Beck im Interview: „Kurbeln Sie die Scheibe runter, singen Sie!“

Beck über das kommende Album, die Sprache amerikanischer Teenager, David Bowie – und warum das Leben wie Magie ist.

In Ihrer neuen Single „Wow“ singen Sie die ganze Zeit: „It’s Like … Wow“. So reden doch alle amerikanischen Teenager. Noch schlimmer: „Like REALLY Wow.“

Oh Mann, ja. Immer, den ganzen Tag. Alle reden so. Aber der Song war nicht als Parodie gedacht. Man hört halt gewisse Wörter um sich herum, baut sie in seine Kunst ein. Für mich ist „Wow“ wie eine Zauberformel. Das Wort ist so klein und einfach, ein süßer Gemeinplatz, ich liebe so was. Das Lustige an uns Amerikanern ist: Wir alle sprechen es gleich aus. Nicht „Wow“, sondern „Wooooooow“. Als wäre es der Ton eines Instruments.

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„Wow“ hat eine ähnliche, geradezu überbordende Funk-Produktion wie die 2015 veröffentlichte Single „Dreams“. Heißt das, beide Stücke sind auf ihrem kommenden Album vertreten?

So sieht’s aus. Die Platte sollte, ich weiß, spätestens Anfang dieses Jahres erscheinen. Aber nach dem Gewinn des Grammy für „Morning Phase“ (Album des Jahres 2014) verwarfen wir viele Ideen und fertige Songs wieder. Übrig blieben vier oder fünf. Nach dem Grammy wurde es turbulent, wir haben so viele Konzerte gegeben.

Wie wird das neue Werk?

Wie kann man am besten darauf antworten? Es fällt mir schwer den Inhalt und das Gefühl von Songs zu artikulieren. Okay: Die neuen Stücke haben mehr Groove, sind schnell, Uptempo-Lieder. Aber: Melodie geht vor Rhythmus, ich will einen Song-Aufbau mit Chorus. Einfach Maschine anschmeißen und drüber singen, das ist nicht drin. „Dreams“ war ein richtiger ordentlicher Song, voller Abschnitte und Akkordwechsel.

Wie würden Sie das kommende Album zu ihrem bisherigen Schaffen abgrenzen?

Nehmen Sie „The Information“ von 2006, das war spaciger, introvertierter HipHop. Die neue Platte soll eher wie eine Sonne strahlen, Feel-Good-Musik, kurbeln Sie die Scheibe runter und fangen Sie an zu singen. „The Information“ war wild und experimentell, live eingespielt – wahrscheinlich meine schlechtverkaufteste Platte in Amerika! Der Großteil heutiger so genannter „Moderner Musik“ ist programmiert, auch wenn sie absichtlich wie live klingen soll. Das hat zum Beispiel Pharrell Williams mit einigen Hipster-Bands gemein. Es ist elektronisch.

Beck

Der Grammy-Gewinn 2014 mit „Morning Phase“ setzte ein Statement: Folkpop hat eine Zukunft. Warum, glauben Sie, versuchte dennoch kein Musiker das Genre neu zu beleben?

Vielleicht war die Platte nicht erfolgreich genug, ich weiß es nicht. Der Einfluss von Alben auf die Musik anderer Künstler hängt nunmal auch mit Absatzzahlen zusammen. Es sei denn, Sie sind The Velvet Underground, dann können Sie auch 20 Jahre später noch etliche Bands beeinflussen.

Haben Sie die neue Platte auch selbst produziert, wie „Morning Phase“?

Dieses Werk ist eine Zusammenarbeit mit Greg Kurstin, der bereits „Dreams“ mit aufnahm. Greg spielte einst Keyboards in meiner Band, produzierte zuletzt Beyoncé, Katy Perry, Adele. Auch das ist ein Grund, weshalb das Album verspätet erscheint: Der Mann ist ziemlich beschäftigt. Für mich war diese Zusammenarbeit neu, ich schreibe sonst selten Songs gemeinsam mit anderen. Die Arbeit mit Kurstin verlief sehr gut, ich arbeitete bereits mit vielen Produzenten zusammen, einige hatten die Tendenz meine Lieder etwas schmutziger oder obskurer klingen zu lassen. Das war nicht immer in meinem Interesse. „Morning Phase“, das ich selbst einrichtete, sollte Klarheit und Präzision ausstrahlen.

