Guitar Summit 2025: Drei Tage auf der größten Gitarrenshow Europas
ROLLING STONE war auf dem Guitar Summit und sprach mit vielen prominenten Stimmen der Gitarrenszene.
Spaziert man am Donnerstagvormittag durch Mannheim, gibt es keinen Zweifel, dass gerade wieder der Guitar Summit ansteht. Egal, ob am Hauptbahnhof oder bei der Gegend rund um den Wasserturm: Menschen mit Equipment- und Gitarrenkoffern, Jacken und T-Shirts mit Markenemblems. Drei Tage lang trifft sich wieder die internationale Gitarren- und Bassszene zur angenehmeren Version der NAMM – der großen Musikmesse in Los Angeles.

Für Afficionados von Saiteninstrumenten, Verstärkern, Effektpedalen und anderem Equipment ist der Guitar Summit wahlweise ein Dopaminrausch, ein Klassentreffen von Gleichgesinnten, ein Networking-Event oder ein (im besten Sinne) Nerdfest. Wem der kakophonische Gedanke vor tausenden, durch laute Verstärker gespielten E-Gitarren Angst macht, sei beruhigt: Getestet wird fast ausschließlich silent – mit Kopfhörern, durch diverse Modeller-Systeme oder andere lautlose Systeme.

Das ist nicht nur der physischen und psychischen Gesundheit aller Beteiligten zuträglich, sondern macht die Guitar Summit auch zu einem entspannten Vergnügen. Wer’s dann doch laut mag, kann sich in das Untergeschoss begeben und im klanglich geschützten Raum laute Amps ausprobieren.
„Rhythm is good for you“ und andere Workshop-Weisheiten
Es ist 11 Uhr, und ich stehe pünktlich zum Einlass am Presseingang. Circa eine Sekunde später laufe ich dem schwedischen Gitarristen und Neo-Gitarrenfirmen-Chef Mattias IA Eklundh über den Weg. Eklundh, der in den 1990er-Jahren von Steve Vai und dessen Label Favored Nations gesignt wurde und zu dieser Zeit international bekannt wurde, stellt nicht nur die Gitarrenmodelle seiner Firma Freak Guitar Lab aus, sondern gibt am ersten Tag auch einen Workshop. Wer Eklundh kennt, weiß, was ihn erwartet: nämlich eine saftige, aber humorvolle Lektion in Konnakol – jener traditionellen indischen Rhythmussprache, die seit Jahren wesentlicher Teil von Eklundhs musikalischer DNA geworden ist. Es ist seine eindringliche Botschaft an die Shredding-Community: „Rhythm is good for you“, das „Sweeping und Swooping“ mal beiseitelassen. Glücklicherweise ist Yngwie Malmsteen nicht im Workshop, um zu widersprechen!
Eklundh ist nur einer von vielen Workshops, die die Guitar Summit bietet: Tosin Abasi, Misha Mansoor, Dweezil Zappa, Andy Timmons, Sarah Longfield, Billy Sheehan, Plini und viele andere: Es ist für jeden was dabei, das Programm ist einmal mehr sehr hochwertig, und wer noch etwas mehr investiert, besucht eine Masterclass.

Dabei kommt längst nicht nur die E-Gitarren-Community auf ihre Kosten: Der erste Stock ist der Akustikgitarre gewidmet – und da gibt’s von edlen Meistergitarren (ich unterhalte mich etwa lange mit den polnischen Gitarrenbauern der Turkowiak-Familie und teste eine wunderschöne Meistergitarre für knapp 15.000 Euro) bis hin zu erschwinglichen Modellen alles. Dasselbe gilt für Verstärker, Effektpedale, Bässe – es ist alles da, was das Herz begehrt.
Einzig die zwei Riesen der Gitarrenszene, genau, die mit dem F und die mit dem G, fehlen auf der Guitar Summit gänzlich. Macht aber nichts, denn S-, T- oder LP-Style-Gitarren gibt es in allen Variationen, Interpretationen, Preisklassen und Ausführungen. Von ganz edel und teuer (Zahnarzt-Gitarren, salopp gesagt) bis erschwinglich, von Headless-9-String bis traditionell, vom Metal-Ruder bis zu obskuren Stücken – man kann sich nicht sattsehen, und man kann stundenlang testspielen.

