Brian Wilson ist tot: Das Beach Boys-Genie wurde 82 Jahre alt
Der Kopf der Beach Boys und große amerikanische Songwriter starb in Los Angeles
„Wir sind untröstlich, den Tod unseres geliebten Vaters Brian Wilson bekannt geben zu müssen. Wir sind derzeit sprachlos“, schrieb seine Familie in einer Erklärung, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurde. „Bitte respektieren Sie unsere Privatsphäre in dieser Zeit, in der unsere Familie trauert. Wir sind uns bewusst, dass wir unsere Trauer mit der ganzen Welt teilen.“
Wilsons Familie gab keine Todesursache bekannt. Aber im Februar 2024 wurde bekannt, dass die Beach-Boys-Legende an Demenz litt.
Wilsons Vermächtnis umfasst Dutzende von Hitsingles mit den Beach Boys, darunter drei Nummer-1-Singles („I Get Around“, „Help Me, Rhonda“ und „Good Vibrations“). In den 60er-Jahren waren die Beach Boys nicht nur die erfolgreichste amerikanische Band, sondern rangen auch mit den Beatles um die weltweite Vorherrschaft. Auf Alben wie „Pet Sounds“ erweiterte Wilson mit seinen aufwendigen orchestralen Produktionstechniken die Klangpalette des Rock’n’Roll dramatisch und zeigte, wie das Aufnahmestudio selbst zu einem Instrument werden kann.
Die Welt ausblenden
Brian Wilson, geboren am 20. Juni 1942, wuchs mit seinen beiden jüngeren Brüdern Dennis und Carl in Hawthorne, Kalifornien auf. Einer bescheidenen Stadt neben dem Flughafen von Los Angeles. Ihr Vater Murry war ein aufstrebender Songwriter und Tyrann. „Obwohl er sich selbst als liebevollen Vater sah, der seine Kinder mit strenger Hand führte, misshandelte er uns psychisch und physisch und hinterließ Wunden, die nie verheilt sind“, sagte Wilson in seiner Autobiografie von 1991.
Wilson war sportlich und hatte eine Leidenschaft für Musik, die er an seine Brüder weitergab. Sie übten früh den Harmoniegesang, der sie später auszeichnen sollte. Musik war sein Lebenselixier und sein Trost, sagte er: „Schon früh habe ich gelernt, dass ich, wenn ich die Welt ausblende, mich auf eine geheimnisvolle, von Gott gegebene Musik einstimmen kann. Das war meine Gabe, die es mir ermöglichte, Emotionen zu interpretieren und zu verstehen, die ich nicht in Worte fassen konnte.“
Surf-Kultur und Melancholie
1961 gründeten Brian, Dennis und Carl zusammen mit ihrem Cousin Mike Love und ihrem Freund Al Jardine eine Band. Murry Wilson wurde ihr Manager . Brian spielte Bass, sang viele der Lead-Stimmen und schrieb die Songs. Sie unterschrieben einen Vertrag bei Capitol Records, nannten sich ursprünglich The Pendletones, und wurden von Murry in Beach Boys umbenannt. Es folgten Hits am Fließband: „Surfin’ U.S.A.“ (mit einer Melodie aus Chuck Berrys „Sweet Little Sixteen“), „Surfer Girl“, „Be True to Your School“ und „Fun, Fun, Fun“.
Diese Kompositionen von Brian Wilson klangen alle wie wahnsinnig eingängige Jingles für den kalifornischen Teenager-Lifestyle – Surfbretter, Hamburger-Stände, Pep-Rallyes –, aber hinter der guten Laune verbarg sich eine echte Melancholie. Manchmal kam das in den Texten zum Ausdruck – zum Beispiel in dem einsamen „In My Room“ –, manchmal wurde es nonverbal durch die herzzerreißenden mehrstimmigen Harmonien der Beach Boys ausgedrückt.
Wilson wurde in seinem Songwriting immer ambitionierter und experimentierte mit neuen Klängen – wie der Surfgitarre und dem Falsettgesang in „I Get Around“. Doch er brach unter dem Stress der Tourneen zusammen und erlitt 1964 auf einer Europatournee einen Nervenzusammenbruch. Er beschloss, dass er zu Hause bleiben und im Studio an neuen Songs arbeiten würde, während die anderen Beach Boys auf Welttournee gingen: Wenn sie nach Kalifornien zurückkehrten, würden sie einsteigen und ihre Parts aufnehmen. Das Ergebnis waren wunderschöne Singles wie „California Girls“ und das unsterbliche Album „Pet Sounds“ aus dem Jahr 1966.
Inspiration für die Beatles
Das Album, das regelmäßig auf oder nahe der Spitze der besten Alben aller Zeiten rangiert, wurde von den Innovationen der Beatles auf „Rubber Soul“ inspiriert; im Gegenzug inspirierte es die Fab Four zu neuen experimentellen Höhenflügen auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Paul McCartney bezeichnete „Pet Sounds“ häufig als Meisterwerk, lobte insbesondere das innovative Bassspiel und nannte „God Only Knows“ seinen Lieblingssong aller Zeiten. Das Album wurde mit Instrumenten wie Cembalos, Fahrradklingeln und bellenden Hunden orchestriert. Der Höhepunkt war „Wouldn’t It Be Nice“ mit seinen sehnsüchtigen Texten über das Erwachsenenleben und die Liebe.
