Macht sich Jan Böhmermann mit seiner Klage-Drohung gegen Merkel lächerlich?

Der ZDF-Satiriker und „Neo Magazin Royale“-Moderator hat über seinen Anwalt ausrichten lassen, dass er gegen die Kanzlerin klagen wolle, falls sie ihre Aussagen über das „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten Erdogan nicht zurücknimmt.

Eigentlich war das Medien- und Rechtsgeschichte schreibende Erdogan-Gedicht von Jan Böhmermann schon ein wenig in Vergessenheit geraten. Doch nun sorgte Jan Böhmermanns Anwalt, der Promi-Jurist Christian Schertz, noch einmal für Wirbel. In einem offenen Brief, der im Berliner „Tagesspiegel“ veröffentlicht wurde, droht er im Namen seines Mandanten Kanzlerin Angela Merkel eine Klage an, falls sie ihre Äußerungen über das inzwischen in Teilen verbotene Schmähgedicht nicht revidieren sollte.

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Merkel hatte nur Tage nach der Ausstrahlung der „Neo Magazin Royale“-Folge, die vom ZDF aus redaktionsinternen Gründen anschließend nicht in die Mediathek gestellt wurde, behauptet, dass das Gedicht „bewusst verletzend“ gewesen sei. Damit hatte sie nach Angaben von Böhmermanns Anwalt zunächst das Poem aus dem Zusammenhang der satirischen Sendung gerissen (Stichwort: Kunstfreiheit) und zugleich eine juristische Wertung vorgenommen. Das sei laut Schertz eine Überschreitung ihrer Kompetenzen gewesen und sei schon deshalb nicht hinzunehmen, weil der Moderator seiner Meinung nach damit vorverurteilt wurde

Wurde Einfluss auf die Justiz genommen?

Eine Klage, wie sie in dieser Form angekündigt ist, scheint aber nur sehr wenig Aussichten auf Erfolg zu haben. Das analysierte der Medienanwalt Jonas Kahl für die Online-Ausgabe des „Spiegel“. Seiner Meinung nach habe Merkel zwar tatsächlich bewusst eine juristische Bewertung vorgenommen (was eigentlich Sache der Gerichte ist), doch erstens gehörten solche Feststellungen zum Teil zum politischen Diskurs dazu und zweitens könne man der Kanzlerin nicht vorwerfen, „mit ihrer Äußerung gezielt Einfluss auf die Justiz nehmen“ zu wollen. Überdies hätte die CDU-Politikerin später für ihre missglückte Wortwahl um Entschuldigung gebeten, was bei einer Klage durchaus Gewicht hätte.

Ebenfalls handelte es sich laut Kahl in diesem Fall wohl kaum um eine „Verletzung des Sachlichkeitsgebots“, wie es Böhmermanns Anwalt in dem offenen Brief behauptet. Schertz schrieb, dass Merkel die Bewertung des Schmähgedichts „ohne Kenntnis des vollständigen Sachverhalts vorgenommen“ habe. Zwar sei es durchaus möglich, dass die Kanzlerin ihre Worte gewählt habe, ohne alle Fakten zu kennen, dennoch habe sie sich „nicht etwa beleidigend oder völlig sachfremd“ geäußert.

Erdogan-Gedicht löste diplomatische Krise aus

Eine Klage hätte laut Medienanwalt Kahl schon deshalb kaum Aussichten auf Erfolg, weil in diesem Fall – zu dem es inzwischen ja auch Urteile gibt – die Interessen der Privatperson Böhmermann und der Bundesregierung abgewogen würden. Da es nach der Klagedrohung Erdogans unmittelbar nach Ausstrahlung der ZDF-Sendung durchaus zu einer konkreten diplomatischen Krise kam (nur unter diesem Gesichtspunkt ist überhaupt zu erklären, warum sich die Kanzlerin zu dem Schmähgedicht öffentlich äußerte), wäre hier die juristische Bewertung wohl klar. Einer Bundeskanzlerin stehe in diesem Zusammenhang zu, „eine Wertung zu treffen, allein, um die Wogen zu glätten“.

Der Vorwurf, Merkel habe ein drohendes Gerichtsverfahren mit ihrer Einschätzung beeinflusst, ist laut Kahl kaum haltbar. „Man muss immer im Einzelfall schauen, was die Zielrichtung war: eine politische Wertung oder eine gezielte Einflussnahme auf laufende Gerichtsverfahren?“. Hier sei es seiner Meinung nach klar, dass es sich lediglich um eine politische Wertung handelte.

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