Bernadette La Hengst

„Visionäre Leere“ – Gitarren blühen

Trikont (VÖ: 10.11.)

Beschwingter Soul-Pop mit beherzten Parolen für die Zukunft

Wenn Polarisierungs-Hetzer, die als Politiker firmieren, Zukunftsangst und Realitätsverweigerung schüren, tut so ein Lied schon gut. „Gib mir meine Zukunft zurück!“, fordert Bernadette La Hengst gleich mal, als Sängerin sympathisch überfordert. Die Semi-R&B-Ballade ist weniger ein wütender Appell als ein wohltemperierter Versuch, die Geister der Vergangenheit zu bannen, um „Säulen der Erinnerung in meinem Muttermal und in jedem Ritual, in jeder neuen Idee und in allem, was ich noch nicht sehe“ zu errichten.

Und die Gitarre blüht dann auch schon irgendwann

Das Soulig-Poppige (oder andersrum) bleibt eine auch mal üppiger ausgestattete Sound-Grundierung auf dem Nachfolger von „Wir sind die Vielen“ (2019), etwa im beschwingten Trennungslied „Ich gehöre niemandem außer mir“ oder im Mamablues“, der sich just verflüchtigt in freudiger Erwartung der neuen Zeit, die gerade aufscheint. „Systemrelevant“ rappt dann auch mal Agit-Pop-mäßig durch die Gegend, um einen viel strapazierten Begriff zu dekuvrieren. „Gender aller Länder, vereinigt euch!“, empfiehlt La Hengst mal banal in der orchestrierten Klavierballade „Sie ist wie eine Utopie“.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Forscher Sixties-Sound passt am besten zur Vox Apache auf dem Cover und begleitet die Frauen, die es schon geschafft haben auf der „Allée de la liberté“, von Dolly Parton bis Nina Hagen. Doch La Hengst feiert auch die Lausitz, Patin des Albumtitels, und versichert ungewohnt pathetisch: „Ich verliere mich im Zählen der Narben auf deiner Haut.“ Für „Tanzen mit den Gespenstern“ spinnt sie den Electro-Kraut-Groove des Vorgängers weiter, „Runterfahrn“ beschert ihr hoffentlich keinen Copyright-Streit mit den in dieser Hinsicht ja sensiblen Kraftwerk.

Mehr zum Thema
Bernadette La Hengst: „Ich schwanke zwischen Hoffnung, Euphorie und innerer Leere“

Das schon immer dumme „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ variierend fragt Bernadette La Hengst am Ende: „Was nehm ich mit, wenn es Krieg gibt?“ Das wirkt larmoyant, so von den Elbbrücken aus in den Raum gestellt, ist aber vielleicht auch unvermeidlich in dieser Zeit. Womöglich einfach nur ein Lied, denn wo sie das singen könne, sei sie auch daheim. Und die Gitarre blüht dann auch schon irgendwann.