Ist man alle drei Tage auf dem Guitar Summit, gilt es aber auch, sich die Kräfte einzuteilen. Deswegen bestehen die Tage für mich persönlich eher aus vielen Gesprächen und Interviews und nur ganz selektiv aus Testspielen. Aus Traditionsgründen schaue ich bei Aristides Guitars vorbei, die drückten mir auf meiner ersten Guitar Summit vor Jahren eine 9-saitige mit sehr slanted Bünden in die Hand und meinten: spiel die mal. Was sich so seltsam anfühlte, dass mir die guten Herrschaften diesmal nur ein siebensaitiges Headless-Modell in die Hand drücken.
Mattias IA Eklundh: „Das hier ist die Messe, auf der man in Europa sein muss“
Sozusagen meine Home-Booth, an der ich an dem Tag immer wieder zurückkehre, ist die von Freak Audio Lab, wo nicht nur jede Menge Messebesucher, sondern auch viele prominente Gitarristen immer wieder vorbeikommen. Frank Zappas Sohn Dweezil Zappa etwa oder Testament-Gitarrist Alex Skolnick. „Eigentlich sollten wir gar nicht hier sein – die Messe war ausgebucht. Wir hatten gerade eine Japan-Tour, ein französisches Festival, einen Tag zuhause. Ich dachte, das wird logistisch die Hölle“, erzählt Mattias IA Eklundh. „Aber der True-Temperament-Kollege bot mir eine Fläche an, und ich dachte: ‚Scheiß drauf, machen wir.‘ Also haben wir den Stand geteilt.“ Über die Guitar Summit hat er nur Positives zu berichten: „Es ist meine dritte Guitar Summit, ich kenne Stephan Killermann und das Team gut. Sie behandeln uns großartig. Das hier ist die Messe, auf der man in Europa sein muss.“

Über die Idee, seine eigene Gitarrenmarke in die Welt zu rufen, erzählt Eklundh: „Das war meine Chance, meine eigene Gitarre von schwedischen Leuten bauen zu lassen, die Gitarren wirklich lieben – keine Kinderarbeit, keine schmutzigen Geschäfte. Denn das Gitarrengeschäft ist wie jedes andere Geschäft: Wenn du eine billige Gitarre in Indonesien herstellen lässt, muss irgendjemand den Preis dafür zahlen. Dann verkaufst du sie für viel Geld weiter. Für mich geht es nicht ums Profitmachen – obwohl ich guten Profit mache. Es geht darum, selbst involviert zu sein“.
Eklundh weiter: „Ich liebe True Temperament. Die Fabrik ist eine Stunde entfernt, ich kann hinfahren, Donuts und Kuchen mitbringen, mit allen reden, mir die Bodies und das Holz ansehen. Ich weiß immer noch nicht besonders viel über Gitarren, aber ich weiß, was ich mag und was nicht. Und wir haben ein großartiges Gleichgewicht gefunden. Sie spielen sich hervorragend, klingen großartig mit den Lundgren-Pickups und sind perfekt ausbalanciert. Wenn ich bei jedem Gig 90 Minuten spiele, will ich keine kopflastige Gitarre.“
Hier findet ihr viele weitere Eindrücke.
Ola Strandberg im Gespräch über Innovation
Schweden ist überhaupt stark vertreten. So präsentieren am ersten Tag Strandberg ihre neue Gitarrenlinie, die überarbeitete Boden-Serie. Ergonomisch, innovativ, headless, bis ins Detail durchdacht – und auf eine minimalistisch-sleeke Art und Weise präsentiert, dass man fast denken könnte, man hätte es hier mit einer Apple-Keynote zu tun. Ich treffe Ola Strandberg nach der Pressekonferenz zum Gespräch – und die Apple-Frage brennt mir ein wenig auf den Lippen.

Ob er nicht Angst hat, irgendwann mal auf das Smartphone-Dilemma zu kommen: Was, wenn’s irgendwann einfach nicht viel zu verbessern gibt (Akkulaufzeit ist bei Strandbergs ja glücklicherweise kein Problem)? Dieser Gedanke beschäftige ihn durchaus, sagt Strandberg. Man stehe für Innovation, aber wenn man nur kleine, inkrementelle Verbesserungen mache und das Instrument im Kern gleich bleibe, tappe man in dieselbe Falle wie alle anderen Gitarrenmarken, die am „Ikonen-Status“ festhielten. Es gebe aber durchaus Richtungen, in die man gehen könne. Derzeit habe man zwei Hauptkorpusformen – Boden und Sälen –, doch es gebe Spielraum für Weiterentwicklungen. Außerdem entstünden ständig neue musikalische Trends, auf die man reagieren wolle. „
Die Geschichte der Gitarre zeigt, dass sie sich immer gemeinsam mit der Musik entwickelt hat“, erklärt Strandberg. „Aus dem Bedürfnis heraus, auf der Bühne lauter zu sein, bestimmte Klänge zu erreichen oder Experimente in völlig neuen Kontexten einzusetzen, entstand oft völlig neue Musik. Ich hoffe, dass wir über unser Player-Netzwerk etwas entwickeln können, das den Bedürfnissen einer neuen Musikgeneration gerecht wird.“

