RS-Interview

Forest Whitaker: „Ich habe mir Sorgen gemacht, zu ernst zu wirken“

ROLLING STONE hat mit dem Oscar-Preisträger über seine neue Rolle als Drogen-Mafioso in „Godfather of Harlem“, die Unterdrückung von Schwarzen und Malcom X gesprochen.

Vom Highschool-Quaterback 1982 in „Ich glaub‘, ich steh‘ im Wald“ über den ugandischen Diktator Idi Amin in „Der letzte König von Schottland“ 2006 bis hin zum ikonischen Auftritt in „Der Butler“: Forest Whitakers schauspielerisches Werk ist bunt, umfangreich und – wie er in seiner neuen Serie „Godfather of Harlem“ abermals beweist – nahtlos dicht verwoben.

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Denn die Rolle von Harlems berühmt-berüchtigten Drogenbaron und Gangsterboss Bumpy Johnson scheint Whitaker wie auf dem Leib geschnitten. Im Amerika der frühen 1960er Jahre und mitten im historischen Mafiakrieg auf Harlems Straßen, vor dem Hintergrund der Bürgerrechtsbewegung, zeichnet Whitaker mit Bumpy Johnson eine Figur der Widersprüche, bei der sich private und professionelle Beziehungen immer wieder in die Quere kommen.

Zur Vorbereitung: Gespräche mit „echten“ Gangstern

Spricht man privat mit dem Hollywoodstar, so sucht man jedoch vergeblich nach den Spuren der bitteren Kälte und derben Töne. Stattdessen brummt an einem Montagabend eine warme, etwas erschöpfte und fast schon zurückhaltende Stimme durch die Leitung von Amerika nach Deutschland. Dort erzählte er von der Zusammenarbeit mit Swizz Beatz, davon, wie es in der zweiten Staffel weiter geht und wie ihn die Rolle als Gangster verändert hat: „Ich habe mir neulich ein bisschen Sorgen gemacht, weil mir jemand gesagt hat, dass ich ernster wirke.“

Zur Vorbereitung traf er sich außerdem wohl mit echten New-Yorker Mafiosos. Für die Exploration und Entwicklung seiner Film- und TV-Rollen seziert Whitaker seine Charaktere nämlich bis auf das blanke Knochen-Gerüst. Den Prozess erklärt Whitaker in einem Interview so: „You peel off all the layers until you find sth that connects to you and then you put them back on, let the light shine through and figure out how you might have acted in that situation, what you would have done different.“

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Forest Whitaker im Interview

RS: „Godfather of Harlem“ spiegelt die Vergangenheit und bringt sie in die Gegenwart. In Bezug auf die Black-Lives-Matter-Bewegungen: Was können wir von den Einblicken lernen, die „Godfather of Harlem“ in die Bürgerrechtsbewegung der 60er gibt?

Forest Whitaker: In der ersten Staffel fingen wir an, das Thema anzusprechen. Wir sehen, wie die Leute ihre Stimme erheben, sich zusammenschließen, um für ihre Bürgerrechte und für ein anständiges Leben zu kämpfen. In der kommenden Staffel werden Sie in der Lage sein, einige der historischen Unruhen zu sehen, die in dieser Zeit stattgefunden haben. Die Show reflektiert, dass es eine Verbindung zwischen dem politischen System und dem zivilen System gibt und sie erlaubt uns, über die Themen nachzudenken, die heute passieren, wie Polizei-Brutalität, die Spaltung dieser Nation, der Kampf um Bürgerrechte, all das wird 1964 gezeigt – also in der zweiten Staffel.

Was hat Sie als Produzent an der Serie gereizt?

Sie fragten mich immer wieder, ob ich eine Show über Bumpy Johnson entwickeln würde. Ich war mir zuerst nicht sicher, aber dann fingen wir an, darüber zu diskutieren und erkannten die Beziehung, die er zu Malcom X hatte, und dass wir in den 60er Jahren beginnen würden, was eine sehr emotionale und wichtige Periode für die Bürgerrechtsbewegung war, die nicht nur in seinen Charakter hineinspielte, sondern ihn auch in dieser Zeit wandeln ließ. Das hat uns erlaubt die Beziehungen und Dinge zu erforschen, die in der Welt um ihn herum mit der Bürgerrechtsbewegung vor sich gingen. Das hat mich wirklich interessiert.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet, nicht nur historisch, sondern auch in Bezug auf die Gangster-Attitude? Wurden Sie von irgendwelchen klassischen Gangsterfilmen inspiriert?

Ich habe eine Menge gesehen. Ich habe alle „Godfathers“ und „Once Upon A Time in Amerika“ gesehen und von den moderneren die „Scarfaces“, ich habe sie alle gesehen. Aber bei Bumpy ist mir aufgefallen, dass er eine extrem private Person war und seine Handlungen wirklich kalkuliert waren. Es gibt kaum Fotos von ihm, dabei hatte er eine fast 40 Jahre währende Verbrecherkarriere. Ich begann, mich mit Leuten zu treffen, die mir halfen, diesen Kerl zu verstehen. Ich traf mich mit seinen Bodyguards und Shizam und Jimbag und dem Kerl, der nach Malcom den Mob übernommen hatte, und er begann, sich zu einem einzigartigen Mann zu formen, mit einer Menge Widersprüche. Sehr liebevoll zu seiner Familie. Sie luden Margaret für uns ein – die kleine Frau, die Sie in der Show sehen können, sie ist vor einem Jahr verstorben – die uns erzählte, dass er Partys für sie geschmissen hat – gleich um den Block – und sie einfach gefeiert hat. So begann ich, diesen Mann zu verstehen. Er war dieser konservative, fast einem Banker ähnliche Mafioso, der diese Gemeinde kontrollierte, aber er war auch ein Schachspieler, ein Dichter. All diese verschiedenen Seiten als Vater, Großvater und Ehemann und Drogendealer. Ich meine, er war ein Mörder. Und in der Serie bekommen wir die Chance, mehr über ihn zu erfahren, während er mehr über sich selbst und die Art, wie er die Welt betrachtet, lernt.

