The Libertines
„Up The Bracket“
Beggars (VÖ: 21.10.)
Deluxe-Box zum 20. Jubiläum des Wunderwerks
Womöglich entspricht dieser Deluxekasten zum 20. Jubiläum des Albums nicht dem Geist der Platte selbst: eine Remaster-Version des Albums, zwei CDs mit Live-Versionen, Demos, BBCSessions, zwei Singles – „Up The Bracket“ und „Time For Heroes“ – in farbigem Vinyl, eine Kassette mit „frühen Demos“ und ein 60-seitiges Buch. Das Album als Vinyl gibt es natürlich auch – das genuine Medium für das Schrammelmeisterwerk. Oder sagen wir so: Teile dieses Angebots entsprechen den Libertines.
Mehr als genug
Im Jahr 2002 erschütterte die schepperige Schnodderig- und Straßenköterhaftigkeit dieser Bengel aus London aufs Schönste. Ältere Punk- Adepten schwelgten ergriffen in der rabiaten Emotion ohne Schnickschnack, und junge Bewunderer der Strokes musste einsehen: Die Amerikaner hatten englische Konkurrenten, die mindestens so gut waren. Es war wohl eine Frage der Tonart oder der Landsmannschaft, ob man das eine oder das andere Debütalbum mehr liebte.
Mick Jones von The Clash produzierte die rohen, übermütigen, ja überschnappenden Schepperlieder von Pete Doherty und Carl Barât, das heißt: er produzierte sie eben nicht. Die schiere Wucht und Räudigkeit dieser blitzschnellen Songs ist auch in dieser lustig musealen Edition atemnehmend. Seit den La’s und, ja, Oasis gab es nicht so wundervollen, ganz und gar ungebärdigen und wild mäandrierenden Melodienzauber. The Jam, The Clash, der frühe Elvis Costello schwingen in den herzzerreißenden Songs mit, die alles niederreißen.
Sogar Gitarrensoli vertragen sich mit den manchmal zweistimmig vorgetragenen, nur scheinbar trunkenen Gesängen. Der sardonische Pete Doherty hatte neben autobiografischen Stehsätzen wie „Boys In The Band“ und „Radio America“ auch schon frühweise Betrachtungen im Programm: „The Good Old Days“, fast eine Ballade. Die Libertines machten noch eine großartige Platte, trennten sich, kamen wieder zusammen, waren nie mehr so gut. Aber das ist mehr als genug.