Zu den schwedischen Innovationen zählt auch True Temperament – jene Firma, deren wellenförmige Bünde Gitarren seit Jahren sauberer klingen lassen. Statt der üblichen Kompromiss-Intonation berechnet das System für jede Saite den exakten Punkt und formt die Bundstäbchen entsprechend. Das Resultat: Akkorde klingen ungewohnt rein, Voicings glasklar. Ich komme mit Andres Nicklasson von True Temperament ins Gespräch – und der erzählt mir, dass er einst Subjekt einer Titelstory des US-amerikanischen ROLLING STONE war.
Er war es nämlich, der Lemmy von Motörhead vorschlug, Kopfhörer auf den Markt zu bringen – und half als Brand Manager dem erfolgreichen Projekt zur Geburt. Klar, dass er einige witzige Lemmy-Anekdoten parat hat. „Ich hatte einfach die Idee, einen wirklich guten Kopfhörer für Rockmusik zu entwickeln. Es gab so viele Kopfhörer mit übertriebenem Bass, ich wollte etwas mit richtig guten Mitten. Also habe ich mich gefragt, welche Band dafür am besten wäre. Ich sprach Motörhead an – und sie sagten sofort: Ja, klar. Also haben wir gemeinsam eine Marke für Rockmusik geschaffen, etwas, das richtig laut ist. Und wir hatten eine richtig gute Zeit, das zu promoten.“ Wie Lemmy Geschäfte machte? „Er hatte die volle Kontrolle über alles“, erinnert sich Nicklasson. „Und wenn ich es nicht richtig gemacht hätte, hätte er mich verprügelt.“

Natürlich sprechen wir aber auch über die Philosophie von True Temperament. Er erklärt mir, dass die Idee bereits in den Achtzigern entstand, als der mittlerweile leider verstorbene Erfinder Anders Thidell so frustriert war, dass er seine Gitarre nie perfekt stimmen konnte. „Er hat 20 Jahre damit verbracht, die exakten Punkte für jeden Ton zu finden“, erzählt Nicklasson. „Im Prinzip hat er für die Gitarre das gemacht, was im 18. Jahrhundert für das Klavier getan wurde – nur ist es auf der Gitarre viel schwieriger.“ Keine leichte Mission: „Die ersten 15 Jahre passierte fast nichts. Er hatte keine Leute um sich, die das vorantrieben – er war einfach ein Erfinder. Vor etwa fünf Jahren haben wir dann einen Neustart gemacht, Leute aus der Branche und anderen Industrien dazugeholt und das Bundsystem auf ein neues Level gebracht. Heute ist unsere Mission, die gesamte Industrie zu verändern.“ Das gesamte Interview könnt ihr hier lesen.
Per Nilsson über die Guitar Summit: „Ich liebe es!“
Am Ende des zweiten Tages laufe ich Per Nilsson über den Weg. Nilsson ist ein herausragender Gitarrist und Improvisator – viele kennen ihn als ehemaligen Tourgitarristen von Meshuggah oder von Nilssons eigenen Projekten Kaipa oder Scar Symmetry. Auch ihm gefällt es auf der Guitar Summit: „Ich liebe es. Das ist die eine Zeit im Jahr, wo ich all die Leute treffe, die ich sonst nie sehe. Hier ist es viel entspannter als bei der NAMM. Dort gibt es Schlagzeuge, Becken, Snare-Drums – alles wird gleichzeitig ausprobiert. Die Gitarrenhalle ist ein einziger Lärmteppich. Das hat seinen eigenen Vibe, klar, ist auch irgendwie cool – aber drei Tage am Stück machen dich fertig. Die Guitar Summit ist eine angenehme Abwechslung“, sagt er.

