ROLLING STONE Beach: Warum wir uns auf Mogwai freuen

Am 21. November startet der ROLLING STONE Beach, unser Indoor-Festival-Wochenende am Weissenhäuser Strand. Hier erklärt ROLLING-STONE-Autor Ralf Niemczyk, warum der Auftritt von Mogwai, den schottischen Meistern des Atmo-Rock, in diesem Jahr sein Highlight ist.

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Es war wohl dem Übermut der Jugend geschuldet, als Stuart Braithwaite und seine Band Mogwai beim schottischen „T In The Park“-Festival Shirts drucken ließen mit der Aufschrift „Blur: Are Shite“. Wie eine Definition mit Doppelpunkt: „Sind Scheiße!“. Die Hemdchen am Merch-Stand waren nach einem Tag ausverkauft und wurden schnell zu gesuchten Street-Fashion-Legenden. Laut Braithwaite gaben damals Pavement und die Super Furry Animals weitere Bestellungen für das Schmäh-Shirt auf.

„Es war super kindisch, und ich hätte auch nicht gedacht, dass es jemand wirklich bemerken würde. Doch sie haben es bemerkt“, schreibt der Gitarrist in seiner 2022er-Autobiografie „Spaceships Over Glasgow: Mogwai And Misspent Youth”. Blur spielten damals auf der Hauptbühne, Mogwai abseits auf der „Radio 1 Session Stage“. 1999 war das, und die Post-Rocker aus Glasgow waren kleine Kläffer, deren Karriere noch am Anfang stand. „Sie waren halt das Gegenteil von dem, was wir in der Welt der Musik für gut hielten”, so Braithwaite im Interview. „Ihr antiamerikanischer englischer Nationalismus ging uns ebenso auf den Keks wie ihre falscher Cockney-Akzent.”

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass kaum einer der frühen Songs der schottischen Post-Rocker mit Botschaften ausgestattet war. Und auch später gab und gibt es nur punktuell Gesang.

Vorlaute Jahre und bissige Attacken

Doch Mogwai waren in ihren Anfangsjahren wirklich vorlaut und scheuten sich nie, ungeliebte Kollegen mit Verachtung und Gehässigkeit zu überhäufen. „Für diejenigen, die meinen etwas bissigen Humor nicht kennen, klang das wahrscheinlich so, als wäre ich eine Art bösartiger Psychopath. Blur sind bei weitem nicht meine Lieblingsband, Doch es war kaum die darauffolgende Aufregung wert. Wochenlang waren die Leserbriefseiten der Musikpresse voll von wütenden Britpop-Fans, entsetzt über die Dreistigkeit, mit der jemand ihre Helden verleumdete.“

Seine Mutter hätte ihn damals mit einem abgewandelten Bibelzitat von wegen „man soll nicht schlechtes Zeugnis ablegen über andere“ den Kopf gehörig geradegerückt. Noch waren sie in der Polter-Phase. Multi-Instrumentalist Barry Burns ritt etwa eine heute legendäre Attacke gegen die Rolling Stones, in der er Keith Richards ein derbes Ende an den Hals wünschte. In späteren Jahren betrieb er dann auf der Berlin-Neuköllner Donaustraße eine urige Schnaps-Kneipe namens „Das Gift“.

Tempi Passati. Im nunmehr 30sten Jahr ihres Bestehens halten sich Mogwai auch nach persönlichen Schicksalsschlägen an den Leitsatz „We’re NOT a rock band with a singer“. Aus der Perspektive heutiger Social-Media-Kampagnen brachte das präpotente Geboller eine natürlich (analoge) Aufmerksamkeit für die um 1995 in Glasgow formierte Crew, die sich musikalisch seit ehedem im Bereich wuchtiger Soundsphären zwischen Gitarrenrock und Elektronik bewegte.

Mogwai heute: Klangwellen und Ausnahmeerscheinung

Bissige Statements wurden gerne in hintergründigen Titeln wie „Hardcore Will Never Die, But You Will“ (2011) oder „If You Find This World Bad, You Should See Some Of The Others“ (2025) transportiert. Mittlerweile sind sie beim elften Album angekommen, gerne mit Kompositionen, die sich über 7:23 Minuten aufbauen. Eher verstiegene Wolkenkratzer als Klangkathedralen. Im sehenswerten Dokufilm „Mogwai: If the Stars Had a Sound“ von Regisseur Antony Crook lässt sich das Oeuvre der wunderbaren Grantler nachvollziehen, die es längst nicht mehr nötig haben, gegen andere Bands zu stänkern.

Ihre 2025er-Tour zur großartigen neuen Platte „The Bad Fire“ (ein poetisches Synonym für Hölle) führte das Quartett bislang rund um den Globus. Nicht nur die Fans in New York sprachen von gewaltigen Klangwellen, die man bis in die Brust spüren konnte. Ihr Set kreiste um die aktuellen Arbeiten, doch sie spielten auch viele ihrer Klassiker, darunter „Auto Rock“, „Mogwai Fear Satan“, „Christmas Steps“ oder „My Father, My King“. Eine Bühnenproduktion mit harten Effekten, wenn Backlights und Stroboskope den Raum fluten, wenn es mal wieder richtig laut wird. Definitiv ein Headliner-Set auf den wir uns freuen dürfen – Mogwai sind eine Ausnahmeerscheinung im alternativen Rock.

Mogwai spielen am Festival-Samstag. Mehr Infos zum ROLLING STONE Beach findet ihr hier.

Tickets für das Festival bekommt ihr hier.

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.