The Rolling Stones: Die Lieblingssongs der Redaktion

Wir haben zum 50. Jubiläum der Rolling Stones die Redaktion nach ihren Lieblingssongs der Stones gefragt. Mit dabei sind z. B. "Before They Make Me Run", "Gimme Shelter", "Paint It Black" und "Ventilator Blues".

Maik Brüggemeyer: „Before They Make Me Run“

Für mich sind die Rolling Stones keine Song-, sondern eine Soundband. In Martin Scorseses „Shine A Light“ kann man sehen, was für eine wacklige Konstruktion dieser Stones-Sound eigentlich ist. Die Band orientiert sich nicht am Takt, den der Schlagzeuger vorgibt, sondern an der Rhythmusgitarre. Und je malader und unberechenbarer Keith Richards mit dem Alter wird, desto unwahrscheinlicher scheint es, dass das funktioniert. Manchmal muss Ron Wood einspringen, und das führt zu seltsamen Verschiebungen und Überlagerungen. Erinnert an die Doppelsechs im modernen Fußball. Das ist Postrock in Reinform! Naja, fast. Der vorne herumgockelnde Jagger stört doch sehr. Keith Richards‘ Nicht-Gesang passt da besser: „Before They Make Me Run“.

Sebastian Zabel: „Gimme Shelter“

„Gimme Shelter“, der düsterste, sehnsüchtigste Song mit Keith Richards geisterhaftem Gitarrenflirren und dem dramatischen Wechselspiel zwischen Mick Jagger und der Soulsängerin Merry Clayton. Am Vorabend der Katastrophe von Altamont geschrieben, beerdigen die Stones hier endgültig alle Hippie-Träume. Fast shakespearesk!

Arne Willander: „Anybody Seen My Baby?“

Für die Chuzpe, mit der (vermutlich) Jagger k.d. langs „Constant Craving“ abkupferte, muss man den Schlingel beinahe bewundern. Und mehr noch dafür, dass er es zugab und der armen Sängerin den Credit gab. Ich mag auch das ledrige, kaltschnäuzige Spätwerk „A Bigger Bang“, auf dem Jagger noch einmal mitteilt, dass er den Längsten hat und süße Liebe macht, während draußen der Regen fällt, und tausend Jahre einsam die Straßen der Liebe entlanggeht. Nachdem jedes Klischee erzählt ist, singt Mick Jagger davon, dass eine Frau ihm das Herz gebrochen hat. Es ist so tröstlich.

Birgit Fuss: „Paint It Black“

Liebster Stones-Song? Fast so schwer wie liebster Beatles-Song! Ich weiß nicht, was es über meine Laune aussagt, dass mir heute sofort „Paint It Black“ und „Under My Thumb“ einfallen – zwei gewaltige, fiese Stücke, deren Dynamik einen jedes Mal wieder umhaut. In sanfteren Momenten hätte ich „As Tears Go By“ oder „Ruby Tuesday“ gewählt.

Miriam Mentz: „Time Waits For No One“

Und erbarmungslos tickt das Metronom. Oder die Uhr? Zweiteres auf jeden Fall, denn die Zeit wartet nicht, auf und für Niemanden: „Time Waits For No One“ ist der Paradesong über die ewig andauernde Vergänglichkeit und die Momente, in denen man sie plötzlich im Gesicht der Frau gegenüber, dem zusammengefallenen Gebäude erahnt – wie es auch schon Andreas Gryphius seiner Zeit getan hat und poetisch in „Alles ist eitel“ verpackte. Allerdings ohne dieses einleitende Gitarrenriff Richards, das sich echobeladen durch den Song zieht, über der tickenden Uhr schwingt und sich für diese tragisch-schöne Melancholie verantwortlich zeigt.

Lena Ackermann: „Play With Fire“

Zunächst klingt der Song als  würden Mick und Jim gemeinsam am Lagerfeuer singen. Und außerdem ist „Don’t play with me cause your playing with fire“ ein absolut zeitloser Ratschlag. Kann auch eine der schönsten Liebeserklärungen sein, wenn man es mit einem emotionalen Pragmatiker zu tun hat. Bestes Film-feature ist die Meditations-Szene aus „Darjeeling Limited“.

Sophie Leubner: „Ruby Tuesday“
Eine der lustigsten Bühnenaufführungen die ich je sehen durfte: ein Dutzend verängstigter Kinder und Jugendlicher singt und spielt „Ruby Tuesday“, diese harmlos-hippieske Groupie-Hymne der Stones von 1967; dank Tamburin und Refrain mit Kollektivgesang auch heute noch Lagerfeuerkompatibel, wirkt der Song mit Blockflöte und einfachsten Drums und Basslines an sich schon unfreiwillig komisch. Umso skurriler dieser Auftritt: das Tamburin spielte eine der besten Jazz-Schlagzeugerinnen die ich kenne, die damit die Gruppe schon gut angeheitert und hochmotiviert umkreiste. Trotz der ernsten Entstehungsgeschichte des Songs (Keith Richards schrieb ihn laut seiner Biografie über seine damalige Freundin Linda, die durch Jimi Hendrix an Drogen und so auf die schiefe Bahn geraten sei), mich bringt „Ruby Tuesday“ immer zum schmunzeln…

Daniel Koch: „Ventilator Blues“
Das erste bewusst gehörte Stones-Album war für mich „Exile On Main Street“. In der Plattensammlung meinen Onkels gefunden, war es vor allem das Artwork, das mich anzog. Musikalisch hörte ich in dem Alter eher noch schlimmes Zeug. Dennoch blieb das Album hängen – wenn auch nur als vage Erinnerung – und man erinnerte sich dran, als man wusste, dass man sich auch so langsam mal in das Stones-Werk reinhören muss, um die Geschichte der Rockmusik besser zu verstehen. So wurde es auch das erste Stones-Album, das ich besaß, und es ist mir bis heute das liebste. Der „Ventilator Blues“ mag eine abwegige Wahl sein, aber er ist trotzdem mein Favorit. Vielleicht weil er dem reinen Blues nacheifert, vielleicht weil er die schwüle, aufgeladene, konfliktreiche Stimmung bei der Entstehung des Albums so gut einfängt, vielleicht weil Piano und Gitarre sich hier so spannend käbbeln. Aber auch ich halte es wie Kollegin Fuß: Bester Stones-Song? Eine verdammt schwierige Frage (die man vielleicht jeden Tag anders beantworten kann…)!

 

Auch unser Forum hat sich schon einmal mit der Frage nach den besten Songs der Stones befasst. Zum Thread geht’s hier lang.

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