Emma Rose: Disruptiver Bedroom-Pop

Die Bochumerin singt Gangsta-Rap-Texte mit balladesker Annett-Louisan-Stimme.

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Die Kunst der 22-jährigen Emma Rose aus Bochum ist die der kognitiven Dissonanz. In einem TikTok-Video aus dem vergangenen Jahr sieht man sie an der Ukulele ein Mash-Up aus Texten von Farid Bang singen. Der hat einige der sexistischsten und menschenverachtendsten Zeilen in den Deutschrap gebracht. Da sitzt also ein junges Mädchen mit rotblondem Lockenkopf und trägt mit zarter Annett-Louisan-Stimme vor: „Ich exe den Whisky, du Hurensohn / Gestern Vanessa, heute fick ich Sidney / Meine Fans tragen Glatze wie Britney“.

Die größte Aufmerksamkeit hat ihr zwar ein Cover von Wir sind Helden gebracht. „Nur ein Wort“ wollten knapp 750.000 Menschen sehen. Aber dass sie jetzt bei einem Sublabel von Sony untergekommen ist und mit verschiedenen Produzenten und Unterstützern beim Songschreiben an einem Stil feilen darf, ist wohl eher ihrer guten Idee zu verdanken, Gangsta-Rap wie den von Money Boy als Ballade zu interpretieren und damit problematische Weltbilder zu offenbaren.

In den ersten Songs, die jetzt bei Cornelia aus dem Hause Epic Records erschienen sind, eröffnet sie ihre eigene Dissonanz. Zu angenehm fluffigem Elektropop haucht sie zynische Texte, die toxische Männlichkeit thematisieren: „Du hast die Feministin aus mir rausgefickt / Hast mein Herz erobert nur mit einem Pfiff / Deine starke Hand weist mir den Weg /Endlich wer, der sieht, dass ich nix versteh’“, heißt es in „Das Beste“.

Dem eigenen Tempo folgen

Vor dem Interviewtermin mit Emma Rose wappnet man sich also. Möchte auf keinen Fall wie ein unreflektierter Medienmann wirken. Aber dann sitzt einem der offenste, freundlichste und am wenigsten angriffslustige Mensch gegenüber, den man sich vorstellen kann.

Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil sie am Anfang der Schulzeit etwas langsamer war, sei sie auf einer Waldorfschule gelandet. Und da wird das Kreative bekanntlich gestärkt. Theaterspielen, Singen. Beim Projekt „Jugendsongs“ der Ruhrtriennale schrieb sie ihre ersten Lieder. Und weil ihr Abitur genau in die Corona-Lockdowns fiel, hatte sie viel Zeit, Zuhause Musik zu machen, Videos in die Welt zu setzen, von denen einige viral gingen.

„Ich habe mich lange nicht getraut, den Traum zu träumen, wirklich Musikerin zu werden.“ Ein Vorbereitungsjahr an der Musik-Akademie Arnheim gefiel ihr nicht. Sie folgt zu gerne eigenen Plänen: „Ich finde es schrecklich, wenn Leute Visionen für mich haben.“

Der Weg, den sie jetzt mit Sony geht, könnte also genau richtig sein: In größtmöglicher Freiheit einen eigenen Stil finden. Was sie mag: Bedroom-Pop, Annett Louisan, das Duo Blumengarten aus Velbert, den Bochumer Songwriter Frère, der Sounds für sie gebastelt hat. Erste Live-Erfahrung sammelt sie gerade als Support für Zartmann oder Ivo Martin. Und irgendwann, dem eigenen Tempo folgend, wird ein eigenes Programm entstehen.

Text: Florian Max Kühlem