The Look Of Love :: Regie: Michael Winterbottom
Am Ende ist alles Pop – Michael Winterbottom erzählt die Geschichte des britischen Sexunternehmers Paul Raymond.
Geld und Sex sind die härtesten und wirkungsvollsten Währungen in modernen Gesellschaften. Und sie folgen im Film einer vergleichbaren Logik von Begehren und Macht. Die Geschichten beginnen fast immer mit einem Versprechen und enden letztlich in Abhängigkeitsverhältnissen, die eine unheilvoller Eigendynamik entwickeln. Wenn es ums körperliche Begehren geht, verdeckt manchmal der dünne Schleier der Romantik die Machtverhältnisse, aber wenn sich die Fiktion erst auf die Wirklichkeit beruft, sind es meist eher die menschlichen Abgründe, die die Erzählung von sexuellen und ökonomischen Abhängigkeiten vorantreiben.
Der britische Regisseur Michael Winterbottom interessiert sich, wenn man den umtriebigen Filmemacher überhaupt auf ein paar Themen und Motive reduzieren will, vor allem für Systeme, die bis weit in die gesellschaftliche Realität hineinwirken – sei es der staatliche Unterdrückungsapparat in „The Road To Guantanamo“ oder das ekstatische Transzendenzversprechen des Pop in „24 Hour Party People“. Ausgangspunkt seiner Erklärungsmodelle ist dabei immer die biografische Erfahrung. „The Look Of Love“ macht da keine Ausnahme, nur dass Versprechen und Abhängigkeit in Winterbottoms neuem Film schicksalhaft ineinanderkippen.
Paul Raymond (mit linkischer Unerschütterlichkeit von Steve Coogan verkörpert) war im Nachkriegs-England eine der bekanntesten Figuren des öffentlichen Lebens. Seine Biografie lässt sich mit der Beate Uhses oder der von Playboy-Gründer Hugh Heffner vergleichen. Ende der Fünfziger eröffnete Raymond den ersten Stripclub im Londoner Westend, Mitte der Siebziger gehörte er dank des auflagenstarken Männermagazins „Men Only“ zu den erfolgreichsten Verlegern Großbritanniens. Raymond verdiente Geld mit Sex, doch eigentlich lag seinem Unternehmertum eine eigenwillige Auffassung von Protestantismus zugrunde: Erfolg rechtfertigte letztlich jede Schweinerei – ob Ehebruch, Erregung öffentlichen Ärgernisses oder der eigenen Tochter eine Hauptrolle in einer seiner Nacktrevues zu verschaffen.
Es bedarf schon eines verhinderten Narzissten wie Coogan, dieser Figur sympathische Seiten abzugewinnen. Der hat sich seine Meriten in der Rolle des größenwahnsinnigen Provinzradio-DJs Alan Partridge verdient, ein Hang zur Selbsterniedrigung gehörte also schon früh zu seinem dramatischen Repertoire. In „The Look Of Love“ geht er sogar noch einen Schritt weiter als mit seiner Darstellung des Factory-Labelchefs und „Madchester“-Impresarios
Tony Wilson in „24 Hour Party People“, weil Raymond – im Gegensatz zu Wilson – kein besonders schützenswertes Kulturgut hinterlassen hat außer einigen Herrenwitzen und deftigen Anekdoten. „Ein normales Leben ist für normale Menschen“, erklärt Raymond im Film einmal seiner kurzzeitigen Liebschaft Fiona Richmond, die sich mit einer schlüpfrigen Kolumne in „Men Only“ („In 80 Lays Around The World“) einen Namen machte.
Dieses Selbstverständnis beschreibt bereits ganz trefflich, was Winterbottom an Raymond primär interessiert. „The Look Of Love“ demonstriert ästhetisch versiert (vom psychedelischen Blubbern der Swinging Sixties bis zur entsättigten Pop-Depression der Thatcher-Jahre), wie ein geiler Egomane systematisch die Begrenzungen eines „normalen Lebens“ überschreitet. Seinen unehelichen Sohn schickt Raymond nach einem peinlich-berührten Wiedersehen mit einem Schulterklopfen nach Hause, seiner schwangeren Tochter Debbie legt er dafür im Kreißsaal eine Line Koks gegen die Wehen. Raymonds Beziehung zur Tochter, die zu jung an einer Überdosis Heroin starb, dient in „The Look Of Love“ als Prisma, um den Blick auf dieses monströse Lebenswerk zu schärfen. Doch Winterbottoms Verständnis von Systemen ist besser als sein Gespür für Figuren, was ihn unter den zeitgenössischen Filmemachern allenfalls zu einem ausgezeichneten Handwerker macht.
Die Doppeldeutigkeit des Filmtitels ist daher trügerisch. Winterbottom geht es eher um den „Look Of Love“ als den „Look Of Love“. Raymond schließt die Systeme von Geld und Sex zu einem Warenkreislauf kurz, und Winterbottom schwelgt darin, das Zeichenhafte dieses Prozesses zu illustrieren: die Musik, die Pornografie, die Verschwendung, Raymonds pompöses Liebesdomizil (übrigens von Ringo Starr eingerichtet). Und die Frisuren. Coogan trägt in „The Look Of Love“ eine eindrucksvolle Bandbreite an Frisuren zur Schau, bis schließlich die Eitelkeit der Darstellung kaum noch von der Eitelkeit des Dargestellten zu trennen ist. Winterbottom will nicht sich so recht zwischen Travestie und Kolportage entscheiden. Im Zweifelsfall kann man das aber immer auch unter Pop verbuchen.