Robert Bell von Kool & The Gang: „Die Songs halten mich am Leben“
Ein Gespräch über unsterbliche Musik, den Verlust von Bandkollegen und ein Leben für den Funk.
„Es ist ein Segen – mehr kann ich dazu nicht sagen“, sagt Robert „Kool“ Bell. Ein Segen, mit seiner Band seit Jahrzehnten auf der Bühne zu stehen, während andere Gruppen nicht einmal zwei Jahre überleben. „Manche nicht mal eine Woche“, sagt er. „Unsere Eltern haben uns gesagt: Was auch immer ihr tut – bleibt als Familie zusammen.“
Kool war gerade einmal 14 Jahre alt, als er gemeinsam mit seinem Bruder Ronald die Band Kool & The Gang gründete. Seitdem haben sie unzählige Male die Welt bereist, sind in jeder Zeitzone aufgetreten – und erreichen auch nach einer über 50 Jahre alten Bandgeschichte Fans über jede Altersgrenze hinaus.
Seine eigene musikalische Reise begann in der Schule. „Als ich aufgewachsen bin, hatten wir Musikunterricht“, erzählt er. „Ich habe die Geige ausprobiert – mochte ich nicht. Dann das Cello – auch nicht meins. Dann gaben sie mir ein Mellophon. Das ist so was wie ein Horn.“ Er grinst. „Bin damit rumgelaufen – mit aufgeplatzter Lippe.“ Schließlich landete er beim Bass. „So hat alles angefangen.“

Kool & The Gang – das sind keine Songs, das sind Klassiker. Einer ihrer größten: „Celebration“. Die Zeile „This is your night. Come on, let’s all celebrate“ wurde zur weltweiten Einladung – ob auf Bühnen, bei Siegerehrungen oder im Radio. Auch „Ladies Night“, inspiriert von Nächten im Studio 54, gehört zum festen Repertoire moderner Popgeschichte.
Die Band wurde mehrfach geehrt: Drei American Music Awards als beste Soul/R&B-Gruppe, ein Stern auf dem Hollywood Walk of Fame (2015) und die Aufnahme in die New Jersey Hall of Fame (2019) und die Songwriters Hall of Fame (2018). Einen Grammy erhielten sie für ihre Mitwirkung am „Saturday Night Fever“-Soundtrack – ihr Song „Open Sesame“ war Teil des legendären Albums.
Die Aufnahme in die Rock & Roll Hall of Fame? Sie kam spät. Ganze drei Jahrzehnte dauerte es, bis Kool & The Gang offiziell geehrt wurden – trotz Millionen verkaufter Platten und Kollaborationen mit Größen wie Elton John, Rod Stewart oder Van Halen. „Sie haben uns dann schließlich doch ein bisschen Liebe gegeben“, sagt er. „Und ich bin nicht böse – ich glaube, das Timing war genau richtig.“

„Die Songs sind meine Babys. Sie halten mich am Leben.“
„Unsere Songs sind überall“, sagt Kool. „Cherish“ läuft auf Hochzeiten, „Celebration“ bei Super Bowl und Fußball – überall, wo gefeiert wird. „Get Down On It“ und „Hollywood Swinging“ sind feste Größen im US-Sport, „Summer Madness“ wurde von Will Smith gesampelt – der Track brachte ihm Platin und, wie Kool sagt, „machte ihn zum Filmstar“. Ob er sich jemals an seinen eigenen Songs sattgehört hat? „Nein. Das sind meine Babys. Meine Kinder. Wie könnte ich jemals müde werden, sie zu hören? Sie halten mich am Leben.“
Was den Spaß am Performen über Jahrzehnte hinweg am Leben hält? „Es sind die Menschen. Die Leute, für die wir spielen – das macht’s aus. Sie wollen uns sehen.“

