Together for Palestine: Star-Solidarität in der Wembley Arena

Großer Bahnhof für Gaza. Zur Abwechslung mal nur am Rande wohlfeile Radikalo-Gesten von der Popbühne und davor

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Es war ein Abend voller Musik, Solidarität und politischer Statements in der Wembley Arena (nicht: Wembley Stadium, das liegt mit seiner Mega-Kapazität gleich in der Nähe)

Hier versammelte sich am Dienstag (16. September) eine bemerkenswerte Allianz aus Musikern, Schauspielern und Aktivisten zu einem Solidaritäts-Gala der besonderen Art: „Together for Palestine“. 69 Künstler und Künstlerinnen traten auf, Es ging um Frieden und Menschlichkeit und auch darum, Gelder für humanitäre Hilfe in Gaza zu sammeln.

Die Gästeliste las sich wie das Line-up eines hochkarätigen Festivals: Damon Albarn, Bastille, Hot Chip, PinkPantheress und Neneh Cherry sorgten für die musikalischen Highlights, während Hollywood-Stars wie Benedict Cumberbatch, Florence Pugh, Guy Pearce und Richard Gere auf der Bühne standen – mal mit eindringlichen Lesungen, oder auch mit emotionalen Reden.

Künstler und Stimmen aus Palästina

Die Veranstaltung, maßgeblich von Elektro-Pionier und Israel-Kritiker Brian Eno initiiert, wurde von der exilierten palästinensischen Künstlerin Malak Mattar künstlerisch geleitet.

Es war also kein westlich dominiertes Charity-Spektakel, sondern eine Plattform, auf der palästinensische Stimmen im Mittelpunkt standen. Musiker:innen wie der Oud-Virtuose Adnan Joubran, Rapper El Far3i und Sängerin Nai Barghouti verliehen der Sache eine gehörige Prise Authentizität.

Die „politische Komponente“ kam im Spiegel von britischen Beobachtern und auch der Presse weitgehend ohne platte Parolen aus.

Lesungen, Reden und Emotionen

Die Journalistin Yara Eid erinnerte an die über 270 getöteten Medienvertreter:innen in Gaza und erntete dafür tosenden Applaus. Filmstar Benedict Cumberbatch las gemeinsam mit dem Dramatiker Amer Hlehel Gedichte von Mahmoud Darwish – und ließ dabei bewusst eine Zeile über das „Lächeln der Toten“ aus. US-Gast Richard Gere wich von seinem vorbereiteten Text ab und sprach improvisiert über „Liebe, Mitgefühl und Tanz“.

Trotz vereinzelter Proteste vor der Arena – und einem kurzen Zwischenruf im Publikum („Es ist Völkermord!“) – herrschte im Inneren eine fast andächtige Stimmung. Neneh Cherry sorgte mit Greentea Peng und dem Hit „7 Seconds“ für einen der lautesten Momente des Abends, während Pianist Faraj Suleiman mit einem Jazz-Prog-Trio 12.500 Zuhörer:innen in seinen Bann zog.

Merchandise von Designer:innen wie Bella Freud und Katherine Hamnett, eine digitale Spendenkampagne und der vollständige Ausverkauf der Tickets machten die Veranstaltung auch finanziell zum Erfolg: Bereits am Abend verkündete Moderatorin Jameela Jamil stolz, dass über bis dato 1,5 Millionen Pfund eingesammelt worden sind.

Mit seiner Mischung aus Kultur, Protest und Spendenaktion erinnert „Together for Palestine“ an die großen politischen Musikereignisse der 1980er (siehe: „Live Aid“ oder „Farm Aid“ in den USA). Jedoch mit einem modernen, inklusiven Ansatz. Statt bloßer Symbolik, wie von einigen westlichen Poser-Bands immer wieder dargeboten, stand in London die Stärkung palästinensischer Stimmen im Zentrum.

Politische Dimension und Wirkung

Selbst Chef-Ideologe Brian Eno zeigte offenbar keine vergifteten Roger-Waters-Affekte. Die Tageszeitung „Guardian“ räumte ihm Platz für ein Grundsatz-Artikel ein. Darin spricht er von „Zensur“, obwohl Anti-Israel-Heißsporme wie Kneecap oder Bob Vylan mit ihren Dicke-Hose-Parolen omnipräsent sind.

Eno schreibt: „Mehr als jeder andere Konflikt seit Beginn des modernen Kommunikationszeitalters, sogar mehr als Südafrika in den 1980er Jahren, wurde die israelische Besetzung Palästinas mit Worten und Bildern ebenso wie mit Kugeln und Bomben geführt. Und aus diesem Grund wurden diejenigen Künstler, die sich gegen die Besatzung aussprechen und sich für Gerechtigkeit für die Palästinenser einsetzen, einer zynischen, schädlichen Zensur unterworfen, die darauf abzielt, den Umfang der Geschichten, die sie erzählen können, stark einzuschränken.“

Trotz dieser Verschwörungs-Erzählung von wegen „starker Einschränkung“ – von wem eigentlich(?), wenn man sich verdeutlicht, wie präsent selbst Antisemiten aktuell sind, geht vom Londoner Promi-Treff insgesamt ein Zeichen für Solidarität, Menschlichkeit und eine lautstarke Friedensbewegung aus.

Jim Dyson Getty Images Europe

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.