Xavier Naidoo: Der lange Weg zurück ins Licht

Xavier Naidoo spielt sein erste Comeback-Konzert in Köln. Kratziges Büßerhemd oder weiter im Schwurbelmodus?

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Vor sechs Jahren stand Xavier Naidoo zum letzten Mal „offiziell“ mit eigener Band und eigenen Songs auf einer Konzertbühne. Danach folgte eine beispiellose Rumpelstrecke. Nun wagt der 54-jährige am Dienstag (16. Dezember) in der Kölner Arena einen Entfesselungs-Künstler-Trick. Mit noch ungewissem Ausgang. In wenigen Stunden wissen wir mehr.

Nach Aussagen rechtsrheinisch ansässiger Kölner wurden bislang keine zeltenden Fans auf der Anhöhe zu den Lanxess-Pforten gesichtet.

Die beiden Auftakt-Konzerte sind bekanntlich, bis auf einige Ledersessel in der Bling-Bling-Zone, ausverkauft. So verfasste das Naidoo-Lager dann auch eine knappe Botschaft via Instagram, mit allerlei Emoji-Garnierung:

„Die Proben sind abgeschlossen. In einer Woche ist es soweit. Wir sind bereit, seid Ihr es auch? Köln, wir kommen!“

Kritische Auseinandersetzung mit Xavier Naidoo

Quasi die gesamte deutsche Medienlandschaft nahm die anstehenden Shows zum Anlass für eine kritische Würdigung mit unterschiedlicher Schärfe.

Die Zeitung „Jüdische Allgemeine“ gab verständlicherweise kein Pardon: „Im deutschen Kulturbetrieb beschäftigt man sich nur ungern mit dem virulenten antisemitischen Gedankengut in den eigenen Reihen. Das erfolgreiche Comeback von Xavier Naidoo ist hierfür ein weiteres Beispiel. Das jedoch führt den allseits wortreich vorgetragenen Anspruch, den Antisemitismus bekämpfen zu wollen, ad absurdum.“

Selbst auf der Website des Landtags von Baden-Württemberg fühlte man sich bemüßigt, das „Köln Concert“ des Sohns Mannheims milde mahnend zu erwähnen. Schließlich liegt die kurpfälzische Residenzstadt im Norden des Ländle. Und der vom Weg abgekommene Soul-Meister hatte die Rhein/Neckar-Town dereinst als das „Neue Jerusalem“ bezeichnet.

„Kommt der Wendler als Support-Act?“

Im Fanforum der Plattform „Festivals Unted“ findet man dagegen zynische Kommentare:

„Kommt der Wendler als Support-Act?“ fragt „Concertfreak“ angesichts der Skandalchronik des Schlager-Kollegen. „Catering doch sicher von Attila, inkl Kinderblut vom Fass ?!“; vermutet „Madpad77“ im Hinblick auf Naidoos Q-Anon-Faible. „Ich vermute in Leipzig kann man da sicherlich das gleiche suspekte Publikum wie bei Kontra K beobachten“, thematisiert „SmileAgain“ die regionalen Unterschiede in der Rezeption.

Aktuell sind am Landgericht Mannheim noch zwei Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Naidoo anhängig. Die Vorwürfe weisen er und sein Anwalts-Team strikt zurück. 2021 arbeitete er mit dem rechtsextremen Musiker Hannes Ostendorf zusammen. Ein Punkt, der zeigt, dass sich problematische Inhalte nicht nur in Interviews, sondern auch in Naidoos Werk finden.

2022 folgte das berühmte dreiminütige Entschuldigungsvideo. Naidoo sprach von Irrwegen, Fehlern und Reue, verurteilte Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus – seitdem blieb es still. Für viele Fans offenbar genug: Die Ticketnachfrage ist auch außerhalb der beiden Debutshows hoch, einige Fan-Kommentare teils euphorisch.

Der Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit hat zum Zeitpunkt der Tour-Ankündigung diagnostiziert, ein glaubhafter Ausstieg sei ein langer Prozess. Und nicht mit einem Video mal eben vom Tisch zu schieben.

Während der Veranstalter-Legende Marek Lieberberg (79), der zu Naidoo eine geradezu altväterliche Mentoren-Position einnimmt, die Entschuldigungs-Arie als glaubwürdig verteidigt, hatten Organisationen wie die „Werteinitiative“ sogar eine Absage der Konzerte gefordert.

Xavier Naidoo schweigt

Naidoo selbst lässt alle Anfragen nach einem aktuellen Statement nonchalant abperlen. Sein Team verweist auf die Tour-Vorbereitung. Tenor: „Lieber nix sagen. Lasset die Musik sprechen!“

Ob diese Konzerte zur vorweihnachtlich-besinnlichen Rückkehr des gefallenen Sohnes werden; oder gar der Moment, in dem er sich öffentlich und mit salbungsvollen Worten als „geläutert“ positioniert, muss man aus abwarten.

Der Weg zurück in die gesellschaftliche Mitte wird für Herrn Naidoo, so ein aktueller viel benutzter Headline-Gag mit Bezug auf einen Songtitel „wird kein leichter sein“.

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.