Sechs Songschreiber für drei Hallelujah

Die Schweden von The Soundtrack Of Our Lives haben ihre kreativen Kräfte kanalisiert und Material für die nächsten drei Alben beisammen

Als The Soundtrack Of Our Lives (kurz: TSOOL) 2003 die Grammy-Nominierung für „Best Alternative Music Album“ bekamen, war das die Krönung von zwei überaus erfolgreichen Jahren: Mit ihrem dritten Album, „Behind The Music“, hatten die Schweden Amerika auf Gub-Level erobert und so mit langem Anlauf einen freilich wichtigen Sprung geschafft. Letterman und Leno luden ein, die amerikanische Presse sprach von der Rettung des Rock ’n’Roll und die Venues wurde bei jeder Runde über den Kontinent größer.

Nicht, dass hier nicht schon vorher viel gegangen wäre. Daheim in Schweden gehören TSOOL schon seit ihrem 1995 veröffentlichten Debüt zum nationalen Heiligtum. Und zwischen Schweden und der Neuen Welt liegt in der Welt des Pop bekanntlich das UK, wo das Sextett so ungefähr ab dem zweiten Album hoch im Kurs stand. Zunächst als begabte Spinner mit einigem Argwohn betrachtet, lobpries man dort wie anderswo die Mixtur aus klassisch gedroschenen Rockriffs und psychedelischem Pop, die Sänger Ebbot Lundberg und seine fünf Freunde mit einer Zeitmaschine direkt aus der entsprechenden Ära geholt zu haben schienen.

Doch auch wer mittlerweile genug hat von all den Rock-Wiederkäuern, die auch und besonders aus Skandinavien kommen, könnte Gefallen an TSOOL finden. Denn hier geht es nicht um hohle Retroposen, sondern um ein Band-Gebilde, das Energie und Inspiration glaubhaft aus der Vergangenheit schöpft um damit – ohne allzu viel zu verschütten – die Gegenwart zum Blühen zu bringen. Aktuelles Beispiel: „Origin (Face 1)“, das nun erhältliche vierte Album. TSOOL entfalten darauf die beschriebenen Tugenden noch besser, dehnen ihren großgefühlig krachenden R&B-Psychedelic-Rock weiter aus und gewinnen hörbar an Kontur. Die Band scheint nach einer Dekade des gemeinsamen Modellierens ihren Klangkörper nun ganz enthüllen zu können.

„Die größte Errungenschaft der letzten zehn Jahre ist für uns, dass wir immer noch als Band zusammen sind“, erklärt Lundberg, „es ist verdammt schwer, sechs starke Individuen bei der Stange zu halten. Am Anfang denkst du ‚Musik, Musik, es geht nur um Musik, der Rest interessiert mich einen Scheiss.‘ Aber dann entdeckst du, dass du in einer Band bist und dass du lernen musst, zu kommunizieren und den anderen zu respektieren.“

Es war Lundberg, der TSOOL im UK zunächst den erwähnten Ruf einbrachte, ein Haufen begabter Spinner zu sein. Vollbärtig, wohlbeleibt und ständig mit Tunika-artigen Wikinger-Gewändern angetan, schien der 36-jährige Göteborger ein ganz unwahrscheinlicher Frontmann zu sein, zumal ihn die ausgestreckten Arme und grandiosen Gesten auf der Bühne eher für die Rolle Johannes des Täufers in einem Jesus-Film zu empfehlen scheinen. Im Gespräch ist Lundberg freundlich, wirkt aber auch wie ein Getriebener, der oft dem Blick ausweicht und die latente Absurdität der Interviewsituation nur begrenzt ertragen will. Bei ihm ist Ian Persson, Gitarrist und Moderator von TSOOL. „Irgendwann hat jeder schon mal ans Aufhören gedacht Wenn Kinder geboren werden und Beziehungen auf dem Spiel stehen, dann muss man sich schon überlegen, was man vom Leben eigentlich will“, erklärt er. „Aber wir alle lieben die Band sehr – solange diese bestimmte Chemie da ist, solltest du an ihr festhalten.“

Das mit der flüchtigen Band-Chemie ist für TSOOL derzeit nur ein theoretisches Problem. Als nach dem Ende der Tourneen zu „Behind The Music“ die Studiozeit für den Nachfolger gebucht war, standen nicht weniger als 45 neue Songs auf der to-do-Liste. „Während der zwei Jahre unterwegs hatte sich diese extreme kreative Energie in der Band aufgestaut“, erklärt Lundberg. „Vor allem Ian und Matthias (der zweite Gitarrist) begruben uns mit neuen Ideen, bis ich schließlich ‚Stop!‘ geschrieen habe – nämlich als ich begriff, dass ich zu allen Songs Texte schreiben muss.“ „Uns wurde bald klar, dass wir unmöglich 12 oder 15 Songs rausfischen und den Rest ins Regal legen konnten“, übernimmt Persson, „die Sachen waren heiß, sie mussten jetzt raus. Da ist dann die Idee entstanden, alle Songs fertigzumachen und auf mindestens zwei Alben zu verteilen.“ Auf „Origin (Face 1)“ folgt also in vielleicht einem Jahr“Origin (Face 2)“. Und da dann immer noch Songs für ein drittes Album übriggeblieben sind, haben sie mit ihrem jüngsten Kreativitätsschub womöglich die Studioarbeit von drei, vier Jahren in einem Atemzug erledigt „Wir haben das Problem, die Geschmäcker von sechs übereifrigen Songwritern zusammenbringen zu müssen, was früher oft nicht gelang“, erklärt Persson. Jetzt haben wir unsere Formel gefunden.“

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