Die anderen Beach Boys, insbesondere Mike Love, waren von „Pet Sounds“ nicht beeindruckt, weil es eine Abkehr vom Surf-Image der Band markierte. Wilson erwog, es als Soloalbum zu veröffentlichen. Die BEach Boys waren mit „Pet Sounds“ in den USA schließlich nur mäßig erfolgreich. Obwohl der Einfluss des Albums auf die Musik der Zeit enorm war und es in Großbritannien sofort als Klassiker anerkannt wurde. Wilson legte mit der besten Single der Beach Boys nach. „Good Vibrations“, dreieinhalb aufregende Minuten mit Theremin und mehrstimmigem Gesang, die über einen Zeitraum von sechs Monaten in verschiedenen Studios aufgenommen wurden und 16.000 Dollar kosteten – zu diesem Zeitpunkt die mit Abstand teuerste Single der Geschichte.
„Smile“ und die Folgen
Wilson kehrte mit dem Plan ins Studio zurück, sich selbst zu übertreffen: ein Album namens Smile, das er seinen Freunden als „teenage symphony to God“ ankündigte. Zusammen mit dem Texter Van Dyke Parks begann er, eine aufwendige Sammlung von Musiksuiten zusammenzustellen, die die Popmusik revolutionieren sollten. Aber die Sessions scheiterten. Belastet durch die Gleichgültigkeit der anderen Beach Boys, Wilsons Konsum von Marihuana und LSD und seine zunehmende psychische Instabilität.
Während der Aufnahmen zu „Mrs. O’Leary’s Cow“, einem Stück aus der „Elements“-Suite über Feuer, verteilte Wilson Plastikfeuerwehrhelme an das Orchester und zündete tatsächlich ein Feuer im Studio an, um die Musiker zu inspirieren. Als er erfuhr, dass ein Gebäude in der Nähe des Studios abgebrannt war, glaubte er, den Brand durch seine Musik verursacht zu haben. Er geriet in Panik und schloss die Bänder in einem Tresor ein.
Wilson verbrachte den größten Teil des nächsten Jahrzehnts in seiner Villa in Bel Air, die sowohl ein Aufnahmestudio als auch einen Sandkasten im Wohnzimmer hatte. (Dort stellte er sein Klavier auf, damit er beim Spielen Sand zwischen den Zehen spüren konnte.) „Er war ein so einsamer Mann, der so missbraucht und verleumdet wurde, ausgegrenzt“, sagte Van Dyke Parks 2004 gegenüber ROLLING STONE. „Es war empörend, was er erleiden musste.“
Das Solowerk
Die Beach Boys machten ohne Brian Wilson weiter; auch wenn ihre Albumverkäufe einbrachen, blieben sie eine beliebte Oldie-Band, die auf Tournee ging. In den folgenden Jahrzehnten kehrte Wilson regelmäßig zur Band zurück. Trotz der internet Rechtsstreitigkeiten um Songrechte und Geld tourte er sogar mit den alten Kollegen. 1988 trat Wilson zögerlich wieder ins Rampenlicht und begann, Soloalben zu veröffentlichen, angefangen mit dem Meisterwerk „Brian Wilson“, bei dem Wilsons langjähriger Therapeut Dr. Eugene Landy (dem später die Zulassung als Therapeut entzogen wurde) als Co-Produzent genannt wurde.
Der späte Triumph
Die Legende von „Smile“ wuchs in den Jahrzehnten seit seiner Aufgabe nur noch weiter; es galt als das große verlorene Rockalbum und inspirierte sogar einen Zeitreise-Roman (Lewis Shiners „Glimpses“), in dem der Protagonist Wilson davon überzeugt, das Album fertigzustellen. Obwohl Songs wie „Heroes and Villains“ und „Surf’s Up“ nach und nach ihren Weg auf Beach-Boys-Alben gefunden hatten, ging man allgemein davon aus, dass es unmöglich sei, die Fragmente von Wilsons Meisterwerk wieder zusammenzufügen. Im Jahr 2004 jedoch vollendete Wilson das Album entgegen aller Widrigkeiten; in einer Fünf-Sterne-Rezension bezeichnete ROLLING STONE es als „wunderschön und witzig, albern-grandios“.
Wilson hatte seinen Weg zu etwas gefunden, das einst unmöglich schien: ein Happy End. „Ich verrate Ihnen etwas, das ich gelernt habe“, vertraute er ROLLING STONE 2004 an. „Es ist harte Arbeit, glücklich zu sein.“
Im Februar 2024, nur wenige Wochen nach dem Tod von Brians zweiter Frau und langjähriger Managerin Melinda, gab Brians Familie bekannt, dass der Sänger an Demenz litt, und beantragte eine Vormundschaft, um seine weitere Pflege sicherzustellen.
„Diese Entscheidung wurde getroffen, um sicherzustellen, dass es keine extremen Veränderungen im Haushalt gibt und dass Brian und die zu Hause lebenden Kinder versorgt werden und in dem Haus bleiben können, in dem sie betreut werden“, hieß es damals in einer Erklärung der Familie Wilson. „Brian wird seine Familie und Freunde genießen können und weiterhin an aktuellen Projekten arbeiten sowie an allen Aktivitäten teilnehmen können, die er möchte.“
Text: Gavin Edwards