„Weapons“: Zach Greggers Horrorfilm bleibt hinter Potenzial zurück

„Weapons – Die Stunde des Verschwindens“: Horror mit starken Zitaten, aber schwachem Finale und überladener Mythologie.

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Die Rezension erhält Spoiler.

Die Mythologie von „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“ ist so großartig, dass es umso bedauernswerter ist, dass daraus lediglich ein guter Film wurde (siehe auch David Robert Mitchells „It Follows“). Zu einem der vielleicht gelungensten Needle Drops der vergangenen Jahre – George Harrisons „Beware of Darkness“ – rennen um 2:17 Uhr in der Nacht 17 Kinder aus ihren Elternhäusern, rein in der Nacht und sind seitdem verschollen. Angst und Paranoia machen sich unter den Kleinstadtbewohnern breit.

Vor allem die Klassenlehrerin der lost kids, Justine (Julia Garner), leidet unter den Anfeindungen der verzweifelten Eltern. Sie müsse ja etwas mit dem Verschwinden der 17 Kinder zu tun haben.

Regisseur Zach Gregger inszeniert „Weapons“ über weite Strecken als Altman-Carver-Hommage an „Short Cuts“, in dem er verschiedene Einzelschicksale in Kurzepisoden miteinander verbindet, gepaart mit dem „Salem’s Lot“-artigen Misstrauen der Menschen untereinander, wer in den Fall verwickelt sein müsse.

Fragen, Hexen und Horror-Zitate

Wie schon in seinem Vorgängerfilm „Barbarian“ hat Regisseur Gregger ein Dritter-Akt-Problem. Action und Gewalt werden maßgeblich, die Mythologie erscheint unterkomplex, nicht vollzogen. Das heißt nicht, dass das Rätsel eine Erklärung benötigt hätte. Aber es darf auch nicht vergessen werden. Gregger unterschätzt zumindest die Macht der Nicht-Auflösung. Warum es manchmal sehr gut sein kann, dass ein Verschwinden der Kinder aus dem Leben der Erwachsenen keiner Begründung bedarf, zeichnen etwa die bestürzenden Romane Paul Tremblays („Disappearance at Devil’s Rock“) nach.

Wer ist die kindliche Erzählerin? Und was genau will die Hexe, was kann sie, was kann sie nicht? Ist ihr Voodoo-Ast mächtiger als sie? Auch der Einsatz der Jump Scares fühlt sich zwar effektiv, erzählerisch jedoch nicht notwendig an (aber sie sind auch hier in ihrem klassischen Aufbau, Unbehagen – Nachforschung – Erleichterung – Schock , äußerst gelungen). Am Ende inszeniert Zach Gregger gar eine „Here’s Johnny!“-Hommage, garniert mit „Night of the Living Dead“-Zombies und der Verwendung eines Kartoffelschälers, die einem in Gedächtnis bleiben könnte.

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In Erinnerung bleiben außerdem eine lustige „Willow“-Schelte, Andy Warhols Nudeldosen, Reminiszenzen an Roger-Moore-Bond-Filme (Flüchtige plus Verfolger krachen in die stillen Häuser Unbeteiligter herein und hinterlassen ratlos dreinschauende Bewohner) sowie Alden Ehrenreichs Schnurrbart. Ehrenreich ist ein wirklich guter Schauspieler – eine Schande, wie man ihn nach „Solo“ hat fallen lassen.

Twist und neue Monster-Moves

Gregger bastelt aus „Weapons“ ein Pastiche aus dem besten Filmen der Horror-Geschichte, ohne die einzelnen Elemente zu einem Ganzen zusammenfügen zu können, das wie seine eigene Schöpfung erscheinen könnte.

Der schlimm neumodische „Elevated Horror“-Aspekt (Monster als Allegorie auf psychische Leiden) ist dankenswerterweise wenig beleuchtet, hier also „Trauer“ und die Abkapselung der entwachsenen Kinder aus dem Elternhaus.

Der raffinierte Twist, der einzige raffinierte Twist in „Weapons“ besteht im Titel, der die Dinge wortwörtlich nimmt. Es geht tatsächlich um Waffen, nicht etwa um Flucht. Diese Kinder sind Schläfer. Wir werden nie wissen, was in ihnen, was in unseren Kindern steckt.

Aber Zach Greggers kann dennoch stolz auf sich sein. Er hat eine neue Laufbewegung erfunden. Jeder, der fortan mit seitlich ausgebreiteten, nicht nach vorne gestreckten Armen auf andere zurast, wird als „Weapon“ zu erkennen sein. Und Angst verbreiten. Neue Monster-Moves zu erfinden ist im Horror-Kino fast unmöglich geworden.

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