Nach dem Tod David Bowies im Januar tauchte auch Ihre Coverversion eines seiner schönsten Songs wieder vermehrt im Netz auf: „Win“ aus „Young Americans“ von 1975.

Meine Version ist, glaube ich, nach „Sea Change“ von 2002 entstanden. Ohne das Saxofon, nur mit der Akustikgitarre. Ich hatte da nicht lange drüber nachgedacht, mich hatte Bowies „Win“ einfach schon beim ersten Hören angesprochen. Ich liebe „Win“. Als ich es auf der Gitarre spielte, dachte ich: „Okay, vielleicht hatte Bowie es auch so aufgenommen.“ Wer es hört, merkt sofort: Das ist die Komposition eines Menschen, der verdammt viel durchmachen musste. „Sea Change“ handelte von einer gescheiterten Beziehung. Ich dürfte während dieser Zeit ähnlich alt gewesen sein wie Bowie bei „Win“. Ich fühlte mich dem Lied nah, ich fühlte mich Bowie nah.

„Am Leben zu sein ist wie Magie“

„It’s Hip To Be Alive“ sang Bowie, als er kokainabhängig war.

Dieser Ethos ist so schwer zu artikulieren: Das Leben ist eine Herausforderung, das Leben bricht Dir das Herz. Aber es ist auch voller Freude. Am Leben zu sein ist wie Magie. Das alles in einen Song zu packen, ohne Klischees, in einen Song mit Substanz? Unglaublich schwierig. Ich versuche das mit meiner kommenden Platte auch. Bowie war da sicher Inspiration, ebenso Stevie Wonder und der frühe Prince. Und ganz viel Beatles!

Ich habe bislang noch keine befriedigende Antwort darauf lesen können, warum jedes Ihrer Alben immer anders klingen musste als das davor.

(lacht) Ich versuche von Platte zu Platte einen neuen Sound zu kreieren. Eine neue Welt. Eine eigene Kultur. Dann muss ich sehen, ob meine aktuellen Songs oder ältere zu diesem System passen. Das kann auch bedeuten, dass gerade die Stücke, die mir am besten gefallen, zunächst ins Archiv wandern – weil sie meinem Vorhaben nicht entsprechen. Dabei möchte ich gar nicht ausschließen, dass ich in meiner Vergangenheit den einen oder anderen Song auf Platte packte, nur um ihn endlich zu veröffentlichen.

„Warum sollte ich ein Pavement-Album machen?“

Gibt es ein musikalisches Genre, an das Sie sich heranwagten, aber scheiterten?

Das passiert mir am laufenden Band. Ich probierte mich mal an Sachen, die wie Michael Jackson klingen sollten. Gescheitert. In den frühen Neunzigern nahm ich ein Album auf, das reiner Indie-Rock sein sollte. Bis heute unveröffentlicht. Stattdessen machte ich mich an die Arbeit für „Odelay“. Warum sollte ich zum Beispiel ein „Pavement-Album“ machen? Pavement, ich liebe Pavement, machten Pavement-Alben doch viel besser, als ich es je gekonnt hätte.

Nach dem Grammy 2014 gingen Sie auf Tour, und ein Blick auf Ihre Setlist ließ einen verwundert zurück: Wo waren zunächst all die „Morning Phase“-Songs geblieben?

Für Festival-Auftritte verzichte ich in der Regel auf langsame Lieder. Man spielt dort für Musikfans, die vielleicht schon seit drei langen Tagen zelten. Denen ist kalt, sie befinden sich auf einem großen, kargen Feld. Da ist es vielleicht wichtiger, die Leute zum Tanzen zu animieren.

Taylor Hill Getty Images for Hangout Festiva

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