Dass ihre Musik so viele Jahrzehnte überdauert, sieht Kool als Geschenk. Und er weiß, wie besonders das ist – gerade, weil sie heute noch von einer Generation gefeiert wird, die bei der Bandgründung nicht einmal geboren war.
„Solange die Menschen uns sehen wollen, machen wir weiter“
Alles begann mit Farbdosen. In Youngstown, Ohio, bauten Robert und sein Bruder Ronald als Kinder ihre ersten Bongos aus leeren Konservendosen. Sie reinigten das Blech, bemalten die Außenseiten in Holzoptik – und spielten stundenlang darauf. Als die Familie später nach Jersey City zog, konnten sie sich echte Instrumente leisten. Gemeinsam mit Freunden gründeten sie The Jazziacs – die Keimzelle von Kool & The Gang. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben Kool und seinem Bruder auch Robert „Spike“ Mickens und Dennis „D.T.“ Thomas, später kamen George „Funky“ Brown, Ricky West und Charles Smith (auch bekannt als Claydes) hinzu.
Heute, Jahrzehnte später, steht Kool mit einer neuen Formation auf der Bühne. „Ich nenne sie die Magnificent Ten“, sagt er. Nach der Corona-Zwangspause feierten sie ein Comeback auf Europas großen Bühnen. „Leute fragen: ‚Machen die das wirklich immer noch?‘ – Ja, tun wir. Und wir bringen alles mit: Produktion, Energie, das volle Programm.“ Für Kool ist klar: Solange die Menschen sie sehen wollen, machen sie weiter. Mit allem, was dazugehört.

Doch hinter dem Rampenlicht gibt es auch Momente des Verlusts. Kool ist das einzige noch lebende Mitglied der Originalbesetzung, nachdem in jüngster Zeit mehrere Mitglieder verstorben sind, darunter der Schlagzeuger und Songschreiber George Brown (2023), der Saxophonist, Flötist und Schlagzeuger Dennis Thomas (2021) und Kools komponierender Bruder Ronald (2020).
Auf die Frage, wie er den Tod seines Bruders und anderer langjähriger Bandmitglieder verarbeitet hat, sagt er: „Es ist nicht einfach. Mein Bruder – wir sind zusammen aufgewachsen. Unsere Mutter hat uns beigebracht, zusammenzuhalten.“ Wer ihn heute trägt? Sein Team. „Ich habe 25 Leute um mich – Produktion, Management, Buchhaltung. Ohne ein gutes Support-System geht es nicht.“ Und genau das sorgt dafür, dass Kool & The Gang noch immer auf der Bühne stehen.
„Ich möchte den Menschen etwas zurückgeben.“
Heute denkt Kool jedoch auch über die Musik hinaus. Neben der Bühne bringt er eigene Produkte auf den Markt – vom Champagner bis zum Kokoswasser. Alles unter dem Motto: „Celebrate life.“ Sein Herzensprojekt aber bleibt die „Cool Kids Foundation“, die er gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau gründete. Ziel: Kindern wieder Zugang zu Musikinstrumenten ermöglichen – so wie er selbst einst durch die Schule zur Musik fand. Auch global ist er aktiv: In Afrika engagiert er sich als Musikbotschafter, trifft Präsidenten, unterstützt Bildung und Kultur. Bald steht ein humanitäres Festival in Paris an – „It’s Time for Love“ –, das Spenden für Menschen in Not sammeln will.

Angesprochen auf das, was da alles gleichzeitig läuft – Musical, Champagner, Stiftung, internationale Projekte – lacht Kool kurz auf. Und dann wird er deutlich: „Sag dieses Wort nicht. Wir sagen das Wort nicht.“ Gemeint ist: Rente. Für ihn kein Thema. Was ihn antreibt, ist nicht nur Musik. „Ich möchte den Menschen etwas zurückgeben“, sagt er. Dabei weiß er: „Ich kann das nicht alles allein.“ Der Erfolg ist Teamarbeit – auf der Bühne wie dahinter.
Sein größter Wunsch? Gute Gesundheit. Und eine Welt, in der Menschen wirklich zusammenkommen – für einen Moment des Friedens, der Freude, des Miteinanders. Eine weltweite Feier des Lebens. Oder wie Kool es sagt: „A world celebration“.