Charlotte Brandi

„An den Alptraum“ – Frei und furios

Listenrecords (VÖ: 10.2.)

Die Multiinstrumentalistin brilliert jetzt auf Deutsch.

Wo ist der Weg? Da, wo die Angst lauert. Charlotte Brandi enttarnt, entmachtet, entschärft sie – für sich selbst, aber auch für alle, die mutig genug sind zu folgen. Dass sie dabei nie keifend, sondern ergreifend und lindernd klingt, dass ihre Stärke in der Klarheit des Filigranen, aber auch in der würdevollen Präsenz und Präzision ihrer Sprache liegt, macht „An den Alptraum“ zu einem Juwel. Beunruhigend und betörend zugleich.

Beunruhigend und betörend zugleich

Ende 2020 veröffentlichte die Wahlberlinerin, die sich bereits mit ihrem Indie-Pop-Duo Me And My Drummer hervorgetan hatte, eine ähnlich kolorierte EP: „An das Angstland“. Ein Jahr nach ihrem famosen Debüt, „The Magician“, war dieser Liederreigen aus dem Kaleidoskop des Weiblichen nicht minder zauberhaft, darunter das Duett „Wind“ mit Tocotronic -Sänger Dirk von Lowtzow. 2021 spielte die Multiinstrumentalistin auf Danger Dans „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ Akkordeon.

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Brandis zweites Soloalbum beginnt ganz ohne instrumentale Begleitung. Im erhabenen Eröffnungs-Choral „Der Ekel“wird ein von der Protagonistin zunächst selbstzweifelnd interpretierter Makel schließlich als männliche Schwäche entlarvt: „Deine Antipathie hat mich lange erstaunt/ Jetzt ergibt alles Sinn: Du hast einfach Angst vor Frauen!“ Diese elf Stücke eignen sich als heilsame Expositionstherapie, denn sie sind ausschließlich unter Beteiligung von Frauen bzw. weiblich gelesenen Personen entstanden, inklusive Gastgesang von Stella Sommer („Vom Verlieren“).

Mal zart und zerbrechlich, mal kraftvoll-vehement

Brandi findet die idyllischsten Melodien, zwischen couragiertem Chanson und cleverem Art-Pop. Sie klingt mal zart und zerbrechlich, mal kraftvoll-vehement, immer mit furiosem Facettenreichtum und im herausragenden „Wien“ auch noch mit selbstironischem, burschikosem Schmäh („Du bist so unsicher/Wie all die andern Deutschen auch“). Eines der Lieder heißt „Frau“ und ist ein eskapistisches Manifest, das zur Befreiung aus alten Rollenbildern aufruft. Wenn’s uns Platten wie diese beschert, ist es ausnahmsweise ein großes Glück, dass solche Themen immer noch notwendig sind.