Können Sie die Beziehung zwischen Bumpy Johnson, Malcom X und der Bürgerrechtsbewegung beschreiben?

Nicht nur bei Schwarzen, sondern generell bei Menschen, die unterdrückt werden, gibt es oft nur bestimmte Möglichkeiten im Leben voranzukommen, sich zu fügen, vorwärts zu kommen. Die Menschen, die unterdrückt werden, sind letztlich diejenigen, die sich wehren, um in irgendeiner Weise Gleichberechtigung zu finden. Zuerst machen sie die Art von Geschäfte, die sie betreiben können, die vielleicht illegal und unerlaubt sind, aber dann haben die Menschen Bürgerrechtsaktionen unternommen, um als Gruppe zusammenzukommen. Ich denke, Malcom X ist eine gute Seele, er kam aus einer schwierigen Zeit, jemand, der mit den Kriminellen auf den Straßen arbeitete und sein Leben im Gefängnis änderte, um Anführer der Nation of Islam zu werden und er begann zu protestieren und für Gleichheit zu kämpfen. An einem Punkt nannten wir es „The American Dream by any means necessary“, und das war es, was das Drehbuch trug.

Welche Bedeutung hat Musik für die Show?

Musik ist wirklich wichtig, sie ist eigentlich ein Subtext für die Serie. Wir wussten immer, dass wir eine Serie machen würden, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet. Schon beim allerersten Treffen, als wir EPIX vorschlugen, dies Reihe zu machen, sprach ich ein wenig über Musik und wie sie die emotionalen Gefühle von gestern in das Heute übersetzen könnte. Also heuerten wir Swizz Beatz an, um daran zu arbeiten. Die Musik war so wichtig, dass wir ein „Labor“ einrichteten, um Musik zu schreiben. Sie gingen also mit Swizz Beatz ins Studio, zusammen mit den Produzenten und verschiedenen Künstlern, und schrieben die Musik selbst, während sie sich die Szenen anschauten, die wir ihnen zeigten, oder die Serie selbst sahen, so dass es ein integraler Bestandteil des Ausdrucks und des Schreibens für die Serie wurde.

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Rollen hinterlassen oft ihre Spuren bei den Schauspielern. Welche Charaktereigenschaften Bumpy Johnsons haben sie nachträglich beeinflusst?

Ich habe mir neulich ein bisschen Sorgen gemacht, weil mir jemand gesagt hat, dass ich ernster wirke. Also habe ich beschlossen, dass ich ein bisschen mehr lächeln und lachen muss, weil ich von ein paar Leuten darauf aufmerksam gemacht wurde.

Wie war die Stimmung am Set?

Die Stimmung war gut. Die Leute glauben wirklich an diese Serie. Wir haben die zweite Staffel begonnen und die meisten unserer Crewmitglieder sind zurückgekommen. Das Set-Design ist dieses Jahr noch umfangreicher geworden, sie bauen eine Menge Sets auf der Bühne. Die Apartments 22 West, das Restaurant, die Wohnung, in die meine Jungs gehen, die Italiener haben ihren eigenen Platz am Set. Aber draußen auf der Straße zu sein, hat dem Ganzen auch neues Leben eingehaucht.

Haben Sie jemals darüber nachgedacht, die Serie auf die große Leinwand zu bringen?

In der TV-Serie können wir die Charaktere wirklich erforschen. Man sieht, wie sich meine Tochter weiterentwickelt und meine Frau zu einer wirklich starken Figur wird. Die Aufnahmen sind „filmisch“ und das war Absicht, vielleicht weil wir einen Filmhintergrund haben. Ich denke also, dass die Serie selbst im Kino stark wirken würde, wenn sie verfilmt würde, denn so ist sie wirklich konzipiert. Und das werden wir in der nächsten Staffel noch mehr umsetzen.

Was können Sie uns über die hochkarätige Besetzung erzählen, die Sie für diese Serie gewinnen konnten?

Ich denke, wir hatten wirklich Glück, die richtigen Leute bekommen haben. Nigel Thatch, es ist fast unmöglich, sich jemand anderen als ihn für die Rolle des Malcom X vorzustellen. Da ich auch Produzent bin, konnte ich beim Vorsprechen mit jedem einzelnen von ihnen lesen und sehen, ob die Chemie stimmt. Meine Frau Ilfenesh trägt die historische Schönheit der Zeit mit der Sinnlichkeit, die wir brauchten. Giancarlo Esposito als Powell Jr. – Luis Guzman wollte es erst machen und leider – (Pause) – konnte er nur für einen bestimmten Zeitraum in der Serie mit uns arbeiten und wir konnten ihn trotzdem engagieren. Es schien, als ob viele der Schauspieler einfach dabei sein wollten.

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