Wie die Beatles in der Ed Sullivan Show die Brit Invasion auslösten

Als sie in New York landeten, trauerte die Nation noch um John F. Kennedy. Als sie das Land wieder verließen, hatten sie die größte Explosion des Pop ausgelöst

60 Jahre Beatlemania, ausgelöst durch den ersten Besuch der Fab Four in den USA. Nach ihrem Auftritt in der Ed Sullivan Show am 9. Februar war die Popwelt nicht mehr dieselbe.

Je länger sich der Flug hinzog, desto stiller wurde John Lennon. Weshalb Paul McCartney – der laut eigener Aussage vom Erfolg der Beatles überzeugt war, seit die Debüt-Single der Band, „Love Me Do“, im Dezember 1962 in die britischen Charts eingestiegen war – wohl ebenfalls leichte Zweifel beschlichen, auch wenn er das vermutlich abgestritten hätte. Es war Freitag, der 7. Februar 1964. Die Beatles hatten wenige Stunden zuvor England verlassen, um ihre ersten Auftritte in den USA zu spielen und in Ed Sullivans äußerst populärer Sonntagabend-Show ihre Premiere im amerikanischen Fernsehen zu geben.

Erst gut ein Jahr nach ihren frühen Erfolgen in Großbritannien war auch das amerikanische Publikum auf die Beatles aufmerksam geworden, aber in den letzten Wochen überschlugen sich plötzlich die Ereignisse. Am 17. Januar, als sie gerade ein dreiwöchiges Gastspiel in Paris gaben, hatten sich Lennon und McCartney nach einer Show mit George Harrison, dem Leadgitarristen der Band, und Ringo Starr, ihrem Schlagzeuger, in ihrer Hotel-Suite versammelt, als ihr Manager Brian Epstein ihnen mitteilte, er habe ein Telegramm von Capitol Records bekommen: „I Want To Hold Your Hand“, ihre erste Single für das Label, wurde in den Cashbox-Charts als Nummer eins gelistet, nachdem sie sich in den drei Tagen seit ihrer Veröffentlichung eine Viertelmillion Mal verkauft hat.

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„Den Beatles fehlten die Worte … wie kleine Kätzchen kauerten sie zu Brians Füßen auf dem Boden“, erinnerte sich Dezo Hoffman, der Hausfotograf der Band. Der ebenfalls anwesende Arrangeur und Produzent Quincy Jones wettete mit Epstein und McCartney, dass die Beatles Amerika im Handstreich nehmen würden. Lennon, Harrison und Starr hielten dagegen. Im September 1963 hatte Harrison seine Schwester Louise in Benton, Illinois besucht. „Da drüben kennt uns niemand“, erzählte er anschließend seinen Bandkumpels über Amerika. „Das wird richtig hart für uns.“

Aber jetzt gerade, während die Beatles sich den Vereinigten Staaten näherten, eroberte ihre US-Debüt-Single „I Want To Hold Your Hand“ auch noch die Spitze der Billboard-Hot-100-Singles-Charts – und es sollte nur noch eine Woche vergehen, bis „Meet The Beatles“, ihre erste Langspielplatte für Capitol Records, am 15. Februar 1964 die Album-Charts anführen würde. Lennon, Harrison, McCartney und Starr verließen während des Fluges immer wieder die Plä­tze, um mit Freunden und Wegbegleitern wie Epstein oder dem Produzenten Phil Spector zu sprechen.

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„Es gibt nichts, was es in Amerika nicht auch gibt“, machte McCartney gegenüber Spector seinen Zweifeln Luft, „warum sollten also ausgerechnet wir da drüben Geld machen? Die haben ihre eigenen Bands. Was können wir ihnen denn bieten, was sie nicht schon selbst haben?“ Lennon, der neben seiner Frau Cynthia saß, schwankte – wie eigentlich Zeit seines Lebens – zwischen Unsicherheit und Arroganz. „Während des Fluges dachte ich: ,Oh je, dort werden wir es niemals packen‘ … aber das ist halt nur die eine Seite von mir“, erzählt er später Jan S. Wenner vom Rolling Stone. „Wir wussten durchaus, dass wir euch platt machen könnten, wenn wir euch einmal am Haken hatten.“

Als die Maschine auf dem New Yorker John F. Kennedy International Airport landete, der gerade zu Ehren des ermordeten Präsidenten umbenannt worden war, informierte der Pilot die Band, dass sie von einer großen Menge Fans erwartet wurden. Für die Beatles waren Menschenaufläufe nichts Neues. Kreischende Teenies gehörten bei ihren Shows in England schon seit über einem Jahr zum Alltag. Der Londoner „Daily Telegraph“ hatte die bedingungslose Hingabe ihrer Fans sogar mit der bei den Nürnberger Parteitagen der Nazis verglichen. Dennoch reagierten die Fluggäs­te irritiert auf den unglaublichen Lärm, der ihnen entgegenbrandete, als die Maschine sich dem Gate näherte.

„Wir konnten dieses schrille, laute Getöse hören“, sagte Cynthia Lennon später. „Wir dachten, es wären die Turbinen, aber es war das Kreischen der Fans.“ Als die Beatles von Bord gingen, erblickte McCartney den Tumult und fragte: „Für wen sind die denn hier?“ Die Band blieb auf den Stufen der Gangway stehen und musterte ungläubig das Spektakel: 4.000 junge Leute außer Rand und Band drängten sich gegen Fensterscheiben, hingen über die Brüstung von Aussichtsplattformen, scharten sich auf Gebäudedächern, winkten ihnen jubelnd zu, und begrüßten die Band mit gro­ßen, selbstgemalten Schildern, während lange Reihen von Polizisten sich abmühten, die wogende Menge im Zaum zu halten. Tom Wolfe, der für die „New York Herald Tribune“ von der Ankunft der Beatles berichtete, schrieb, dass einige der Mädchen versuchten, über die Absperrungen zu klettern.

McCartney, der ein unnachahmliches Talent dafür besaß, seine Mimik mit maximalem Effekt zu kontrollieren, sah aus wie benommen. „Auf einer Schock-Skala von eins bis zehn“, sagte er später über die Szenerie am JFK Airport, „war das eine glatte 100.“

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