Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Würdelos und Spaß dabei

„Ich musste etwas machen“: Unser Kolumnist über Aquafitness-Erfahrungen mit Just-do-it-Sarah, Schweinehund-Überwindungsmusik und Schwimmnudeln.

Folge 263

„Just do it“ steht in Glitzerschrift auf Sarahs schwarzem Tanktop. Sie springt mit weit ausgestreckten Armen am Beckenrand auf und ab, Schaumstoffhanteln in beiden Händen, und reckt abwechselnd das linke und das rechte Bein in Richtung der jeweils entgegengesetzten Hantel. Zu ihren Füßen im Becken: zwanzig mehr oder weniger unsportliche Menschen – überwiegend ältere Damen, aber auch ein, zwei Herren –, die sich nach Leibeskräften mühen es Sarah nachzutun.

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Ich bin einer der Herren und Sarah ist meine Aquafitness-Trainerin. Irgendwann war es einfach so weit und „ich musste etwas machen“, wie man in Kreisen von sportfern aufgewachsenen Menschen mit Hang zur Willensschwäche sagt. Dreimal pro Woche springe ich jetzt mit Schaumstoffhanteln und anderen Requisiten im Wasser herum, und solange ich mir selbst nicht dabei zusehen muss, ist das auch in Ordnung.

Die berechtigte Frage „Warum um Himmels willen Aquafitness?“ sei mit dem Verweis darauf beantwortet, dass alles andere noch entsetzlicher wäre. Überwindung kostet mich allenfalls das Drumherum: Das Schwimmbecken gehört zu einem Fitnessstudio, in dem alles genau so ist wie in den Fitnessstudios, die ich aus meinen Albträumen kenne. Vor allem die Herrenumkleide ist ein Hort des Grauens: zu viel verschwitzter Mann auf engstem Raum, Körper in Konkurrenz, Testosteron am Limit. Ich verfahre nach dem bewährten Prinzip „Augen zu und durch“.

„Bauchnabel einziehen!“

„Ihr macht das nur für euch!“, brüllt Sarah in ihr Headset und motiviert uns, das Tempo unseres Herumhampelns im Wasser zu erhöhen. Zu ihrem Anfeuerungsrepertoire zählen außerdem die Phrasen „Bauchnabel einziehen!“, „Ich will eure Füße sehen!“ und „Mehr! Mehr! Mehr!“. Das alles wäre nicht der Berichterstattung wert, wenn bei der Aquafitness keine Musik liefe. Aber natürlich läuft hier Musik, in Fitnessstudios läuft immer Musik. Schweinehund-Überwindungsmusik. Bootcamp-Geballer. Just-do-it-Pop. Im Fall meines Aquafitnesskurses wird von Sarah jedes Mal dieselbe Playlist abgefeuert.

Ich habe heimlich nachgeschaut: Sie heißt „Best of Aerobic & Cardio 80s Work- out Mix“ oder so ähnlich und enthält grotesk beschleunigte Versionen beliebter Stimmungshits wie „Every Breath You Take“ von The Police, „Go West“ von den Pet Shop Boys, „Because The Night“ von Patti Smith/Bruce Springsteen und „Human“ von den Killers. Dass die meisten der Lieder nicht aus den Achtzigern stammen, ist dabei völlig unerheblich, schließlich sind immer irgendwie die 80er-Jahre. Entscheidend ist, dass die Versionen allesamt klingen, als handele es sich um das Vollplayback einer auf der Stadtfestbühne von Wermelskirchen herumhüpfenden Eurodisco-Coverband, deren Mitglieder vorher geschlossen das Seminar „Würdelos und Spaß dabei“ besucht haben.

Apropos „würdelos“: Manchmal legen wir die Schaumstoffhanteln auch beiseite und greifen zur Schwimmnudel. Ich habe mich beim unsachgemäßen Herumhantieren mit diesem Gebilde schon ein paarmal so unglücklich verdreht, dass ich fürchtete, man müsste mich vor dem Rest des Kurses mühsam wieder entknoten. Es wird aber langsam besser. „WHOU!“, jauchzt Sarah, wenn wir venusartig auf den Dingern im Wasser herumhoppeln. Sie klingt dann ein wenig wie die Nervensägen, die auf Konzerten ihr Lieblingslied erkannt haben und jeden wissen lassen müssen, dass sie es erkannt haben. Bei Sarah ist dieses „WHOU!“ aber sehr motivierend, das muss ich zugeben.


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Am Schluss, zum Lockern und Dehnen, wechselt Sarah zur Balladen-Playlist, die ausnahmslos Hotelbar-Versionen beliebter Schleimballaden bereithält. Ich mag die Eurodisco-Peitsche vorher aber deutlich lieber, schlicht und ergreifend weil man sich beim Herumzappeln zu diesen 160-bpm-Versionen allzu große Abscheu im Grunde gar nicht leisten kann, ohne so sehr aus dem Tritt zu geraten, dass man vor Schreck das halbe Beckenwasser verschluckt.

Werde ich durchhalten? Und wenn ja, wie lange? Die Gefahr ist groß, dass es läuft wie immer: Nach einer Phase suchtartigen Übertreibens gewinnt die süße Trägheit wieder die Oberhand.

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(Anmerkung: Es handelt sich nicht um exakt die selbe Playlist unseres Autors, aber hören Sie nur den ersten Song und sie wissen, wie er sich während seiner sportlichen Betätigung fühlt…)

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