Xavier Naidoo: Er lässt uns souverän im Ungewissen
Xavier Naidoo füllt die Lanxess Arena mit 16.000 Fans. Nach Jahren der Kontroversen bleibt er nebulös
Nach Jahren der Zwangspause will der Sohn Mannheims „wieder richtig drin sein“. Es wird ihm gelingen. Sie haben alle aus der Kölner Lanxess Arena berichtet: Von „Bild“ bis zur „Süddeutschen Zeitung“ wollten sie Xavier Naidoo aus dem weiten Rund mit angemessenem Sicherheitsabstand auf den Zahn fühlen. Zielvorgabe: seinen ersten Auftritt seit sechs Jahren als „gesellschaftlichen Testlauf“ zu markieren. Immerhin folgt im Januar 2026 eine dazu gebuchte Tournee mit weiteren Zusatzkonzerten wegen der großen Nachfrage – nach all den Merkwürdigkeiten in Wort und Ton.
Die Kollegen sind sich in ihren Berichten weitgehend einig: 16.000 Fans jubeln, trampeln und toben. Eine Hin-und-weg-Atmosphäre. Was wahr ist, spielt keine Rolle mehr. „Rein musikalisch“ bleibt Naidoo „herausragend“. Ein Magier der Stimme. Für das Auftaktkonzert hat ROLLING STONE auf eine Stippvisite in Köln-Deutz verzichtet.
Vom Betören zum Verstören
Als Xavier Naidoo vor zwölf Jahren im Song „Hört, Hört“ die selbstreferenzielle Strophe anstimmte „meine Stimme hat manche betört, meine Worte haben viele verstört“, war der frei drehende Irrsinn, den er teilweise als QAnon-Jünger verzapfte, noch in seinem von Cannabis benebelten Hirn verkapselt. Beflügelt durch die Corona-Ära brach es dann aus ihm heraus. In seiner merkwürdigen Entschuldigung per Video von 2022 sprach er in Büßer-Manier von „verrannt“, „Irrwegen“ und davon, „verstörende Äußerungen“ fallen gelassen zu haben. Es war seine Art, einen Schlussstrich unter seine „Rumpelphase“ zu setzen. Um mit Frank Sinatra zu reden: Er erledigte das auf seine Art. Mehr war wohl nicht drin. In Köln setzte sich dieser Weg des Nebulösen fort. Die Musikkritik lobte die „hochpräzise“ Begleitband, die nach dem Zerwürfnis mit den Söhnen Mannheims nur noch aus Teilen der Ex-Stammtruppe besteht. „Künstlerisch“ ein Gewinn? Die Fans standen wie eine Eins hinter ihm.
Die Macht des Faktischen
Wer allein auf die Macht des Faktischen setzt, muss dem Weg von Naidoo ohnehin längst carte blanche geben. 150.000 plus x verkaufte Tickets haben längst Rammstein-Qualität. Skandal hin, Empörung her von allerlei wohlmeinenden Stellen und Institutionen – die Karawane zieht weiter. Auch Till Lindemann spielt sich munter durch Europa. „Eine Entschuldigung ist eine Entschuldigung“, sagt im finalen Duktus Marek Lieberberg. Da hat die Veranstalter-Legende recht. Als Chef der Großagentur Live Nation für die deutschsprachige GSA-Region steuert er die Geschicke seines Schützlings souverän durch dick und dünn. Heute Abend (17. Dezember) werden in Köln wieder rund 16.000 Leute auf der Matte stehen. Wenn Xavier Naidoo in den nächsten Wochen und Monaten keine größeren „Fehler“ mehr macht, ist er in 2026 „wieder richtig drin“, wie er in einer seiner raren Ansagen am Bühnenmikrofon ankündigte. Aus der Perspektive des neutralen Beobachters muss man solche „Widersprüche“ wohl aushalten. Morrissey und anderen quartals-spinnerten Kandidaten verzeihen wir ja auch so einiges.