Nilsson ist hier, um den „Soft Launch“ seiner Strandberg-Signature vorzustellen. Wie die ist? „So schwarz wie möglich. Keine Inlays auf dem Griffbrett – komplett schwarz. Es gibt nur seitliche Positionspunkte. Meine Lundgren Anomaly-Pickups sind ebenfalls komplett schwarz, sogar das Logo ist dunkelgrau. Sieht extrem cool aus. Die Gitarre heißt jetzt Strandberg Singularity Pitch Black“, erklärt Nilsson, der derzeit zwar an neuer Musik arbeitet, sich aber auch vermehrt auf seine Patreon-Community konzentriert.

Ben Eller: Meeting Uncle Ben
Auch dem großartigen Gitarren-YouTuber Ben Eller (unbedingte Channel-Empfehlung!) begegne ich. Wir kommen ins Plaudern. Eller erzählt, wie überrascht er von den positiven Reaktionen zu seinem Kurzzeit-Interimsgig bei Mastodon war. „Ich war völlig verblüfft. Metal-Fans können, seien wir ehrlich, ziemlich wählerisch sein, was ihre Band-Lineups betrifft und wer ihren Lieblingsgitarristen ersetzt. Ich hatte erwartet, dass ich eine tolle Zeit haben würde, dass es ein besonderes Erlebnis für mich werden würde – und dass ich am nächsten Tag mein Handy öffne und mir Flammen aus dem Internet entgegenschlagen, weil mich alle dafür hassen. Aber die Reaktionen der Fans waren eine der unglaublichsten Erfahrungen meines Lebens. Ich konnte diese Positivität kaum glauben. Das hat den gesamten Gig noch spezieller gemacht.“

Wir sprechen darüber, ob ihn das motiviert hat, noch mehr live zu spielen. „Oh, ich spiele ohnehin so viel live wie möglich“, erklärt er. „Zu Hause in Tennessee habe ich eine Hair-Metal-Tribute-Band namens Skank Banger zusammen mit Andy Wood, einem phänomenalen Gitarristen. Außerdem spiele ich manchmal in einer Yacht-Rock-Band, mit Songs von Christopher Cross oder Hall & Oates, und nehme jede Menge andere Gigs an.“
Dann kommen wir auf sein Verhältnis zum Bass. „Ja, ich spiele sehr viel Bass“, sagt er. „Viele Gitarristen fragen mich immer: ‚Wie kannst du Bass spielen?‘ Aber ich wollte ursprünglich Bassist werden, bevor ich Gitarre spielte. Sie zwingen mich einfach immer wieder, Gitarre zu spielen“, lacht er.

Natürlich sprechen wir auch darüber, was er auf der Guitar Summit macht. „Morgen spiele ich auf der Main Stage mit Andy Wood als Teil seiner Band. Danach geht es direkt in die große Allstar-Jam, die wir hosten – mit Freunden wie Andy Timmons und Dweezil Zappa. Ich glaube, Billy Sheehan wird auch dabei sein, und Joey Landreth. Da wird eine Menge musikalische Feuerkraft auf der Bühne sein, und ich fühle mich geehrt, ein Teil davon zu sein.“ Zum Schluss grinst er: „Ansonsten bin ich hier, um Hände zu schütteln und Babys zu küssen – das übliche politische Pflichtprogramm“.
Guitar Summit 2025: Der letzte Tag
Wer am Abend noch nicht völlig fertig ist vor lauter Gitarrenmesse, besucht die Konzerte (und tut gut daran). Es wird ein bunter Mix geboten – Akustikgitarren, Singer/Songwriter, Rock. So kommen die Messebesucher etwa in den Genuss, die Bros. Landreth zu sehen (die wir an diesem Tag auch zum ausführlichen Interview über ihr neues Album getroffen haben). Das Abschlusskonzert bestreitet eine Allstar-Band, angeführt von Andy Wood, am Bass der bereits erwähnte Ben Eller – und mit Gästen wie Andy Timmons, Dweezil Zappa, Frank Bello (Anthrax), Bass-Ikone Billy Sheehan oder Alex Skolnick.

Am Ende vergeht alles wieder sehr, sehr schnell. Ich eile noch zum Workshop von Prog-Star Plini, treffe unterwegs Dweezil Zappa. Bei Plini muss ich dann leider schon eine Viertelstunde vor Ende raus, verabschiede mich noch einmal von Freunden und Bekannten und renne zum Zug, wissend, wo ich nächstes Jahr um dieselbe Zeit bin.