er aber (in bester Kindermärchenmoral) heraus, dass er doch etwas ganz Beson­deres ist: Am kleinen Tag geschah nämlich auch nichts Schlimmes! Ein Datum ­ohne Krieg, ohne eine Katastrophe, ohne Hungers­not. Niemand starb, niemand hatte einen Unfall, niemand ballerte in einer Fußgängerzone herum.

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Irgendwie erinnert dieses komische zurück­liegende Jahr mich an die Geschichte vom kleinen Tag – in einer absoluten Negativ­version. Ein geradezu gruselig relevantes Jahr war das! Mit allen Arten von Katastrophen, vor denen man sich in seinen Albträumen fürchtet. Mit offenem Rassismus, der sich wie ein Parasit im Parteienkostüm in die Gesellschaft frisst. Mit Unbarmherzigkeit gegenüber Flüchtlingen, die sich in politischem Weg­schaffen und gesellschaftlichem Gejammer äußert. Mit Naturkatastrophen und Putsch­versuchen. Mit Nölerei gegen den angeblichen Gleichheitswahn und gleichzeitigem sexistischen Konsens, der dann auch noch fremdenfeindlich ausgeschlachtet wird.

Cohen, setz die Trump-Maske ab!

Dass das Jahr mit dieser vermaledeiten Silvesternacht anfing, die sich seitdem in den ebenfalls kaum zu ertragenden Begriffen „vor Köln“ und „nach Köln“ niederschlägt, hatte den Weg geebnet. Mit einem unfassbaren US-amerikanischen Wahlkampf und der dazugehörigen Karikatur eines Politikers, die wie einem Sacha-Baron-Cohen-Film entsprungen scheint. (Ich warte immer noch darauf, dass Cohen die Trump-Maske absetzt und alles zugibt. Oder Jan Böhmermann, das wäre genauso schön. Aber der hatte in diesem Jahr bekanntlich für weitere Witzchen nicht viel Zeit.)

Mit schweren politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die die Uneinigkeit der EU demonstrieren (Brexit, CETA). Mit einem nicht enden wollenden Krieg in Syrien. Und mit einem solch großen individuellen Hass- und Gewalt­vorkommen, dass Wikipedia „Terror­anschläge (Auswahl)“ über die Liste schreibt. (Stand Ende Oktober: 17 für Wiki­pedia relevante, dazu noch vier „Weitere Anschläge“).

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Konnte dieses blöde Jahr denn wenigstens die Kultur beflügeln? Nun, es hat eher viel zu früh viel zu viele jener Kreativen eingesackt, die darum jetzt auch nichts mehr geraderücken können.

Ent2016ifizierung der Geschichte

Ich wollte eigentlich vorschlagen, das Jahr 2016 aus dem Ewigen Kalender zu streichen. So wie die Sitzreihen und Bahnwaggons mit der Ordnungsnummer 13. Eine Ent2016ifizierung der Geschichte. Allerdings habe ich nach reiflicher Überlegung festgestellt, dass das auch nichts bringt. Dieses verdammte Jahr lässt sich nicht ausradieren, denn seine Folgen werden für immer spürbar sein. So ist das eben mit dem Raum-Zeit-Kontinuum. Vielleicht sollte man deshalb zumindest ein neues Sprichwort, einen passenden Unkenspruch generieren. Statt Prince’ (auch so ein 2016-Opfer) „Tonight I’m ­gonna party like it’s 1999“, statt Guy Fawkes’ „Remember, remember!/ The fifth of November“ vielleicht: „So ugly, so ­mean: 2016“ oder „The worst year I’ve ­seen: 2016“ oder „A year that shouldn’t have been/ The ­year 2016“.
Oder, ganz klar als Warnung: „2016, lass mich in Ruh!/ Komm bloß nicht wieder/ Sonst spamm ich dich zu!“ Oder: „2016, komm nie wieder/ Sonst streck ich dich per Fausthieb nieder!“

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Und wem das immer noch nach Samthandschuhen klingt: „Geh scheißen, du Scheißjahr!/ Dass du nichts verschonst/Werd ich nicht vergessen/ Ich weiß, wo du wohnst!“

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